Das Coronavirus legt das gesellschaftliche Leben in Deutschland lahm. Auch Moscheegemeinden sind von den Einschränkungen betroffen. Die Bundesregierung und die Länder hatten Gottesdienste in Kirchen, Moscheen und Synagogen offiziell am 16. März untersagt. Kurz zuvor hatten viele Moscheen ihre Tore bereits freiwillig geschlossen, darunter die Gemeinden, die zum Koordinationsrat der Muslime (KRM) gehören.Quelle
Was bedeuten die Maßnahmen für die Finanzierung von Gemeinden?
Die aktuelle Situation stellt die islamischen Gemeinden vor besondere Herausforderungen. Viele Moscheen in Deutschland finanzieren sich hauptsächlich über Spenden. Laut der Schura Hamburg beziehen einige ihr Geld ausschließlich aus der Kollekte bei den Freitagsgebeten. Solange die Moscheen geschlossen sind, fallen diese Spenden weg. Laufende Kosten wie Miete, Strom und Gehälter müssen aber weiter bezahlt werden. Während einige Moscheen auf Rücklagen zurückgreifen können, sind besonders kleinere Moscheen in ihrer Existenz gefährdet.
"Die aktuelle Lage zeigt, wie fragil das finanzielle System der Moscheen in Deutschland ist", sagt Religionssoziologe Rauf Ceylan von der Universität Osnabrück. "Während sich die christlichen Kirchen größtenteils über die Kirchensteuer finanzieren, sind Moscheen als lokale Vereine organisiert und damit von Spenden und Mitgliederbeiträgen abhängig". Das meiste Geld komme bei den Freitagsgebeten zusammen, so Ceylan. "An ihnen nimmt nicht nur die Kerngemeinde, sondern auch lose Mitglieder und Besucher teil. Oft wird auch selbstgemachtes Essen verkauft und der Erlös für die Miete oder Nebenkosten verwendet." Die Online-Spendenaufrufe werden nach Einschätzung Ceylans nicht den gleichen Effekt haben.
Wie finanzieren sich Moscheegemeinden in Deutschland?
Islamische Organisationen erklären in der Regel, dass sie sich primär durch Mitgliedsbeiträge und Spenden von Moscheebesuchern finanzieren. Hinzu kommen Einkünfte durch Vermietungen und Dienstleistungen oder Erlöse aus dem Verkauf in vereinseigenen Läden, die zur Moschee gehören. Große islamische Dachverbände wie die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) erzielen durch die Organisation von Pilgerreisen oder durch ihre Buch- und Zeitschriftenverlage zusätzliche Einnahmen. Islamische Organisationen sind mehrheitlich als gemeinnützige Vereine eingetragen und deshalb verpflichtet, ihre Buchhaltung regelmäßig vorzulegen.Quelle
Finanzierung aus dem Ausland
Die Frage, ob und wie viel Geld aus dem Ausland an deutsche Moscheegemeinden fließt, sorgt immer wieder für Diskussionen. Verlässliche Zahlen dazu gibt es aber nicht. Bekannt ist, dass einzelne Moscheebauten in Deutschland durch größere Spenden aus dem Ausland ermöglicht wurden. So wurde die für ihre moderne Architektur bekannte Moschee im bayrischen Penzberg vom Emir des Golfstaats Schardscha bezahlt. Manche Moscheevorstände werben im Ausland, etwa am arabischen Golf, um größere Summen, um laufende Ausgaben oder Großprojekte wie einen Moscheebau finanzieren zu können. Aus einmaligen Spenden lassen sich jedoch noch keine generellen Rückschlüsse auf eine Einflussnahme aus dem Ausland ziehen, sagen Fachleute.Quelle
Es gibt aber auch indirekte Formen der Finanzierung aus dem Ausland. So zahlt beispielsweise die türkische Religionsbehörde Diyanet die Gehälter der Imame, die in den fast 1.000 DITIB-Moscheen in Deutschland predigen. Nahezu alle Gemeinden des türkisch-islamischen Dachverbands DITIB sowie einiger anderer Verbände nehmen die Dienste dieser Imame, die aus der Türkei entsandt und bezahlt werden, in Anspruch.Quelle
Viele Moscheegemeinden greifen auf eine dieser Formen der Unterstützung aus dem Ausland zurück, um ihre Imame und Seelsorger oder ihre Moscheebauten und ihren Koranunterricht zu finanzieren. Viele soziale Aufgaben wie Jugend- und Seniorenarbeit, Beratungstätigkeit und Flüchtlingshilfe werden von ehrenamtlichen Helfern übernommen.Quelle
Anders als Kirchen oder jüdische Gemeinden, werden Moscheegemeinden dabei bisher nicht finanziell vom Staat unterstützt.Quelle
Was spricht gegen eine "Moschee-Steuer"?
