Von den rund 170.000 Menschen, die letztes Jahr als Asylsuchende nach Deutschland gekommen sind, sind fast alle jünger als 40 und somit im besten Berufsalter. Auch fehlt ihnen nicht der Wunsch zu arbeiten. Die meisten von ihnen sind in ihrem Herkunftsland bereits einem Beruf nachgegangen und wollen das auch in Deutschland tun, wie aus einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht.
Dennoch mussten Asylbewerber bis vor kurzem mindestens neun Monate warten, bis sie einer Arbeit nachgehen konnten – und das konnten sie anschließend nur, wenn sich keine Deutschen oder EU-Bürger auf die Stelle beworben hatten (sogenannte „Vorrangsprüfung“). Inzwischen ist die Wartezeit, um eine Arbeit aufnehmen zu dürfen, auf drei Monate verkürzt worden, die „Vorrangsprüfung“ entfällt nach einer Aufenthaltsdauer von fünfzehn Monaten.
Trotzdem verweilen dem Migrationsforscher Dietrich Thränhardt zufolge für viele Asylbewerber mehr als ein Jahr in der Untätigkeit. Warum das so ist, hat er in einer Studie zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen in Deutschland im Auftrag der Bertelsmann Stiftung untersucht. Demnach gibt es für die mangelhafte Berufsintegration von Asylsuchenden fünf Hauptgründe:
- Lange Wartezeiten: Solange nicht über einen Antrag entschieden wurde, kann ein Asylbewerber nicht arbeiten. Im Durchschnitt dauert die Bearbeitungszeit sieben Monate. Bei bestimmten Herkunftsländern kann sie sich jedoch auf bis zu ein Jahr erstrecken. Im Moment stauen sich laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei den zuständigen Behörden 170.000 unerledigte Anträge.
- Kein Zugang zu Sprachkursen: Sprache ist der Schlüssel zur beruflichen Integration. Obwohl die Integrationsministerkonferenz das wiederholt gefordert hat, gibt es derzeit kein bundesweites Sprachkurs-Programm für Asylsuchende.
- Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen: Zwar gibt es bisher keine genauen Daten zu den Qualifikationen von Asylbewerbern. Die Ergebnisse des ersten Projektes für die berufliche Integration von Flüchtlingen zeigen jedoch, dass ein bedeutender Teil von ihnen einen Abschluss hat. Diese anerkennen zu lassen, kann Jahre dauern.
- Eingeschränkte Kontakte zur lokalen Bevölkerung: Viele Asylsuchende leben in Gemeinschaftsunterkünften und haben dementsprechend wenig Kontakt zu Einheimischen. Da Arbeitsvermittlung oftmals durch informelle Kanäle läuft, haben sie dadurch keine Möglichkeit, potentielle Arbeitgeber kennenzulernen.
- Arbeitsverbot: Bis vor kurzem wurden Asylsuchende in Deutschland aktiv daran gehindert, einer Arbeit nachzugehen. Obwohl das Arbeitsverbot inzwischen auf drei Monate verkürzt wurde, ist es nach wie vor eine unnötige Hürde auf dem Weg der Integration.
Trotz dieser Hürden startete das Arbeitsministerium bereits 2008 ein Programm zur „arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge“. 2014 haben die Bundesagentur für Arbeit (BA) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Anschluss daran ein gemeinsames Pilotprojekt ins Leben gerufen, um die berufliche Integration von Asylbewerber bereits in der Bearbeitungsphase zu fördern.
Aus einem vorläufigen Bericht, den das IAB über das Projekt verfasst hat, sowie aus Angaben der Bundesregierung geht hervor:
- Die 494 Projektteilnehmer waren alle stark motiviert, in Deutschland eine Arbeit zu finden,
- von den Teilnehmern hatten 26 Prozent eine abgeschlossene Berufsausbildung und 42 Prozent einen Hochschulabschluss.
Eine Umfrage unter den Arbeitsvermittlern zeigte, dass die Vermittlung von Asylsuchenden dennoch weiterhin durch das mangelnde Angebot an Sprachkursen und die Umständlichkeit der Vorrangprüfung stark beeinträchtigt wird.
Auch fehlen in Deutschland weitgehend Ausbildungsprogramme, die sich spezifisch an junge Asylsuchende richten. Allein Bayern verfügt über ein ausgeprägtes Netzwerk von rund 190 Berufsschulen, die berufsschulpflichtigen Asylbewerbern die Möglichkeit anbieten, eine Ausbildung zu absolvieren. Durch dieses Programm konnten letztes Jahr rund 3.000 Geflüchtete eine Berufsschule besuchen.
In anderen Bundesländern besteht das Bildungsangebot für junge Flüchtlinge hingegen aus einzelnen, oftmals privat finanzierten Einzelprojekten wie „angekommen“ der Walter Blüchert Stiftung in Nordrhein-Westfalen.
Von Fabio Ghelli
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