Check-in, Flugzeugabfertigung, Gepäck verladen: In diesem Sommer dürfen türkische Arbeitskräfte für maximal drei Monate nach Deutschland einreisen, um an den überlasteten Flughäfen in der Abfertigung zu arbeiten. Das Beschäftigungsverhältnis muss spätestens am 6. November 2022 enden, wie das Bundesministerium des Innern dem MEDIENDIENST auf Anfrage mitteilte.
Die Bundesregierung reagierte damit auf eine Bitte der Branche: Der Arbeitgeberverband der Bodenabfertigungsdienstleister (ABL) hatte die erleichterte Einreise für 2.000 Personen aus der Türkei gefordert, nachdem es an mehreren deutschen Flughäfen zu Beginn der Ferienzeit wegen Personalmangels chaotische Zustände mit langen Warteschlangen gab.
Keine dauerhafte Bleibeperspektive
Überlegungen, den türkischen Arbeitskräften eine dauerhafte Bleibeperspektive zu bieten, gibt es nicht. Die Maßnahme sei auf drei Monate befristet, teilte das Innenministerium mit. "Eine Verlängerung über die drei Monate hinaus kommt nicht in Betracht." Auch einen Familiennachzug schließt das Ministerium "aufgrund des kurzfristigen Aufenthalts" aus. Die Maßnahme solle den Arbeitgebern "einmalig" Zeit verschaffen, ihren Personalbestand wieder dauerhaft zu verstärken.
Rechtsgrundlage für die befristete Anwerbung ist Paragraph 19c Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes. Dieser sieht vor, dass im begründeten Einzelfall Ausländer*innen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn an der Beschäftigung ein "öffentliches" Interesse bestehe. Nach der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr war diese Regelung schon einmal zum Einsatz gekommen: Für die Wiederaufbaumaßnahmen in den betroffenen Gebieten durften Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten einreisen.
Um die Anwerbung zu beschleunigen, prüft die Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht jeden Einzelfall, sondern hat am 6. Juli eine generelle Zustimmung für türkische Arbeitnehmer*innen erteilt, die Abfertigungsaufgaben an deutschen Flughäfen wahrnehmen. Diese gilt unter folgenden Voraussetzungen:
- Es dürfen sich nur türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der Türkei bewerben.
- Es geht um die Berufe Check-in-Agent*in, Service-Agent*in für Passagierabfertigung, Aircraft Supervisor*in Loading, Flugzeugabfertiger*in, Lader*in, Fahrer*in, Ramp Agent*in.
- Beschäftigte aus der Türkei müssen die erforderlichen Unterlagen zur Beantragung eines Flughafenausweises vorlegen – unter anderem ein polizeiliches Führungszeugnis und einen Nachweis der vergangenen fünf Erwerbsjahre ohne längere Unterbrechung.
- Die Bezahlung in Deutschland beträgt mindestens 14,25 Euro pro Stunde – es sei denn, der Arbeitgeber zahlt nach Tarif, dann muss die entsprechende Vergütung gezahlt werden.
- Der Arbeitgeber muss eine "angemessene Unterkunft" zur Verfügung stellen.
Die deutschen Flughafen-Dienstleister können nach Angaben des Innenministeriums schon jetzt Arbeitsverträge mit Arbeitskräften aus der Türkei schließen. Bis die ersten zum Einsatz kommen, dürfte es allerdings noch dauern. Vor der Einreise müssen die Luftsicherheitsbehörden der Länder eine Zuverlässigkeitsprüfung vornehmen, die laut Ministerium zwei bis vier Wochen in Anspruch nehmen kann. Ein Visum wird erst nach einer positiven Prüfung erteilt.
"Nicht besonders durchdacht"
Arbeitsmarktforscher sehen die Pläne mit Skepsis. „Besonders durchdacht wirkt das nicht“, sagt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Nach drei Monaten müssten die Arbeitskräfte wieder in die Türkei zurückkehren. "Da geht es eher um eine Art Saisonarbeit." Das sei "keine nachhaltige Einwanderungspolitik".
Hinzu kommt, dass nicht nur an Flughäfen Personal für einfache Tätigkeiten gesucht wird, sondern auch in anderen Branchen. In vielen Dienstleistungsberufen – von der Gastronomie und dem Reinigungsgewerbe bis zu Lieferdiensten – gebe es einen hohen Bedarf an Arbeitskräften, sagt Brücker. In diesen Bereichen sei die Beschäftigung im letzten Jahrzehnt fast doppelt so stark gestiegen wie im Durchschnitt. "Die Engpässe sind mittlerweile klar sichtbar."
Im Flugverkehr und der Gastronomie macht sich außerdem bemerkbar, dass der Personalmangel sich als Folge der Corona-Pandemie noch einmal verschärft hat. Von den Lockdowns waren beide Branchen stark betroffen, Arbeitnehmer*innen wurden entlassen. "Viele Menschen waren in Beschäftigungsverhältnissen, die leicht kündbar waren. Die haben sich jetzt etwas anderes gesucht und kommen nicht mehr zurück", sagt Brücker.
Mit einer zeitlich begrenzten Notlösung für die Flughäfen ist es aus Sicht des Arbeitsmarktforschers nicht getan. Angesichts des demographischen Wandels benötige Deutschland eine Nettozuwanderung von 400.000 bis 500.000 Personen im Jahr. Das entspreche wegen der Rückwanderung etwa 1,5 bis 1,6 Millionen Zuzügen. „Davon sind wir weit entfernt“, sagt Brücker. Im Pandemiejahr 2020 zogen nach Angaben des Statistischen Bundesamts 220.000 Personen mehr nach Deutschland als weggingen, 2021 waren es 329.000 Personen.
Von Cordula Eubel
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