Immer wieder wird die Idee einer „Moschee-Steuer" ins Gespräch gebracht. Auf muslimischer Seite stießen solche Vorschläge bislang aber eher auf Skepsis. Manche argumentieren, eine zentral erhobene Steuer widerspreche sowohl dem muslimischen Selbstverständnis als auch der gegenwärtigen Organisationsform des Islams in Deutschland. Moscheegemeinden, die sich vom Druck zentralistisch geführter Dachverbände lösen wollen, fürchten außerdem Gängelung und Missmanagement durch die Zentralen, sollten diese über die Verwendung einer solchen „Moscheesteuer“ verfügen. Aber auch die großen islamischen Organisationen zeigen bisher wenig Interesse an einer „Moschee-Steuer“. Das gilt selbst für die der Ahmadiyya-Gemeinde, die etwa in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist und damit beanspruchen könnte, dass der Staat für sie ihre Mitgliedsbeiträge über eine Steuer einzieht.Quelle
Besonders schwierig wird es laut der Islam-Verbände, wenn die Einschränkungen während des Fastenmonats Ramadan gelten, der am Abend des 23. Aprils beginnt. Am heutigen Freitag soll es Gespräche zwischen dem Bundesinnenministerium und Religionsvertreter*innen geben, darunter auch mit dem "Koordinationsrat der Muslime". Thema sind die Einschränkungen angesichts der Corona-Pandemie.
Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IR) hat Bund und Länder aufgerufen, die Moscheen finanziell zu unterstützen. Die Schura Hamburg startete die Spendenkampagne "Moscheen in Not". Zudem bietet sie den Moscheen Hilfe an, etwa wenn sie Kurzarbeit für religiöses Personal beantragen.Quelle
Wie passen sich islamische Gemeinden an die Sitation an?
Moscheen und islamische Verbände setzen wegen der Einschränkungen durch das Corona-Virus vermehrt auf digitale Angebote. Einige Beispiele:
- Viele Gemeinden übertragen ihre Predigten per Video. Hamburger Imame etwa wenden sich in unterschiedlichen Sprachen an Muslim*innen. Neben Angeboten auf Deutsch gibt es Ansprachen auf Bosnisch, Arabisch, Persisch, Kurdisch und Albanisch.
- Gemeinsam mit der Bildungsabteilung und der Frauenorganisation der Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) hat die Zentralstelle für Islamische Wohlfahrt und Soziale Arbeit "Fudul" Online-Beratungen eingerichtet. Dabei unterstützen ehrenamtliche Familienberater*innen Menschen bei familiären und persönlichen Problemen.
- Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat den Youtube-Kanal "Sogesehen Islam und Muslime" erstellt. In den Videos sprechen Imame über die aktuelle Situation und geben Ratschläge zum Verhalten in Zeiten von Corona.Quelle
In vielen Gemeinden organisieren sich muslimische Jugendliche, um Älteren oder anderen Risikogruppen im Alltag unter die Arme zu greifen. Der Islamrat hat gemeinsam mit der IGMG und Fudul das Nachbarschaftsprojekt "Sei deinem Nachbarn eine helfende Hand" gestartet. Zudem wurde das europaweite Projekt "Wir danken mit Masken" ins Leben gerufen. Dabei sollen Ärzt*innen, Pflegepersonal, die Feuerwehr und der Einzelhandel mit selbstgenähten Masken unterstützt werden.Quelle
Von Tomma Neveling
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