Dieser Text ist ursprünglich im September 2016 erschienen und wurde nun aktualisiert.
Als die Deutsche Islam Konferenz (DIK) am 27. September 2006 ins Leben gerufen wurde, standen die Vorzeichen denkbar schlecht: Viele islamische Gemeinden und Verbände waren untereinander zerstritten. Zudem gab es auf staatlicher Seite Bedenken, was die Verfassungstreue einiger Verbände betraf. Auch die Auswahl der Teilnehmenden stand in der Kritik. Neben Verbandsvertretern waren auch die verbandskritischen Publizistinnen Necla Kelek und Seyran Ates eingeladen worden. Zudem sorgte für Unmut, dass das Bundesinnenministerium die Themen der DIK vorgab. Vor diesem Hintergrund glaubten nur wenige Beobachter an einen Erfolg des Dialogforums zwischen islamischen Gemeinschaften und politischen Institutionen.
Zehn Jahre später hatte sich das grundlegend geändert. Während Journalisten zum Jubiläum des Dialoggremiums kritisch fragten, ob die seit 2006 regelmäßig und unter Beteiligung der Chefs verschiedener Bundesressorts tagende Konferenz überhaupt Sinn mache, wenn sie doch gar keine medialen Kontroversen mehr verursacht, lobten Beteiligte 2016 die konstruktive Arbeitsatmosphäre.
Nun startet die Konferenz in ihre vierte Phase. Damit wurden zum vierten Mal die Teilnehmenden, die Themen und die Formate neu bestimmt. Und wieder lohnt sich ein Rückblick. Denn das Dialogforum hat in den vergangenen Jahren neben medialen Debatten auch wesentliche Impulse gesetzt. Die erste Phase war einem Wertekonsens, Sicherheitsfragen und vor allem dem Religionsunterricht gewidmet. Nachdem die Konferenz der Kultusministerkonferenz 2009 diesbezügliche Empfehlungen vorgelegt hatte, haben zehn Bundesländer den islamischen Religionsunterricht an Schulen eingeführt oder sind mit Modellprojekten auf dem Weg, das zu tun. Auch fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung fünf Zentren für islamische Theologie. Mehrere öffentlich-rechtliche Medien entwickelten ein Angebot für muslimische Zuschauer und -hörer, wie etwa das ZDF-Programm „Forum am Freitag“ oder „Koran erklärt“ vom Deutschlandfunk. Ohne die Anregungen und Diskussionen der DIK wären diese Initiativen wohl kaum möglich gewesen.
Konflikte blieben nicht aus
Entscheidend für den Verlauf der Konferenz war vor allem eines: Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die DIK als integrationspolitisches Instrument konzipiert – auch wenn er sicherheitspolitische Fragen weder außen vor lassen konnte noch wollte. Diesen Grundgedanken verdeutlichte er in seiner Eröffnungsrede 2006 mit dem Satz "Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas".
An eine konfliktreiche, aber punktuell auch konstruktive erste Phase unter Schäuble schloss sich ein schwieriger Start in die zweite Phase unter den Innenministern Thomas de Maizière (CDU) und Hans-Peter Friedrich (CSU) an. Die Islamverbände wollten nach den ersten drei Sitzungsjahren über Islamfeindlichkeit sprechen. Ein Wunsch, den das Bundesinnenministerium rundweg ablehnte. Daraufhin blieb der "Zentralrat der Muslime" der Islamkonferenz fern. Ein zweiter Verband, der Islamrat, war aufgrund von staatsanwaltlichen Ermittlungen ausgeladen worden (diese wurden aber bald eingestellt). Innenminister Friedrich wollte am Ende der zweiten Phase der DIK nur noch über Sicherheitsfragen diskutieren. In dieser Zeit spekulierten Beobachter über ein Aus der Islamkonferenz.
Prof. Dr. RIEM SPIELHAUS ist Islamwissenschaftlerin
und leitet die Abteilung Schulbuch und Gesellschaft am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig. Zu ihren Schwerpunkten gehören die Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung von Muslimen sowie die staatliche Anerkennung des Islam in Deutschland.
In der dritten Phase – wieder unter de Maizière – stand in der Deutschen Islam Konferenz die Frage im Mittelpunkt, wie islamische Religionspraxis ermöglicht werden könne. So standen unter anderem Fragen der islamischen Seelsorge – etwa in Gefängnissen, Krankenhäusern und bei der Bundeswehr – und der Wohlfahrt „von und für Muslime“ im Zentrum der Konferenz. Die Höhen und Tiefen der DIK zeigen, wie wichtig es ist, dass sich Politiker mit Durchhaltevermögen und Vision für eine Sache einsetzen. Das gilt vor allem für die Islampolitik, mit der sich Politiker nicht nur Lob einholen.
Die vierte Phase unter Horst Seehofer nun, so verspricht das Bundesinnenministerium auf der Webseite der Deutschen Islam Konferenz, soll praxisnah, flexibel, themenoffen sein. Manch ein Vertreter des organisierten Islams äußerte unter vier Augen die Befürchtung, das könnte bedeuten, sie soll banal, belanglos und unverbindlich werden. Als Auftakt wurde ein Konferenzformat gewählt, dass es erlaubt, eine große Zahl an Teilnehmenden einzubinden. Ein runder Tisch, an dem harte Nüsse geknackt werden, sieht jedoch anders aus. Allerdings wurden vielfältige Muslime – vor allem männliche – vom Innenministerium aufs Podium geladen, um ihre Sicht auf aktuelle Herausforderungen mitzuteilen.
Die nun beginnende Phase war bereits im März 2018 durch Workshops eingeläutet worden, auf denen die früheren Mitglieder des Gremiums ihre Bedarfe und Vorschläge für das Gremium diskutieren konnten. Im Zentrum stand dabei die Frage, wie das Gremium noch effektiver und nachhaltiger werden kann und vor allem wie es über den Konferenztisch hinaus wirken könnte. Sie solle den Alltag in islamischen Gemeinden reflektieren und Strahlkraft bis in ländliche Kommunen entfalten könne. Eine Abkehr vom elitären Kuschelkurs, der Dialogprojekten dieser Art so häufig vorgeworfen wurde. Wir können gespannt sein.
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