Sinti und Roma
Wie viele Sinti und Roma leben in Deutschland? Was wissen wir über ihre Diskriminierungserfahrungen? Und welche Begriffe sind geeignet, um die Gruppe richtig zu bezeichnen? In dieser Rubrik finden Sie einige Erläuterungen sowie Zahlen und Fakten zum Thema.
Wer sind Sinti*zze und Rom*nja?
Sowohl innerhalb der Wissenschaft als auch unter Sinti*zze und Rom*nja gibt es verschiedene Antworten auf die Frage. Rom*nja sind eine heterogene Gruppe und unterscheiden sich beispielsweise durch verschiedene Sprachen oder Religionen. Rom*nja sind die größte ethnische Minderheit in Europa. Sinti*zze werden als Angehörige der Rom*nja gesehen. Quelle
Obwohl Rom*nja keineswegs alle die gleiche Sprache sprechen, werden Menschen oft als Rom*nja definiert, die Romani (auch Romanes genannt) sprechen, wobei sich die Dialekte der Sprache europaweit sehr stark unterscheiden. Quelle
Rom*nja und Sinti*zze leben seit Jahrhunderten in Europa und Deutschland. Oft wird gesagt, dass sie Nachfahren von Menschen seien, die vor über 1000 Jahren vom indischen Subkontinent nach Westen kamen. Quelle
Auch die offizielle Definition der Europäischen Union ist ungenau: "'Roma' umfasst verschiedene Gruppen wie Roma, Sinti, Kalé, Romanichals, Bojasch/Rudari, Aschkali, Ägypter, Jenische, Dom, Lom, Rom und Abdal sowie Fahrende (gens du voyage, Gypsies, Camminanti usw.)."Quelle
Welchen Hintergrund die unterschiedlichen Begriffe haben und die Doppelformel "Sinti*zze und Rom*nja" verwendet werden sollte, hat der Osteuropa-Experte Norbert Mappes-Niediek in einem Artikel für den MEDIENDIENST INTEGRATION beantwortet.
Die Begriffe "Sinti" und "Roma" als geläufige Selbstbezeichnungen der Minderheit findet man bereits in Quellen des 18. Jahrhunderts. Quelle
Rom*nja
Auf dem ersten "Weltkongress" der Roma-Nationalbewegung 1971 in London einigten sich die versammelten Aktivist*innen auf das Wort "Roma". Inzwischen hat es sich fast überall durchgesetzt: "Rom" bedeutet in der Sprache Romanes (Ehe-)mann oder Mensch, "Romni" heißt (Ehe-)frau, der Plural "Roma" wurde schon länger, besonders in Rumänien verwendet. Als "deutsche Rom*nja" werden diejenigen bezeichnet, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Deutschland gekommen sind.
Sinti*zze
Laut dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat sich die Selbstbezeichnung "Sinti" für die seit dem 15. Jahrhundert im deutschen Sprachraum beheimatete Minderheit durchgesetzt. Bevor sich die Selbstbezeichnung "Rom" international auszubreiten begann, hatten sich Aktivist*innen in der Bundesrepublik auf "Sinti" (Singular männlich: Sinto, weiblich: Sintizza) geeinigt. Sinti werden als eine Untergruppe der Roma gesehen, legen aber großen Wert auf ihre Eigenständigkeit. Quelle
Neuzugewanderte aus Rumänien oder Bulgarien, Serbien oder Mazedonien als "Sinti*zze und Rom*nja" zu bezeichnen, ist falsch. Auf sie trifft – gegebenenfalls – nur die Bezeichnung Rom*nja zu.
Diskriminierende Fremdbezeichnung: "Z-Wort"
Das "Z-Wort" wird von Vertreter*innen der Sinti*zze und Romn*ja gemeinhin als diskriminierende Fremdbezeichnung gesehen. Dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zufolge lehnen meisten Sinti*zze und Rom*nja diesen Begriff ab.Quelle
Der Begriff wurde in Deutschland nie als neutrale Zuschreibung verwendet, sondern als Synonym für Verunglimpfungen. Die Hasspropaganda der Nationalsozialisten trug dazu bei, die negative Bedeutung noch zu vertiefen. Beispielsweise wurde Sinti*zze und Rom*nja in Konzentrationslagern ein "Z" tätowiert.
Wie viele Sinti*zze und Rom*nja leben in Deutschland?
