Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat zwei Gutachten zum föderalen Asylsystem in Deutschland vorgelegt: Dietrich Thränhardt und Karin Weiss untersuchen die strukturellen Probleme des deutschen Föderalismus bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. Hannes Schammann und Boris Kühn wiederum analysieren, wie Kommunen mit den gestiegenen Flüchtlingszahlen umgehen. Beide Studien zeigen, dass gerade unter Belastung die Kooperation zwischen den drei Staatsebenen oft nicht wie gewünscht funktioniert.
Schammann und Kühn kritisieren die Gesetzesänderungen der vergangenen zwei Jahre. Diese hätten nicht immer zu einer effektiven Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen geführt. In einigen Fällen hätten sie sogar eine Mehrbelastung der Kommunen verursacht: Wegen der kürzlich beschlossenen Asylpakete müssen kommunale Ausländerbehörden etwa Duldungen häufiger verlängern und gleichzeitig mehr Abschiebungen vollziehen.
Auch bei der Unterbringung gebe es Mehrbelastungen für die Kommunen. Normalerweise sind zunächst die Bundesländer für die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten zuständig. Erst danach werden diese auf die Kommunen verteilt. Doch aufgrund mangelnder Kapazitäten in den Aufnahmeeinrichtungen der Länder wurden viele Flüchtlinge im vergangenen Jahr direkt auf die Kommunen verteilt.
Bundesländer und Kommunen haben laut Schammann und Kühn kreative Wege gefunden, um mit der Situation umzugehen. Einige Kommunen haben Asylbewerber in Wohnungen untergebracht – teilweise gegen den Willen der Landesregierungen. Ein Beispiel dafür ist Leipzig.
Auch in puncto Integration haben kommunale Behörden ihre Gestaltungsspielräume erweitert, berichten Schammann und Kühn. So geht etwa die Ausländerbehörde Köln gezielt auf geduldete Jugendliche zu, um ihnen Ausbildungsmaßnahmen zu ermöglichen und ihren Aufenthaltsstatus schnellstmöglich zu sichern. Zudem haben Bundesländer und Kommunen eigene Mittel eingesetzt, um Integrationskurse für alle Asylsuchenden anzubieten – und nicht nur für diejenigen, die nach dem Asylpaket I eine "gute Bleibeperspektive" haben.
Ebenso werden die Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes häufig pragmatisch angewandt: Obwohl das Gesetz festlegt, dass in Erstaufnahmeeinrichtungen vornehmlich Sach- statt Geldleistungen gewährt werden sollen, sieht die Praxis anders aus. Denn Sachleistungen bedeuten in der Regel höhere Kosten und einen höheren Verwaltungsaufwand, schreiben Schammann und Kühn.
Die beiden Autoren fordern, in Bundesländern und Landkreisen die Aufgaben klarer zu regeln, um das "Zuständigkeitschaos zu entwirren". Gleichzeitig müsse der Austausch zwischen Kommunen und Ländern verbessert werden und die Kommunen gestärkt werden. Der Gestaltungsspielraum der Kommunen muss laut Schammann und Kühn gesetzlich geregelt werden.
Mängel auf Bundesebene
Auch Thränhardt und Weiss sehen Probleme im föderalen Asylsystem. Vor allem auf Bundesebene gebe es einen starken Optimierungsbedarf, etwa bei den Asylverfahren. Zwar habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sein Personal aufgestockt und das Asylverfahren beschleunigt, so die Forscher. Dennoch steige die Zahl der unerledigten Asylanträge aufgrund bürokratischer Hürden jeden Monat um mehrere Zehntausend. Inzwischen liegt sie weit oberhalb der halbe-Million-Marke.
Das führe dazu, dass viele Asylsuchende deutlich länger als nötig in Aufnahmeeinrichtungen bleiben. Daraus resultierten höhere Kosten für Länder und Kommunen, auch verzögere sich der Integrationsprozess.
Positive Entwicklungen sehen Thränhardt und Weiss bei der Finanzierung der Erstaufnahme: Die Bundesregierung ist hierbei weitgehend auf die Forderungen der Länder eingegangen. So führte sie im Oktober 2015 eine Pauschale von 670 Euro pro Asylbewerber und Monat für Unterbringung und Versorgung ein. Im Juni 2016 beschloss sie zudem, alle Unterbringungskosten für anerkannte Flüchtlinge drei Jahre lang zu übernehmen. Nach Ansicht der Bundesländer reichen diese Maßnahmen jedoch nicht aus, um die Gesamtkosten des Aufnahmesystems zu decken.
Von Fabio Ghelli
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