Pflegekräfte aus dem Ausland werden immer wichtiger: 2024 arbeiteten mehr als 300.000 ausländische Pflegekräfte in Deutschland. Das waren knapp 18 Prozent der 1,7 Millionen Beschäftigten – also fast jede fünfte Pflegekraft (306.700 Beschäftigte oder 17,8 Prozent). Das sind viermal so viele wie noch 2013.Quelle
Im gesamten Gesundheitswesen hat sich seit 2015 die Zahl der Beschäftigte aus Syrien (17.000) verzehnfacht. 18-mal so viele sind es aus den Philippinen (9.400) und zehnmal so viele aus Indien (8.800).Quelle
Hier zum kompletten >> Factsheet "Ausländische Ärzte und Pflegekräfte 2024" (pdf)
Das Wachstum der in der Pflege tätigen Personen geht seit 2022 ausschließlich auf ausländisches Personal zurück. Die Anzahl der Beschäftigten mit deutscher Staatsangehörigkeit in der Altenpflege nahm zwischen 2023 und 2024 ab (minus 4 Prozent), in der Krankenpflege blieb sie etwa gleich.Quelle
Auch bei den Ärztinnen und Ärzten wird Zuwanderung immer wichtiger: Seit 2000 ist die Anzahl ausländischer Ärzt*innen stetig gestiegen. Ende 2023 waren es rund 15 Prozent (63.767) aller berufstätigen Ärzte und damit mehr als fünfmal so viele wie im Jahr 2000. Die meisten kommen aus Syrien (5.758), Rumänien (4.287) sowie Russland, Österreich und Griechenland.Quellen
Die Zuwanderung von ausländischem Pflegepersonal hat sich in den letzten Jahren noch einmal verstärkt. So berichten 96 Prozent der Krankenhäuser, in denen internationale Fachkräfte arbeiten, dass ihre Anzahl in den letzten 5 Jahren gestiegen ist. 53 Prozent geben an, dass der Anstieg deutlich war.Quelle
Hauptgrund Fachkräftemangel
Der Bedarf an Pflegekräften wird durch die Alterung der Gesellschaft weiter steigen, bis 2049 voraussichtlich um ein Drittel (auf 2,15 Millionen). Laut der Pflegekräftevorausberechnung werden 2049 zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen.Quelle
Auch aktuell ist der Mangel spürbar: Bei Fachkräften kamen 2023 in der Pflege auf 100 offene Stellen nur 44 Arbeitslose. Auch international herrscht ein großer Pflegekräftemangel. Laut einem Bericht der OECD von 2024 berichteten 15 EU-Länder von einem ähnlichen Mangel an Pflegekräften und 20 von einen Ärztemangel.Quellen
Der Bedarf an Zuwanderung dürfte also weiterhin hoch sein, besonders im ländlichen Raum. Ein Beispiel: Im Krankenhaus Hildburghausen in Thüringen haben 80 Prozent der Ärzte Migrationshintergrund, so Medienberichte (mehr zu Thüringen in einer Mediendienst-Recherche von 2024).Quellen
Verunsicherung wegen Migrationsdebatten
Ausländische Fachkräfte seien "unverzichtbar" für eine flächendeckende Versorgung. Aber viele seien "zutiefst verunsichert" angesichts rechtspopulistischer Migrationsdebatten, stellten Ärzte- und Pflegeverbände in einem gemeinsamen Aufruf für mehr Offenheit 2025 fest.Quelle
Diskriminierung im Arbeitsalltag
Trotz des großen Mangels gibt es Probleme bei der Integration ausländischer Fachkräfte. Teils sind es Probleme bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, teils bei fehlender "Willkommenskultur".
Aktuelle statistische Erhebungen zum Thema gibt es kaum. Betroffene erzählen in Befragungen allerdings von ablehnender und respektloser Haltung aufgrund der Herkunft oder Hautfarbe sowohl seitens der Patient*innen als auch der Kolleg*innen. Außerdem wurden Behandlungen abgelehnt oder die Pflegenden nicht ernst genommen. Das zeigt sich auch in Arbeitsteams. Laut Befragungen spiele in Teams erst nach drei Jahren die Herkunft keine Rolle mehr.Quellen
Auch die Anerkennung von Qualifikationen ist oft schwierig. Denn Prüfungen durch Aufsichtsbehörden sind langwierig und enden häufig damit, dass die Pflegekräfte dazu verpflichtet werden, weitere Qualifizierungsmaßnahmen zu absolvieren. Betroffene berichten von Wartezeiten von bis zu vier Jahren. Pflegefachpersonal sucht wegen all dieser Faktoren nach Alternativen zu Deutschland als Zielland (s. Zitat unten).Quellen
Expertinnen-Zitat
Dr. Lisa Peppler, Kulturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Diversität in der Pflege und Gastwissenschaftlerin an der Charité
"Wir haben eine große Akzeptanz erreicht. Die Politik hat mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz viel dafür getan. Wir hatten lange die einseitige Anpassungserwartung. Das gibt es kaum noch. Viele Einrichtungen versuchen inzwischen, Teams vorzubereiten. Aber vielen fehlt es dafür an Ressourcen. Die Pflegeteams müssen besser vorbereitet werden, um kulturelle und pflegerische Vielfalt zu managen.
Wir sehen Pflegeteams mit Leuten aus Mexiko, Brasilien, Indien, aber auch den Philippinen. Da geht es nicht mehr nur um deutsch-nichtdeutsch. Es geht auch um Unterschiede untereinander. Wir haben in einer Studie zu Diskriminierung wegen Ethnizität festgestellt, dass es durchaus Rassismuserfahrungen gibt. Die Einrichtungen haben aber Angst, mit Rassismus in Verbindung gebracht zu werden.
Ich befürchte, dass Deutschland da ins Hintertreffen gerät. Nicht nur weil es kein klassisches Zielland ist. Auch weil das Erstarken der AfD dazu führt, dass Pflegekräfte sich untereinander warnen, lieber nicht nach Deutschland zu gehen."
Von Lina Steiner und Carsten Wolf
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