Das "Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma" spricht von etwa 70.000 in Deutschland lebenden Angehörigen der Minderheit, die auf dem heutigen Bundesgebiet beheimatet sind. Das Minderheitensekretariat schlüsselt diese Zahl auf in etwa 60.000 deutsche Sinti*zze und rund 10.000 deutsche Rom*nja.Quelle
Grundsätzlich gibt es keine wirklich aussagekräftigen Zählungen und Statistiken zu Rom*nja in Deutschland und Europa. Zum einen, weil ethnische Minderheiten in vielen Ländern nicht erfasst werden. Zum anderen ist die Definition der Zugehörigkeit zu Sinti*zze und Rom*nja nicht eindeutig.
So bestehen Angaben über die Größe der Rom*nja-Bevölkerungen in europäischen Ländern meist nur aus groben Schätzungen. Hier wird in der Regel eine Spanne zwischen einem geschätzten Mindestwert und einem Höchstwert aufgeführt. Wie die Schätzungen zustandekommen, bleibt unerwähnt. Je nach Quelle finden sich Angaben von sechs bis 12 Millionen Rom*nja in der EU bzw. in Europa.Quelle
Selbstbezeichnung in Deutschland lebender Sinti*zze und Rom*nja
In einer aktuellen Studie der Arbeitsgemeinschaft "RomnoKher" bezeichneten sich 41,2 Prozent der Befragten als "Sinti*zze", 22,9 Prozent als "Rom*nja", 2,5 Prozent gebrauchten die Doppelform "Sinti*zze und Rom*nja". 9,2 Prozent lehnten eine Selbstbezeichnung im Zusammenhang mit einer Gruppenzugehörigkeit gänzlich ab, während 4,3 Prozent die Fremdbezeichnung "Zigeuner" gebrauchte.Quelle
Sinti*zze und Rom*nja als "nationale Minderheit"
In Deutschland leben laut Bundesinnenministerium vier anerkannte nationale Minderheiten, die seit Jahrhunderten traditionell heimisch seien und deutsche Staatsbürger hätten. Dazu zählen: Dänen, Friesen, das sorbische Volk sowie die deutschen Sinti*zze und Rom*nja. Sie erhalten durch Bund und Länder besonderen Schutz und spezielle Förderung. Quelle
Anerkannten Minderheiten stehen Rechte und Förderungen in Bezug auf Kultur, Tradition und Sprache zu. Bislang wurden Sinti*zze und Rom*nja in vier Bundesländern im Rahmen von Staatsverträgen als Minderheit anerkannt: In Baden-Württemberg, Hessen, Bayern und Thüringen. In Schleswig-Holstein ist der Schutz von Sinti*zze und Rom*nja als Minderheit in der Landesverfassung festgehalten. In Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und Berlin-Brandenburg und Hessen gibt es eine institutionelle Förderung etwa für Selbstorganisations–Verbände, für die entsprechende Vereinbarungen getroffen wurden. Quelle
Teilhabe von Sinti*zze und Rom*nja
Die Europäische Kommission hat am 7. Oktober 2020 den neuen „Strategischen EU-Rahmen für Gleichstellung, Inklusion und Partizipation von Sinti und Roma für die Zeit von 2020 bis 2030“ vorgestellt. Alle EU-Mitgliedsstaaten sind darin aufgefordert, bis September 2021 jeweils einen „Nationalen Strategischen Rahmenplan für Sinti und Roma“ zu entwickeln. Quelle
2011 hatte die EU-Kommission bereits eine ähnliche Erklärung herausgeben, den „EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020“. Dessen Bilanz fällt ernüchternd aus. Viele der schätzungsweise 10 bis 12 Millionen in Europa lebenden Rom*nja würden in ihrem Alltag weiterhin Diskriminierung, Antiziganismus und sozio-ökonomische Ausgrenzung erfahren, heißt es in dem aktuellen Papier. Der Fortschritt bei ihrer Integration sei „beschränkt“, auch wenn es signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und den untersuchten Bereichen gebe:
- Die meisten Fortschritte gebe es demnach im Bildungsbereich. Die Zahl der frühen Schulabgänger*innen etwa sei gesunken. Zugleich gebe es mehr Fälle, in denen Rom*nja-Schüler*innen ausgegrenzt würden
- das Armutsrisiko sei gesunken, der Zugang zu medizinischer Versorgung aber sei nach wie vor beschränkt
- die Zugänge zum Arbeitsmarkt hätten sich nicht verbessert. Im Gegenteil: Der Anteil junger Rom*nja, die weder in Arbeit noch in Ausbildung sind, sei gestiegen
- die Wohnsituation sei nach wie vor kritisch, vor allem vor dem Hintergrund einer inadäquaten und geografisch isolierten Unterbringung
- es gebe zwar Anzeichen dafür, dass Rom*nja weniger Diskriminierungserfahrungen machen und in der breiten Gesellschaft besser akzeptiert würden; zugleich seien Antiziganismus und Hassverbrechen weiterhin drängende Probleme.Quelle
Bildungsteilhabe von Sinti*zze und Rom*nja
RomnoKher-Studie: Bildungsteilhabe
Sinti*zze und Rom*nja in Deutschland sind im Bildungssystem stark benachteiligt. Das geht aus Studien der Arbeitsgemeinschaft "RomnoKher" hervor. Für die aktuelle, 2021 erschienene Erhebung wurden Interviews mit über 700 zugewanderte und nicht-zugewanderte Sinti*zze und Rom*nja aus allen Bundesländern geführt und ausgewertet.Quelle
Das Ergebnis: Der Anteil der Befragten, die keinen Schulabschluss erreicht haben, ist deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Ebenso der Anteil derjenigen, die über keine formelle berufliche Qualifikation verfügen. Der Anteil der Abiturient*innen und Studierenden ist erheblich geringer als in der Gesamtbevölkerung.
Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Generationen:
- So liegt der Anteil der über 50-Jährigen ohne Schulabschluss bei über 50 Prozent, bei den 30- bis 50-Jährigen ist es knapp ein Drittel, bei den unter 30-Jährigen sind es nur noch 15 Prozent. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es unter 5 Prozent.
- Das Abitur als Schulabschluss haben etwa 2 Prozent der befragten über 50-Jährigen erreicht, 10 Prozent der 30- bis 50-Jährigen, bei den unter 30-Jährigen sind es bereits 15 Prozent. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es 40 Prozent.
- Knapp 80 Prozent der über 50-Jährigen und etwa 40 Prozent der 18- bis 50-Jährigen hat keinen beruflichen Abschluss.Quelle
Als Ursachen für die Benachteiligung nennen die Autor*innen fehlende explizite Fördermaßnahmen, aber auch Diskriminierungserfahrungen: So gaben etwa 40 Prozent der Befragten mit Kindern an, dass ihre Kinder Diskriminierung in der Schule erfahren haben. Zwei Drittel der Befragten gaben zudem an, wegen ihrer Zugehörigkeit diskriminiert worden zu sein. Viele von ihnen im Bildungssystem. Vorurteile können dabei eine Rolle spielen: Eine andere Studie aus dem Jahr 2022 ergab, dass Lehramtsstudierende den Schüler*innen, die als Rom*nja gelesen wurden, bei gleichen Leistungsergebnissen eher den Besuch einer Hauptschule empfahlen als Schüler*innen ohne Migrationshintergrund.Quelle
Die Studie der Arbeitsgemeinschaft "RomnoKher" zeigt auch: Die weit überwiegende Mehrheit der Befragten betrachtet schulische Abschlüsse als wichtig oder sehr wichtig. Über 70 Prozent weisen der schulischen Bildung zudem eine hohe Bedeutung für das Ansehen in der Gesellschaft zu. Der Mythos, Sinti*zze und Rom*nja hätten kein Interesse an schulischer Bildung, lässt sich demnach nicht empirisch belegen.Quelle
2011 führte RomnoKher die umfangreiche Bildungsstudie erstmals durch. Damals gaben über 80 Prozent der Befragten an, persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung und Beleidigung zu haben - besonders in der Schule.Quelle
Weitere Studien: Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja in der Bildung
Einer Studie der Universität Duisburg-Essen aus dem Jahr 2022 zufolge diskriminieren angehende Lehrkräfte Kinder mit Sinti- oder Roma-Hintergrund bei Schulempfehlungen: Sie sprachen ihnen trotz gleicher Leistungen im Vergleich zu türkischstämmigen Kindern oder Schüler*innen ohne Migrationsgeschichte am häufigsten eine Hauptschulempfehlung aus.Quelle
In einer Studie im Auftrag der Hildegard Lagrenne Stiftung und der Freudenberg Stiftung aus dem Jahr 2016 wurden zudem die Bildungsbiographien erfolgreicher Frauen aus Sinti*zze und Rom*nja-Familien untersucht. Die befragten Frauen berichteten von Diskriminierungen in der Schule – besonders schwer erweist sich der soziale Aufstieg für Frauen mit unklarem Aufenthaltsstatus (Duldung oder irregulärer Aufenthalt in Deutschland). Entscheidend für den Bildungserfolg war die Unterstützung der Familie und der Einfluss starker weiblicher Vorbilder. Die Autorinnen der Studie fordern gezielte Fördermaßnahmen für den Bildungsaufstieg von Sinti*zze und Rom*nja.
Antiziganismus
Was ist Antiziganismus?
Antiziganismus ist Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja und Menschen, die als solche wahrgenommen werden.
