Nach jahrelangen Debatten haben sich Union und SPD auf ein Einwanderungsgesetz geeinigt. Eckpunkte wurden Anfang Oktober vorgestellt. Das Gesetz soll noch vor Weihnachten vom Kabinett beschlossen werden. Damit soll vor allem der Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten erleichtert werden. Für hochqualifizierte Akademiker gibt es bereits heute liberale Regelungen für die Einreise, doch für Menschen mit beruflichen Qualifikationen war es bislang schwierig, nach Deutschland zu kommen. Das hatten Unternehmen immer wieder kritisiert.
Das geplante Einwanderungsgesetz sieht unter anderem vor:
- Wer eine anerkannte berufliche Qualifikation und einen Arbeitsplatz in Deutschland hat, soll einreisen dürfen
- Fachkräfte mit beruflicher Qualifikation, die noch keinen Arbeitsplatz haben, sollen für sechs Monate nach Deutschland kommen dürfen, um sich eine Stelle suchen zu können
- Die Vorschriften für die Fachkräfteeinwanderung sollen neu strukturiert und vereinfacht werden
Für Menschen mit einer sogenannten Duldung soll es punktuelle Verbesserungen geben:
- Die "3+2-Regelung" soll bundesweit einheitlich angewandt werden. Die Regelung sieht vor, dass Menschen mit einem Duldungsstatus für die Zeit der Ausbildung nicht abgeschoben werden. Zudem können sie zwei Jahre im Beruf arbeiten, wenn sie nach der Ausbildung übernommen werden
- Geduldete, die berufstätig sind, sollen bessergestellt werden. Dazu heißt es in den Eckpunkten zum Gesetz: "Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind."
Guter Arbeitsmarkt, hoher Bedarf an Fachkräften
Wie groß der Bedarf an ausländischen Fachkräften ist, zeigt ein Blick in die Statistiken: Die Arbeitslosenquote liegt bundesweit bei 4,9 Prozent, in einigen Regionen auch deutlich darunter. Arbeitsmarktforscher gehen von aktuell rund 1,2 Millionen offenen Stellen aus. Und es gibt mehr offene Ausbildungsplätze als Bewerber. „Wir brauchen auch ausländische Fachkräfte“, so Alexander Wilhelm von der Bundesagentur für Arbeit beim Pressegespräch des MEDIENDIENSTES. Besonders hoch sei der Fachkräftebedarf bei Gesundheit und Pflege, IT, Metall- und Elektroindustrie, Handwerk und Bau.
Kann das geplante Einwanderungsgesetz genug Fachkräfte aus dem Ausland anlocken? Der Rechtswissenschaftler Thomas Groß von der Universität Osnabrück hat Zweifel. Er kritisiert, dass Deutschland zwar die Einreise erleichtert, aber nicht die Bedingungen für einen dauerhaften Aufenthalt verbessert. Länder wie Kanada zeigten jedoch, dass es wichtig ist, eine langfristige Perspektive im Land zu bieten, so Groß. Nur so werde man attraktiv für ausländische Fachkräfte. Wichtig sei, schneller als heute unbefristete Niederlassungserlaubnisse zu erteilen und Einbürgerungen zu erleichtern.
Groß bemängelt auch, dass zu wenig getan werde, um die Potenziale von geduldeten Menschen in Deutschland zu nutzen. Zwar sind einige Verbesserungen für Geduldete vorgesehen, etwa für die Zeit einer Ausbildung. Doch das ist aus Sicht von Groß zu wenig. Er fordert, dass Geduldete, die erwerbstätig sind, zügiger einen regulären und langfristigen Aufenthalt erhalten.
Unternehmen fordern flankierende Maßnahmen
Stefan Hardege sieht im Einwanderungsgesetz ein gutes Zeichen der Bundesregierung. Laut dem Arbeitsmarktexperten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages wirkt es heute für viele Unternehmen abschreckend, dass die gesetzlichen Regelungen kompliziert seien. Die Abläufe müssten transparent und zügig sein, so Hardege. Er fordert zudem flankierende Maßnahmen, die nicht gesetzlich vorgegeben werden können. Wichtig sind ihm drei Punkte:
- Spracherwerb im Ausland verbessern – Fachkräfte müssten in ihren Herkunftsländern mehr Möglichkeiten erhalten, die deutsche Sprache zu lernen
- Unterstützung bei der Rekrutierung – Unternehmen brauchten mehr Hilfe, um ausländische Fachkräfte anzuwerben
- Mehr Werbung für den Standort Deutschland – die Regelungen zur Einwanderung nach Deutschland müssten bekannter werden
Bettina Offer berät als Anwältin deutsche Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland anwerben möchten. Sie bemängelt vor allem, dass es lange Wartezeiten bei Konsulaten und Ausländerbehörden gibt. "Wenn man ein Einwanderungsland sein will, muss man nicht nur Gesetze erlassen, sondern in Infrastruktur investieren", so Offer beim Pressegespräch. Ein Einwanderungsgesetz könne nur ein Baustein sein, um mehr Fachkräfte ins Land zu holen.
Von: Mehmet Ata
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