Zwei Jahre ist es her, dass der Münchener Hauptbahnhof zum Symbol für eine viel zitierte Willkommenskultur in Deutschland wurde: Die Bilder von freiwilligen Helfern, die Flüchtlinge mit Essen, Getränken und einem Schlafplatz versorgten, fanden weltweit Beachtung. Aber wie ist die Stimmung in München heute? Und wo steht Deutschland inzwischen bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen?
Bei der Medien-Tour in München kamen Journalisten mit Experten, freiwilligen Helfern und Flüchtlingen ins Gespräch. "Die positive Stimmung von 2015 hat sich gehalten", so Rudolf Stummvoll vom Amt für Wohnen und Migration. Seit 2014 leitet er die "Taskforce" der Stadt München, die im September 2015 in kürzester Zeit Schlafplätze für etwa 25.000 Flüchtlinge organisierte – zuerst in Kasernen, umgebauten Bürogebäuden oder Containersiedlungen.
Bilder Medien-Tour am 1. Juni in München
Die Versorgung mit Wohnraum sei jedoch nach wie vor ein großes Problem, sagt Stummvoll: "Der Wohnungsmarkt in der Stadt ist umkämpft. Auch für viele andere Menschen ist es schwer, eine Wohnung zu finden." Deshalb habe die Stadt 2016 das Programm "Wohnen für alle" ins Leben gerufen, mit dem in drei Jahren 3.000 Wohnungen zusätzlich gebaut werden. Die eine Hälfte gehe an Geflüchtete, die andere Hälfte an Bedürftige, die schon länger in der Stadt lebten, wie Arbeitslose oder Rentner. So sollten "Neiddebatten" vermieden werden, erklärt Stummvoll.
Für die Integration braucht es eine Bleibeperspektive
Eine Unterkunft zu finden, ist jedoch nur ein erster Schritt in Richtung Integration. Nach der Wohnungssuche stehen viele Flüchtlinge vor der Herausforderung, eine Arbeit zu finden. Wie gut das gelingt, hat das "Ifo-Zentrum für Migrationsforschung" untersucht. Für eine Studie wurden rund 400 Flüchtlinge zu ihren Erfahrungen bei der Jobsuche befragt. Alle haben am Projekt "Social Impact Recruiting" teilgenommen, in dem Geflüchtete in Workshops auf die Arbeitssuche in Deutschland vorbereitet werden.
Die Ergebnisse seien zwar nicht repräsentativ, da nur Flüchtlinge mit "guter Bleibeperspektive" in München befragt worden seien, erklärt die Forscherin Yvonne Giesing. Dennoch ließen sich einige generelle Erkenntnisse ableiten: Bei Syrern habe in den ersten zwei Jahren etwa die Hälfte einen Job gefunden. Sie seien im Schnitt besser gebildet als Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern. Von ihnen hatte nach zwei Jahren rund jeder Vierte Arbeit, so Giesing.
Neben mangelnden Sprachkenntnissen sei vor allem der unsichere Aufenthaltsstatus ein Problem. "In Bewerbungsgesprächen wird oft zuerst nach dem Asylbescheid gefragt", berichtet Steve, ein Asylsuchender aus Uganda, "eine Arbeitserlaubnis reicht den Unternehmen häufig nicht." Nach vielen vergeblichen Versuchen hat er inzwischen ein Praktikum in einem kanadischen Unternehmen mit Sitz in München begonnen.
Asylsuchende sollten bei der Arbeitssuche stärker unterstützt werden, empfiehlt Yvonne Giesing. Zum Beispiel könnte ihnen ein zeitweises Bleiberecht ermöglicht werden, wenn sie einen Job finden – auch, wenn noch nicht über ihren Asylantrag entschieden wurde. In Schweden sei das bereits der Fall: Hier können Unternehmen ein Jahr lang für ihre Angestellten bürgen.
Ist Deutschland heute besser auf Flüchtlinge vorbereitet?
Neben Politik und Wirtschaft spielen auch ehrenamtliche Helfer eine wichtige Rolle bei der Integration. Wie nachhaltig deren Arbeit ist, zeigt das Beispiel des Kultur- und Wohnprojekts "Bellevue di Monaco". Zu dem Projekt im Münchener Stadtzentrum gehören ein Wohnhaus für Geflüchtete, ein Kulturhaus, in dem Veranstaltungen stattfinden, sowie ein Laden. Das Projekt liegt in einer der teuersten Wohngegenden der Stadt. "Dass die Stadtverwaltung uns diese Häuser überlassen hat, lag sicher auch daran, dass alle noch unter dem Eindruck der Ereignisse im Sommer 2015 standen", sagt Matthias Weinzierl, einer der Projektleiter. Heute ist "Bellevue di Monaco" eine wichtige Anlaufstelle für Initiativen und Geflüchtete, wie zum Beispiel den Verein "Juno", der ein Kennenlern-Café für Flüchtlingsfrauen und Münchenerinnen anbietet.
Ist man heute also besser vorbereitet, sollten sich Ereignisse wie die vom September 2015 wiederholen? "Auf jeden Fall", sagt die Politikwissenschaftlerin Petra Bendel, die als Migrationsexpertin unter anderem den bayerischen Landtag berät, "die Kommunen haben seit 2015 viel Wissen und Personal aufgebaut". Sie beobachte aber auch, dass besonders kleinere Kommunen im Moment anfingen, Strukturen wieder abzubauen. "Das ist ein großer Fehler", ist sich die Expertin sicher: "Wir brauchen einen Apparat, der jederzeit wieder aktiviert werden kann."
Von Carsten Janke
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