Es gibt immer mehr pflegebedürftige Menschen in Deutschland. Ihre Zahl könnte bis zum Jahr 2035 um ein Drittel steigen, wie eine aktuelle Prognose zeigt. Die Zahl der Pflegekräfte wächst hingegen viel langsamer – auch, weil geeignete Bewerber fehlen. Nicht nur in der Altenpflege, auch in Krankenhäusern dürfte Zuwanderung in Zukunft deshalb immer wichtiger werden, wie Experten betonen.
Für ausländische Pflegekräfte sei es in den vergangenen Jahren einfacher geworden, nach Deutschland zu kommen, sagte Andrea Albrecht auf einer Pressefahrt des MEDIENDIENSTES in Düsseldorf. Sie ist Pflegedienstleiterin am Lukaskrankenhaus in Neuss. Krankenpfleger aus anderen EU-Staaten können inzwischen ohne Wartezeiten in Deutschland anfangen zu arbeiten. Das Lukaskrankenhaus hat in den letzten Jahren besonders viele Fachkräfte aus Italien eingestellt.
Auch die Anerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse funktioniere inzwischen besser, sagte Albrecht: "Nach drei bis vier Monaten wird der italienische Abschluss normalerweise anerkannt." Ein Grund dafür ist das Anerkennungsgesetz, das seit 2012 gilt. Seitdem steigt die Zahl der anerkannten Abschlüsse, besonders im Gesundheitsbereich.
Wie viele ausländische Abschlüsse werden anerkannt?
Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden 2017 rund 31.100 Anträge auf Anerkennung bearbeitet, das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Drei Viertel der Antragsteller wollen als Ärzte oder Pflegekräfte in Deutschland arbeiten. 21.800 Berufsabschlüsse wurden ganz oder teilweise anerkannt. Zu je einem Drittel kamen die Antragssteller aus der EU, aus den übrigen europäischen Ländern sowie aus Ländern außerhalb Europas. Besonders stark gestiegen ist die Zahl der Antragsteller aus Syrien, Bosnien-Herzegowina und Serbien.Quelle
In unserer Rubrik "Flucht und Asyl" finden Sie Zahlen und Fakten zu Flüchtlingen, die ihre Berufsabschlüsse anerkennen lassen möchten.
Eine bundesweite Übersicht von Beratungsstellen, die Einwanderer bei der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse unterstützen, bietet das IQ Netzwerk "Integration durch Qualifizierung" auf seiner Website.
Für die volle Anerkennung müssten Krankenpfleger allerdings einen Deutschtest beim Gesundheitsamt ablegen. "Dabei gibt es von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedliche Standards, teilweise sogar von Kommune zu Kommune", so Albrecht weiter. Für die Arbeitgeber sei es deshalb im Vorfeld schwer einzuschätzen, ob die Bewerber den Test bestehen.
Viel schwerer als EU-Zuwanderer hätten es Arbeitskräfte, die nicht aus der EU kommen: "Wir haben hier eine Krankenschwester, die hat in der Ukraine 17 Jahre als Intensivpflegerin gearbeitet", erzählte Albrecht. In Deutschland habe sie dann mehr als ein Jahr gebraucht, um ihren Abschluss anerkennen zu lassen. Während der Wartezeit konnte sie nicht als Krankenschwester arbeiten und habe deshalb kaum Geld verdient. "Die Anerkennung ihres Abschlusses war ein Spießrutenlauf", so Albrecht.
Noch schwerer sei es für Ärzte, die nach Deutschland kommen wollen, sagte Maike Tölle auf der Medien-Tour. Sie ist Personalreferentin bei der Katholischen Hospitalvereinigung Weser-Egge aus dem Kreis Höxter. Qualifizierte Mediziner müssten für ein Vorstellungsgespräch zuerst ein Visum beantragen. In Deutschland angekommen, stellen sie dann einen Antrag auf Anerkennung und warten auf einen Termin zur Fachsprachprüfung bei der Landesärztekammer. "Nur wenn beides Erfolg hat, dürfen sie im Idealfall nach etwa sechs Monaten anfangen zu arbeiten."
Dabei sei man in vielen Krankenhäusern inzwischen auf ausländische Ärzte angewiesen, so Tölle, besonders in ländlichen Regionen. In den Krankenhäusern des Kreises Höxter kommen inzwischen mehr als 80 Prozent der neu eingestellten Assistenzärzte unter 35 Jahren aus dem Ausland. "Ohne die Fachkräfte aus dem Ausland würde unser Gesundheitssystem zusammenbrechen", so Tölle.
Laut der Bundesagentur für Arbeit gibt es bislang keinen flächendeckenden Mangel an Ärzten. Aber es gibt ein Verteilungsproblem. Vor allem in ländlichen Regionen sei der Ärztemangel inzwischen deutlich sichtbar, so die Bundesagentur in einem aktuellen Bericht. Der Bedarf an ausländischen Pflegekräften ist in diesen Regionen am größten.
Alle Ärzte, die aus dem Ausland kommen, um hier zu arbeiten, müssen eine Fachsprachprüfung absolvieren, um als Arzt anerkannt zu werden. Ärzte aus dem nicht-europäischen Ausland müssen zudem häufig eine "Kenntnisprüfung" ablegen, damit ihr Abschluss als gleichwertig anerkannt wird. "Beide Prüfungen sind anspruchsvoll", sagte Dr. Shermineh Shahi vom mibeg-Institut Medizin, "und leider bestehen viele Ärzte nicht auf Anhieb diese Prüfungen. Deshalb ist eine gute Vorbereitung durch Kurse wichtig."
Die "Kenntnisprüfung" müsse ein hohes Niveau der Ärzte-Ausbildung für die Patienten sicherstellen, sagte Jürgen Herdt, Experte von der Ärztekammer Westfalen-Lippe. "Sie sollte deshalb für alle Ärzte aus Drittstaaten verbindlich sein und nach einheitlichen Standards ablaufen." Vorbild könne die Fachsprachprüfung sein, die inzwischen in nahezu allen Bundesländern Pflicht sei. Die Fachsprachprüfung garantiere, dass die Ärzte ausreichend gut Deutsch sprechen, um mit ihren Kollegen und Patienten zu kommunizieren. "Das ist wichtig, denn an manchen Krankenhäusern haben Sie inzwischen mehr ausländische Ärzte als Muttersprachler."
Bilder von der Medien-Tour in Düsseldorf
In der Altenpflege gibt es schon heute über 23.000 offene Stellen. Um die Stellen zu besetzen, greift man dort nicht nur auf Arbeitsmigranten zurück. Pflegeschulen versuchen auch, Geflüchtete für die Altenpflege zu gewinnen.
In Nordrhein-Westfalen wurde dazu das Projekt "Care for Integration" gestartet, in dem Geflüchtete auf die Ausbildung in der Altenpflegehilfe vorbereitet werden – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Bislang haben darüber 92 Geflüchtete eine Ausbildung begonnen. "Unser Projekt wird den Pflegenotstand nicht lösen", sagte Sina Yumi Wagner, eine der Projektleiterinnen. "Aber wer so motiviert ist, ein Problem wie den Pflegenotstand anzupacken, den sollte Deutschland nicht wieder wegschicken."
Von Carsten Janke
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