Rund 100 islamische Gebetsräume gibt es in Berlin. Die meisten von ihnen sind in den Vierteln Wedding, Kreuzberg und Neukölln zu finden. Meist sind es sogenannte Hinterhof-Moscheen, die in Wohnhäusern, Gewerberäumen oder ehemaligen Fabriketagen eingerichtet wurden. Bei sieben von ihnen handelt es sich aber um Moscheen mit mindestens einem Minarett – und es werden noch mehr. Denn gleich mehrere Bauten stehen in der Hauptstadt kurz vor der Fertigstellung.
An den steigenden Immobilienpreisen könnte es aber liegen, dass die Gesamtzahl der islamischen Gebetsräume und Moscheen in der Hauptstadt in den vergangenen Jahren kaum gestiegen ist. Und das, obwohl die Zahl der Muslime in Berlin stark zugenommen haben dürfte. "Wer sich in den 1990er Jahren kein Eigentum gesichert hat, der kann heute keine Moschee mehr eröffnen", sagte Meho Traveljanin vom "Islamischen Kulturzentrum der Bosniaken" auf einer Pressetour des MEDIENDIENSTES, die von der Robert Bosch Stiftung unterstützt wurde. Die bosnische Gemeinde hatte Glück und das richtige Gespür: Sie hat sich im Zentrum von Kreuzberg rechtzeitig ein Haus gekauft, das sie zu ihrem Gemeindezentrum ausgebaut hat, mit Cafeteria, Unterrichtsräumen, Konferenzsaal und einem geräumigen Gebetsraum. Mehrere hundert Gläubige besuchen die Moschee an besonderen Festtagen.
Bilder von der Medien-Tour in Berlin
Der Islam in Berlin sei in den vergangenen Jahren nicht nur sichtbarer und vielfältiger geworden, viele Moscheegemeinden seien auch offener, deutschsprachiger und professioneller geworden, sagt Riem Spielhaus. Die Islamwissenschaftlerin hat das islamische Gemeindeleben in Berlin kürzlich zum dritten Mal im Auftrag des Berliner Senats untersucht. Aus ihrer Studie geht unter anderem hervor, wie viel gemeinnützige Arbeit die Moscheegemeinden leisten. So engagieren sich mehr als 80 Prozent der Gemeinden in Berlin in der Jugendarbeit. Viele bieten darüber hinaus Sprachkurse oder Beratungen an – und das überwiegend ehrenamtlich, ohne staatliche Förderung.
Das gilt auch für das "Islamische Kulturzentrum der Bosniaken", wo sich vor allem bosnischstämmige Muslime treffen. Zum "Service" der Gemeinde gehöre nicht nur das Freitagsgebet, berichtete Gemeindesprecher Meho Travljanin. Man biete auch Sprachkurse für Kinder und Jugendliche, Hilfe bei Behördengängen, Hochschul-Stipendien für Studierende oder Treffen für Senioren an. "Viele Mitglieder unserer Gemeinde waren vom Bosnienkrieg in den 90er Jahren gezeichnet, manche tief traumatisiert", erzählte Travljanin. "Die Gemeinde war für sie ein wichtiger Anlaufpunkt."
Staatsvertrag nicht in Sicht
Der Dialog zwischen Moscheegemeinden und der Politik könnte verbessert werden – darin waren sich die meisten Referenten auf der Pressetour einig. Doch ein Staatsvertrag, wie ihn etwa Hamburg und Bremen mit Islam-Verbänden und Gemeinden abgeschlossen haben, ist in der Hauptstadt nicht in Sicht. Vertreter von Moscheegemeinden beklagten ein Misstrauen gegenüber ihrer Arbeit. Umgekehrt wünschte sich der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel (SPD), mehr Unterstützung seitens der Moscheegemeinden in Konfliktfällen. "Die Muslime sind ein wichtiger Bestandteil im Stadtteil Neukölln. Sie sollten ihre Religion frei ausüben können", betonte Hikel. Fast jeder fünfte Bewohner seines Bezirks sei muslimischen Glaubens. Doch wenn manche Kinder und Jugendliche dem Unterricht in der Schule nicht mehr aufmerksam folgen könnten, weil sie im Ramadan fasten, sei das ein Problem.
Sein Bezirk habe darum eine Broschüre mit dem Titel "Ramadan und Schule" herausgegeben. Die Handreichung solle Lehrern helfen, mit dem Thema umzugehen. Man habe alle Moscheegemeinden im Bezirk darum gebeten, sich den Empfehlungen anzuschließen. Leider hätten sich von den angefragten 21 Gemeinden nur drei hinter diesen Aufruf zum Fasten mit Augenmaß und zum Vorrang der schulischen Bildung gestellt. "Da würden wir uns mehr Unterstützung wünschen", so Hikel.
Die Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), auch als Dar-Assalam-Moschee bekannt, gehört zu den drei Gemeinden, die sich dem Aufruf angeschlossen haben. Warum andere zögerlicher waren, weiß auch Taha Sabri nicht, der Imam und Gemeindevorstand der Dar-Asslam-Moschee. Er hat nur eine Vermutung: "Viele Gemeindevorsteher wollen Konflikten mit ihren Mitgliedern aus dem Weg gehen. Sie wollen vor allem Ruhe in der Gemeinde."
Er kritisiert aber auch die Politik: Sie suche nur den Dialog, wenn es um solche Probleme gehe, sagt Sabri. Zudem seien viele seiner Kooperationspartner sehr verunsichert gewesen, weil seine Moschee in den Jahren 2015 und 2016 im Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde. Inzwischen hat die Moscheegemeinde erfolgreich gegen die Nennung geklagt. Seine Gemeinde habe in den letzten Jahren viele syrische Flüchtlinge dabei unterstützt, in Deutschland Fuß zu fassen, so Sabri. Das werde kaum wertgeschätzt. "Wir werden gefordert, aber nicht gefördert", so Sabri.
Von Carsten Janke
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