Die Corona-Krise hat offengelegt, wie dramatisch der Pflegekräftemangel in deutschen Kliniken ist. Neue Zahlen zeigen, dass das Gesundheitssystem in den letzten Jahren vor allem dank Zuwanderung weiter funktioniert hat. Heute hat jede achte Pflegekraft in Deutschland eine ausländische Staatsbürgerschaft – und jede*r siebte Ärztin oder Arzt. Besonders viele von ihnen arbeiten in Ostdeutschland – und helfen dort, dem Ärztemangel zu begegnen. Der MEDIENDIENST hat ein aktualisiertes Factsheet mit den wichtigsten Zahlen und Fakten erstellt.
Das ausführliche Factsheet "Zuwanderung von Pflegekräften und Ärzt*innen 2021"
>> hier als pdf.
AUSLÄNDISCHE PFLEGEKRÄFTE
Die Bundesagentur für Arbeit spricht von einem "deutlichen Fachkräfteengpass" sowohl in der Alten- wie in der Krankenpflege. Es gibt dreimal so viele offene Stellen wie arbeitslose Fachkräfte, die dafür in Frage kämen. Bis 2030 könnten rund 180.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt werden, sagen Fachleute in einer neuen Prognose.Quellen
Dieser Bedarf zeigt sich auch in der Zuwanderung: Mehr als 200.000 ausländische Pflegekräfte arbeiten inzwischen in Deutschland (208.000) – rund dreimal so viele wie noch 2013. Ihr Anteil liegt inzwischen bei 13,5 Prozent der rund 1,5 Millionen Beschäftigten. Die meisten kommen aus Polen, Bosnien-Herzegowina oder der Türkei.Quellen
In vielen Bereichen ging die Zuwanderung von Arbeitskräften während der Corona-Zeit zurück – nicht so im Pflegebereich. Insgesamt stieg die Zahl der Neuzulassungen in den letzten Jahren. Bei den Krankenpflegekräften stieg die Zahl der Neuzulassungen ausländischer Pflegekräfte besonders stark (23.100, +21%). Bei Altenpflegekräften gab es ein Minus (10.300, -22% im Vergleich zu 2019). Quelle
Allerdings ist die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte während der Corona-Pandemie schwieriger geworden. Zum Beispiel ist Serbien aus dem Anwerbeprogramm ("Triple Win") ausgestiegen. Als Grund nannte Serbien, dass es selbst die Pflegekräfte benötige.Quelle
ÄRZTINNEN UND ÄRZTE
Die Zuwanderung ausländischer Ärztinnen und Ärzte ist während der Corona-Zeit weiter gestiegen. Inzwischen hat jeder siebte Arzt in Deutschland nicht die deutsche Staatsbürgerschaft.
Deutschland profitiert im Gesundheitsbereich von der Zuwanderung aus Ländern mit wirtschaftlichen oder politischen Krisen. Die größte Gruppe nach Herkunftsland sind inzwischen die Ärztinnen und Ärzte aus Syrien (rund 5.000). Danach kommen Rumänien (4.500) und Griechenland (2.700). Ohne ausländische Ärzte wäre der Ärztemangel in Ostdeutschland und einigen Regionen im Westen längst dramatisch: Dort machen sie inzwischen den Großteil der neu eingestellten Ärztinnen und Ärzte aus (s. Statements unten).Quelle
In vielen ostdeutschen Bundesländern liegt der Anteil ausländischer Ärzt*innen inzwischen bei über 15 Prozent und damit höher als in den meisten westdeutschen Bundesländern. Das ist besonders erstaunlich, da im Osten im Schnitt viel weniger ausländische Menschen leben. Auch in einigen Regionen im Westen, wie Höxter in Nordrhein-Westfalen, machen sie inzwischen den Großteil der neu eingestellten Ärztinnen und Ärzte aus (60 Prozent, s. Infokasten).Quelle
Welche Kritik gibt es an der Zuwanderung von Ärzten und Pflegekräften?
Sozialverbände betonen, dass Zuwanderung den Personalmangel in der Pflege zwar mindern, aber nicht lösen werde. Zudem müsse ein "Care Drain" verhindert werden, also eine zu starke Abwanderung von Pflegekräften aus anderen Ländern, die selbst nicht genug Fachkräfte im Pflegebereich haben. Aus diesem Grund verzichtet Deutschland auf die Anwerbung aus solchen Ländern. Ärztekammern kritisieren, dass man sich aktuell zu sehr auf zugewanderte Ärzte verlasse, die jedoch teilweise nicht über eine gleichwertige Ausbildung verfügen.Quellen
Außerdem gibt es einen Graubereich, der von der Statistik nicht erfasst wird, nämlich die Pflege in privaten Haushalten. Eine Studie aus dem Jahr 2017 schätzt, dass ausländische Pflegekräfte auf etwa 290.000 Vollzeitstellen in diesem Bereich beschäftigt sind. Häufig kommen sie aus mittel- und osteuropäischen Ländern.Quellen
Dr. Lisa Peppler, Migrationsforscherin mit Schwerpunkt Pflege an der Charité
"Wir erleben während der Corona-Zeit eine Verschärfung des globalen Fachkräftemangels im Pflegebereich. Die Anwerbung aus dem Ausland ist schwieriger geworden. So ist zum Beispiel Serbien aus dem Anwerbeprogramm "Triple-Win" ausgestiegen, weil sie die Pflegekräfte selbst benötigen, so die offizielle Erklärung. Das Problem wird uns noch die nächsten Jahrzehnte begleiten. Und wir werden eher noch mehr Zuwanderung brauchen. In Deutschland finden wir nicht genug junge Menschen für den Pflegeberuf."
Isabell Waschkies, Pressesprecherin, Katholische Hospitalvereinigung Weser-Egge
"Ohne die Fachkräfte aus dem Ausland würde unser Gesundheitssystem nicht funktionieren. In den vier Krankenhäusern der Katholischen Hospitalvereinigung im Kreis Höxter kommen mehr als 60 Prozent der neu eingestellten Assistenzärzte unter 35 Jahren aus dem Ausland. Viele Krankenhäuser sind auf ausländische Ärzte angewiesen, besonders in ländlichen Regionen.
Für Ärzte, die nach Deutschland kommen wollen, sind die Hürden nach wie vor hoch. Qualifizierte Mediziner müssten für ein Vorstellungsgespräch zuerst ein Visum beantragen. In Deutschland angekommen, stellen sie dann einen Antrag auf Anerkennung und warten auf einen Termin zur Fachsprachenprüfung bei der Ärztekammer. Im Idealfall dürfen sie nach etwa sechs Monaten anfangen zu arbeiten."
Von Carsten Wolf, Grafiken: Joe Bauer
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