1945 gründete Karl Georg von Stackelberg in Bielefeld das erste deutsche Meinungsforschungsinstitut namens Emnid. 1947 folgten ihm das Ehepaar Elisabeth Noelle und Erich Peter Neumann mit der Gründung des Instituts für Demoskopie Allensbach. Infas, das im Jahr 1959 entstand, hat die ersten 30 Jahre im Auftrag der ARD gearbeitet. 1996 wurde es von Infratest dimap abgelöst, das seither den Deutschlandtrend veröffentlicht. Für das ZDF arbeitet wiederum die Forschungsgruppe Wahlen, die für das monatliche Politbarometer bekannt ist.
Eine Empfehlung des deutschen Presserats lautet, stets zu erwähnen, ob eine Umfrage repräsentativ ist. Warum die Umfragewerte zwar die Einstellungen der Gesamtbevölkerung repräsentieren und trotzdem kaum Aussagekraft über die Meinungen von Einwanderern und ihren Nachkommen besitzen, zeigt ein genauer Blick in die Methodik.
Die gleiche Chance für alle?
Forsa, Infratest dimap und die Forschungsgruppe Wahlen gaben auf Nachfrage des Mediendienstes an, bei Umfragen auf ein strenges Zufallsprinzip zu achten. Konkret bedeutet das, ein Computer generiert zufällige Telefonnummern, die dann von ausgebildeten Interviewern kontaktiert werden. Auf diese Weise sollen auch Haushalte erreicht werden, die nicht im Telefonbuch verzeichnet sind. Einige Institute kontaktieren mittlerweile zusätzlich noch Mobilfunknummern.
Laut Irina Roth, Sprecherin vom Meinungsinstitut Infratest, hat “nahezu jede Person die Chance, in unsere Befragung zu kommen". Bei den Befragungen werden Geschlecht, Alter und Wohnort erfasst. Von den vier großen Instituten gab jedoch nur Allensbach an, auch das Merkmal "Migrationshintergrund" zu erheben. Die anderen beriefen sich auf eine "automatische Repräsentativität" aufgrund der zufallsbasierten Erhebung.
Allensbach verwendet als einziges unter den großen Instituten nicht das Zufallprinzip, sondern das sogenannte "Schneeballsystem". Dabei fragen die Interviewer die Befragten nach Bekannten, die ebenfalls befragt werden. Eine andere Besonderheit: Allensbach führt außerdem keine Telefoninterviews durch, wie es bei den anderen der Fall ist, sondern Face-to-Face Interviews.
Bei Wahlumfragen hingegen gilt grundsätzlich: Nur wer einen deutschen Pass und somit das Wahlrecht besitzt, wird befragt. Auch muss man die deutsche Sprache beherrschen, fremdsprachliche Befragungen finden nicht statt. Forsa-Forscher Peter Matuschek sieht darin kein nennenswertes Problem für die Repräsentativität: "Wir gehen davon aus, dass es sich bei den Menschen mit Migrationshintergrund, die kein Deutsch sprechen, um eine kleine Gruppe handelt. In den letzten zwei Jahren erwiesen sich unsere Wahl-Prognosen als sehr genau."
Der Bevölkerungsanteil der Wähler mit Migrationshintergrund liegt in Deutschland bei 9 Prozent, hinzu kommen rund sieben Millionen Ausländer, die nicht wahlberechtigt sind. Der Urvater der Meinungsforschung, der Amerikaner George Gallup schrieb 1940 in seinem Werk "The Pulse of Democracy“: In einer Gesellschaft müssten immer die Ansichten der Mehrheit als höchstes Gericht für politische und soziale Probleme angesehen werden. Wie aber steht es um die Ansichten der gesellschaftlichen Minderheiten? Laut Forschern werden sie vor allem in Sonderstudien untersucht. "Das Interesse an Studien zu Menschen mit Migrationshintergrund ist groß und wächst," erklärt Heinz Behme, Leiter des Allensbach Statistikressorts.
Schneeballverfahren verzerren die Ergebnisse
Den Instituten bleiben für diese Sonderstudien zwei Vorgehensweisen: Entweder sie telefonieren, wie sonst auch, zufällig generierte Rufnummern ab und fragen am anderen Ende der Leitung nach der Herkunft. Das Problem: Bei einer gewöhnlichen Umfrage braucht man mindestens 4.000 Versuche, um genug Antworten einzuholen. Möchte man nur Menschen mit Migrationshintergrund erreichen, also knapp zehn Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung, multipliziert sich die benötigte Anzahl der telefonischen Kontakte um ein Zehnfaches, also auf zumindest 40.000 Versuche.
Weil dieses Verfahren sehr aufwendig ist, greifen Institute oft auf Methoden zurück, die Ergebnisse verzerren können. Beim sogenannten "Onomastik-Verfahren" durchsuchen sie zum Beispiel das Telefonbuch nach ausländischen Vor- und Nachnamen. Eine polnischstämmige Anna Kasten oder ein Dennis Breitenbach, Sohn einer türkischen Mutter und eines Deutschen Vaters, würden aus dieser Befragung somit herausfallen. Hinzu kommt das "Schneeballverfahren" von Allensbach, bei dem ein Teilnehmer einen nächsten Teilnehmer mit Migrationshintergrund empfiehlt. Auch diese Methode hat den Nachteil, dass dadurch eine zu homogene Gruppe erreicht wird.
Wie wählen Menschen mit Migrationshintergrund?
Bei Wahlumfragen, bei denen der Migrationshintergrund meist nicht erhoben wird, beträgt die Stichprobenzahl in der Regel 1.000 Befragte. Lägen die Fallzahlen der Deutschen mit Migrationshintergrund im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungensanteil, wären das 100 Befragte mit Migrationshintergrund. Das sind zu wenige, um differenzierte Aussagen treffen zu können, etwa über das Wahlverhalten von Russlanddeutschen oder türkeistämmigen Wählern. Auch zum Wahlverhalten von Menschen aus Einwandererfamilien insgesamt gibt es keine amtlichen Ergebnisse. Es gibt jedoch – etwas ältere – Studien, die Anhaltspunkte bieten. So hat etwa das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2012 eine Expertise dazu veröffentlicht.
Von Dena Kelishadi
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.