Beamt*innen kann es künftig verboten werden, etwa Tätowierungen oder Piercings offen zu zeigen. Das sieht ein neues Gesetz der Bundesregierung zur Änderung des Bundesbeamtengesetzes vor. Beamt*innen sollen als neutral und vertrauenswürdig wahrgenommen werden, so die Begründung. Das Gesetz umfasst auch mögliche Verbote religiöser Symbole und Bekleidungsstücke wie das Kopftuch oder die Kippa. Verwaltungen von Bund und Ländern könnten demnach Beamt*innen in Zukunft untersagen, ein Kopftuch zu tragen.
Auf Landesebene gibt es bereits Kopftuch-Vorschriften für Beamtinnen. Die orientieren sich an den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. In allen Bundesländern bis auf Berlin dürfen Lehrerinnen grundsätzlich ein Kopftuch tragen. Richterinnen und Staatsanwältinnen hingegen dürfen in den meisten Bundesländern kein Kopftuch im Gerichtssaal tragen.
Fachleute kritisieren das Gesetz
Das neue Gesetz ist eine Grundlage für Kopftuchverbote in Bund und Ländern, die es so bisher nicht gibt. Es ermöglicht Verwaltungen, Beamtinnen das Tragen eines Kopftuches unter bestimmten Bedingungen zu verbieten. Wie genau die Verbote aussehen sollen, werde dabei den Dienstbehörden in den Ländern überlassen, sagt Maryam Kamil Abdulsalam, Juristin am Institut für Öffentliches Recht an der Universität Bonn. „Das ist mehrfach problematisch. Es könnte sein, dass die Verwaltungen mehr als nötig verbieten und damit grundrechtssensible Entscheidungen treffen, die den Verwaltungen nicht überlassen werden dürfen."Quelle
Das Gesetz gibt nicht vor, in welchen Bereichen das Kopftuch-Verbot gelten kann, kritisiert Kamil Abdulsalam. "Es macht einen großen Unterschied, ob es um eine Richterin oder eine Finanzbeamtin mit Kopftuch geht", sagt die Juristin. Das Bundesverfassungsgericht begründe das Kopftuch-Verbot für Rechtsreferendarinnen etwa mit der speziellen Situation im Gerichtsaal: Dort gebe es einen stark formalisierten Ablauf und die Richter*innen tragen als Zeichen der Neutralität Roben.
Das trifft laut Kamil Abdulsalam aber nicht auf den normalen Behördenalltag zu. Dort müsse das religiöse Bedürfnis ein Kopftuch zu tragen, geschützt werden. Muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, seien in ihrer Karriereplanung durch bestehende Verbote ohnehin bereits verunsichert. Ein solches Gesetz führe zu mehr Unsicherheit, so Kamil Abdulsalam.
„In der Praxis wird das Gesetz nicht viel ändern”, sagt Kirsten Wiese, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen. Die neue Regelung verpflichte Verwaltungen nicht, pauschal das Kopftuchtragen im Dienst zu verbieten. Zudem können Verwaltungen bereits jetzt für Beamtinnen Kopftuch-Verbote im Einzelfall erlassen, so Wiese. Dafür reichen aber die bestehenden beamtenrechtlichen Pflichten aus. Das Gesetz ist Wiese zufolge vor allem ein politisches Signal gegen das Kopftuch.
Wo dürfen Beamtinnen Kopftuch tragen?
Ob Beamtinnen in ihrem Amt ein Kopftuch tragen dürfen, war immer wieder Gegenstand verfassungsgerichtlicher Entscheidungen. 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Kopftuch-Verbot für Rechtsreferendarinnen im Gerichtssaal rechtmäßig ist. Geklagt hatte eine muslimische Rechtsreferendarin, weil sie wegen ihres Kopftuches unter anderem nicht mit auf der Richterbank sitzen durfte. In den meisten Bundesländern dürfen Richterinnen, Staatsanwältinnen oder Referendarinnen bei ihren Amtshandlungen im Gerichtssaal kein Kopftuch tragen.
2015 hat das Bundesverfassungsgericht ein generelles Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen für unzulässig erklärt, weil es dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit widerspreche. Alle Bundesländer bis auf Berlin lassen das Kopftuch für Lehrerinnen seither grundsätzlich zu. 2020 wurde auch das pauschale Kopftuch-Verbot für muslimische Lehrerinnen in Berlin vom Bundesarbeitsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Dort wird nun über eine Änderung des Berliner Neutralitätsgesetzes diskutiert.
Von Tomma Neveling
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