Flüchtling nach der Genfer Konvention (GFK) ist eine Person, die ihr Land verlassen hat „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung.“
Diese Definition wurde vor 65 Jahren festgelegt, als die Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen in Genf das „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ verabschiedete. Die Konvention nimmt dabei ausdrücklich Bezug auf Menschen, die „infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind“, flüchten mussten – womit in erster Linie Opfer nationalsozialistischer Verfolgung in Europa gemeint waren.
1967 wurde die Definition durch ein Protokoll ergänzt, das neue „Kategorien von Flüchtlingen“ berücksichtigt. Eine geographische Begrenzung auf Europa und die Zeit vor 1951 gab es darin nicht mehr. Dennoch halten sich noch vier der 149 Staaten, die der Konvention und/oder dem Protokoll beigetreten sind (Kongo, Madagaskar, Monaco und die Türkei) weiterhin an die ursprüngliche Auslegung. Das heißt: Einen Flüchtlingsstatus können in diesen Staaten nur Bürger eines europäischen Staates bekommen. So kann die Türkei beispielsweise Syrern den Flüchtlingsschutz verweigern.
Flüchtlingskonvention war in Deutschland nicht immer bedeutend
In den 50er Jahren war die Genfer Flüchtlingskonvention für den Großteil der Asylverfahren in Deutschland maßgebend, doch sie verlor in den folgenden Jahrzehnten an Bedeutung. Denn Geflüchtete aus den sozialistischen Staaten Osteuropas bekamen zunehmend Schutz nach Artikel 16 des Grundgesetzes. Dieser Schutz wird ausgesprochen, wenn eine Person durch staatliche Organe verfolgt wurde.
Nachdem Artikel 16 mit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 eingeschränkt wurde, gewann die Genfer Konvention wieder an Bedeutung. Seit 2005 übertrifft die Zahl der positiven Entscheidungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention deutlich die nach dem Grundgesetz. Im ersten Halbjahr 2016 haben Asylbewerber 148.000 Mal Schutz nach der GFK erhalten. Das waren 52 Prozent aller Asylentscheidungen und rund 85 Prozent aller positiven Entscheidungen.
GFK oder subsidiärer Schutz?
Immer häufiger wird jedoch der europäische „subsidiäre Schutz“ ausgesprochen, vor allem bei syrischen Asylbewerbern. Der Anteil der subsidiär Geschützten an allen positiven Entscheidungen ist im ersten Halbjahr 2016 von 1,2 Prozent auf rund 13 Prozent gestiegen. Subsidiär Geschützte haben einen schlechteren rechtlichen Status als Flüchtlinge nach GFK: So ist in Deutschland etwa der Familiennachzug für subsidiär Geschützte für zwei Jahre ausgesetzt worden.
Diese Entwicklung kritisiert Pro Asyl stark. Die neue Entscheidungspraxis bei syrischen Geflüchteten ist nach Auffassung der Flüchtlingsorganisation eine Folge der strengeren Regeln für subsidiär Geschützte, die mit dem sogenannten Asylpaket II eingeführt wurden.
Dem widerspricht das BAMF: Dass der Anteil an subsidiär Geschützten unter den syrischen Flüchtlingen gestiegen ist, liege in erster Linie daran, dass im Jahr 2015 die meisten Syrer nur ein schriftliches Verfahren durchlaufen mussten, das in der Regel zum Schutz nach GFK geführt hat. Mittlerweile gibt es wieder persönliche Anhörungen für Asylbewerber aus Syrien. Da viele Asylbewerber in Anhörungen die Kriegsumstände in Syrien als Fluchtursache angeben, würden sie als "subsidiär" schutzberechtigt eingestuft, so das BAMF.
Obwohl die meisten europäische Länder bereits in den 50er Jahren der Genfer Konvention beigetreten sind, wenden sie den Flüchtlingsschutz nach GFK sehr unterschiedlich an. So bekamen in Österreich 2015 fast 60 Prozent aller Antragsteller Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. In Italien waren es hingegen nur fünf Prozent (siehe Grafik).
Von Fabio Ghelli
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