Den Wanderungszahlen zufolge ist Deutschland ein Einwanderungsland. In der Wissenschaft und weitestgehend auch in der Politik ist das ebenfalls Konsens. Doch wie nimmt die Bevölkerung das Thema wahr? Sieht sie Einwanderung als Problem oder als Chance? Und wie bewertet sie die Migrations- und Integrationspolitik der Bundesregierung? Diesen Fragen geht die kürzlich veröffentlichte Studie „Transatlantic Trends 2013“ des German Marshall Fund (GMF) nach.
Jedes Jahr befragt die Stiftung Menschen aus den USA, der Türkei und Europa zu ihrer Meinung über aktuelle politische und gesellschaftliche Herausforderungen. In der diesjährigen Untersuchung wurden erstmals auch Einschätzungen zum Thema Einwanderung erhoben. In Deutschland nahmen insgesamt 1.000 Personen an der Studie teil. Sie wurden per Zufallsprinzip ausgewählt und im Juni 2013 telefonisch zu ihrer Meinung befragt. Ihren Antworten zufolge begegnen die Deutschen den Themen Migration und Integration vornehmlich positiv:
- Die Mehrheit der Befragten (62 Prozent) betrachtet Einwanderung nicht als Problem, sondern als Chance. Zudem zeigten sich die Deutschen ihr gegenüber deutlich optimistischer als ihre europäischen Nachbarn.
- Auf die Frage, ob Migranten eine Bedrohung für die deutsche Kultur darstellten, antworteten 77 Prozent der Befragten mit „nein“. Die überwiegende Mehrheit (71 Prozent) ist der Überzeugung, dass Einwanderer die deutsche Kultur bereichern.
- Knapp zwei Drittel der Befragten beurteilen die Integration der zweiten Generation von Migranten als gelungen. Anders fällt das Urteil für deren Eltern aus: Nahezu die Hälfte der Befragten schätzen die erste Generation als kaum bis schlecht integriert ein.
- Mehr als die Hälfte der Deutschen (54 Prozent) ist zufrieden mit der Migrations- und Integrationspolitik der Bundesregierung. In allen anderen befragten Ländern äußerte sich die Mehrheit der Bevölkerung negativ über die jeweilige Migrationspolitik ihrer Regierung. Als möglichen Grund für die positive Resonanz in Deutschland nennt die Studie die Neuregelungen zur erleichterten Einreise von Hochqualifizierten: Angesichts des demographischen Wandels und der Abwanderung einheimischer Fachkräfte seien immer mehr Deutsche der Auffassung, dass die Bundesrepublik auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen ist.
- So stimmten 75 Prozent der Aussage zu, Einwanderer könnten Lücken auf dem Arbeitsmarkt schließen. Eine deutliche Mehrheit von 80 Prozent stellte sich gegen die Behauptung, Migranten nähmen "gebürtigen Deutschen" die Arbeitsplätze weg.
Die Ergebnisse der Studie fallen einwanderungsfreundlicher aus als bei anderen Untersuchungen: Laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung von 2012 sind zwei Drittel der Bürger der Auffassung, Einwanderung belaste die Sozialsysteme (Hartz IV und ALG I) und führe zu Konflikten mit Einheimischen und Problemen in Schulen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Studie "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" der Universität Bielefeld: Rund 40 Prozent der befragten Bundesbürger hielten Ausländer für eine Bedrohung und Deutschland insgesamt für "in einem gefährlichen Maß überfremdet“.
Astrid Ziebarth vom GMF erklärt zu den Transatlantic Trends: "Auch bei uns gaben 49 Prozent, also fast die Hälfte der Befragten in Deutschland an, eine solche Belastung wahrzunehmen.“ Der Trend zu einwanderungsfreundlichen Antworten ließe sich jedoch auch bei der Bertelsmann Studie belegen: So bescheinigen 66 Prozent der Befragten, dass Zuwanderung das Leben interessanter mache. „Und auch das SVR-Integrationsbarometer attestiert Deutschland ein pragmatisch-positives Integrationsklima.“, so Ziebarth. „Die große Zustimmung zur Arbeit der Bundesregierung hat aber auch uns überrascht: 2011 vertraten nur 38 Prozent der Befragten in Deutschland diese Meinung."
Von Jennifer Pross
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