Das Thema Abschiebung hat in letzter Zeit immer wieder die Politik beschäftigt: In den vergangenen Jahren gab es schon zwei umfangreiche Gesetzesverschärfungen. Jetzt soll die dritte kommen.
Um mehr Abschiebungen durchzusetzen, plant die Bundesregierung mehrere Maßnahmen:
- Derzeit muss die Ausländerbehörde nachweisen, dass eine Abschiebung bevorsteht, um ausreisepflichtige Menschen in Haft nehmen zu können. Dem neuen Gesetz nach soll das künftig schon möglich sein, wenn die ausreisepflichtige Person nicht ausreichend mit Behörden kooperiert.
- Ausreisepflichtige sollen künftig bis zu zehn Tage in "Ausreisegewahrsam" genommen werden können – unabhängig davon, ob eine Fluchtgefahr besteht.
- Ausreisepflichtige sollen künftig auch in normalen Gefängnissen untergebracht werden können, allerdings getrennt von Straftätern.
- Wer betroffene Menschen berät oder auch nur den Termin ihrer Abschiebung bekannt gibt und dadurch deren Abschiebung erschwert, soll sich künftig strafbar machen. Das gilt für Menschenrechtsorganisationen wie Privatpersonen.
Dr. Constantin Hruschka – Rechtswissenschaftler am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik München
Es verstößt gegen das Grundgesetz, eine Person in Abschiebungshaft zu nehmen, wenn keine „Fluchtgefahr“ vorliegt, beziehungsweise die Abschiebung nicht unmittelbar bevorsteht. Das Recht auf die Freiheit der Person ist in der Verfassung besonders hoch angesiedelt , so dass diese Freiheit nur unter strengen Voraussetzungen entzogen werden darf. Auch das EU-Recht besagt, dass eine Inhaftierung nur das letzte Mittel (“ultima ratio”) sein darf. Das aktuelle Gesetz würde es aber ermöglichen, die Abschiebungshaft als eine Art "Beugehaft" einzusetzen, um auf den Willen von ausreisepflichtigen Personen einzuwirken. Außerdem verbietet das europäische Recht, Ausreisepflichtige in normalen Gefängnissen einzusperren. Der Europäische Gerichtshof hat dies 2014 in einem Urteil zur Situation in Deutschland nochmals ausdrücklich betont. Spätestens seit dieser Entscheidung wissen die deutschen Behörden, dass sie sich an diese Regel zu halten haben und entsprechende Haftplätze hätten schaffen müssen. Sie können sich daher jetzt nicht auf eine Ausnahmesituation berufen.
Berenice Böhlo – Rechtsanwältin
Der Gesetzentwurf würde die Anwaltschaft daran hindern, ihrer Arbeit nachzugehen. Das Gesetz stellt anwaltliches Handeln im Falle einer anstehenden Abschiebung unter Strafe. Dies ist sehr problematisch: Die Behörden prüfen oft nicht ausreichend den Gesundheitszustand der ausreisepflichtigen Person – etwa um festzustellen, ob sie reisefähig ist. Da müssen Anwälte eingreifen. Droht eine Abschiebung, muss man einen gerichtlichen Eilantrag stellen, um die bevorstehende Abschiebung aufzuschieben. Ein solcher Antrag ist aber nur statthaft, wenn wirklich eine Abschiebung droht. Ich muss als Anwältin also etwas zum Zeitpunkt der drohenden Abschiebung sagen. Das wäre eine Beeinträchtigung einer Abschiebung im Sinne des Gesetzentwurfs. Die geplante Regelung würde somit bedeuten, dass keine Abschiebung im gerichtlichen Eilverfahren mehr überprüft werden könnte. Abschiebungen würden zu "Geheimverfahren" im rechtsfreien Raum ohne gerichtliche Kontrolle.
Dr. Jan Schneider – Leiter des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR)
Der Referentenentwurf fokussiert auf das Ziel, dass sich Ausreisepflichtige ihrer eingeleiteten Abschiebung nicht entziehen können – etwa durch Untertauchen. Keinen Beitrag leistet er zu der Frage, was mit den vielen Ausreisepflichtigen passieren soll, die keine Reisedokumente haben. Die Bundesregierung sollte sich stattdessen stärker auf eine Beteiligung der Herkunftsstaaten bei der Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern konzentrieren – etwa durch Rückübernahmeabkommen. Daneben gibt es Alternativen zum Ausbau der im Entwurf vorgesehenen freiheitsentziehenden Maßnahmen, die billiger und weniger aufwändig sind. Dazu zählen Meldeauflagen für Ausreisepflichtige oder Kautionszahlungen, die auf ein Konto eingezahlt und bei erfolgter Ausreise zurückerstattet werden. Eine unabhängige Beratung während des Asylverfahrens nach Schweizer Vorbild könnte außerdem dazu führen, dass mehr abgelehnte Asylbewerber auf die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr zurückgreifen.
Von Fabio Ghelli
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