Antiziganistische Vorfälle und Straftaten
Im Jahr 2023 zählten die Behörden 171 antiziganistische Straftaten – das ist ein Anstieg um rund 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und ein neuer Höchststand seit Beginn der Erfassung in der Statistik zur "Politisch Motivierten Kriminalität 2017.Quelle
Seit Juli 2022 erfasst die Melde- und Informationsstelle Antizigansimus (MIA) bundesweit antiziganistische Vorfälle und Straftaten. Für 2023 registrierte sie 1.233 antiziganistische Vorfälle. Darunter waren 10 Fälle extremer Gewalt, 40 Angriffe, 600 verbale Beleidigungen, sowie 502 Diskriminierungsfälle, etwa bei der Jobsuche oder durch die Polizei. Die gemeldeten Vorfälle sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen (621). MIA führt das auf den gesellschaftlichen Rechtsruck zurück, zudem würden die Meldestellen bekannter. Das Dunkelfeld sei aber vermutlich weiter groß.Quelle
Für Berlin erfasst die Dokumentationsstelle für Antiziganismus (DOSTA) des Vereins Amaro Foro seit 2014 antiziganistische Vorfälle. Für 2023 meldete DOSTA 210 Vorfälle – etwa so viele Fälle wie im Vorjahr (225), jedoch rund 40 Prozent mehr als 2021 (147). Seit 2014 verzeichnet die Dokumentationsstelle damit insgesamt 1.502 Anfeindungen, Angriffe oder rassistische Propaganda gegenüber Sinti*zze und Rom*nja in Berlin. Amaro Foro führt den Anstieg der Zahlen auf die Effekte des Rechtsrucks, aber auch auf eine erhöhte Sensibilität für Antiziganismus zurück. Jedoch geht der Verein immer noch von einer hohen Dunkelziffer aus. Fast ein Drittel der 2023 gemeldeten Fälle fand im Kontakt zu der Justiz, in Ordnungs- oder Leistungsbehörden, wie etwa dem Jobcenter, statt. Fast jeder fünfte Fall ereignete sich in Bildungseinrichtungen. Quelle
Studien: Antiziganistische Einstellungen und Erscheinungsformen
Aus mehreren Studien geht hervor, dass Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber Sinti*zze oder Rom*nja in Deutschland weit verbreitet sind.
Die repräsentative Leipziger Autoritarismus Studie 2024 zeigt: 45 Prozent der Befragten hätten Probleme damit, wenn sich Sinti*zze und Rom*nja in ihrer Umgebung aufhielten. Außerdem teilen 49 Prozent die Auffassung, dass Sinti*zze und Rom*nja zu Kriminalität neigen. Antiziganistische Haltungen sind in Ostdeutschland deutlich verbreiteter als im Westen.Quelle
Die Unabhängige Kommission Antiziganismus (UAK) veröffentlichte 2021 einen umfassenden Bericht zu Geschichte und Erscheinungsformen von Antiziganismus – unter anderem in Bildung, Berichterstattung und sozialen Medien. Thema des Berichts sind auch politische Maßnahmen gegen Antiziganismus.Quelle
Die einzige repräsentative Studie, die sich ausschließlich mit Einstellungen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja befasst, wurde 2014 von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlicht. Sie zeigt: Etwa jede*r dritte Deutsche will keine Sinti*zze oder Rom*nja als Nachbar*innen. Rund neun Prozent der Befragten zeigen ihnen gegenüber eine "starke" Abneigung, 16 Prozent eine "mittlere" Abneigung. Laut der Studie wird keine andere Minderheit so stark abgelehnt wie diese Gruppe.Quelle
Ähnliche Werte zeigt die "Mitte"-Studie. Demnach äußerten 29 Prozent der Bevölkerung Sinti*zze und Rom*nja gegenüber Antipathien. Außerdem stimmten 2022/23 gut 28 Prozent der Befragten abwertenden Aussagen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja zu, im Vergleich zu 18 Prozent aus der "Mitte"-Studie von 2021. In der Polizeistudie des Forschungsprojekts "MEGAVO" (2024) stimmten 41 Prozent der Polizist*innen der Aussage "Ich hätte ein Problem damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten" ganz oder teils/teils zu. Quelle
Antiziganismus in der Bildung
Einer Studie der Universität Duisburg-Essen 2022 zufolge diskriminierten angehende Lehrkräfte Kinder mit Sinti- oder Roma-Hintergrund bei Schulempfehlungen: Sie sprachen ihnen trotz gleicher Leistungen im Vergleich zu türkischstämmigen Kindern oder solchen ohne Migrationsgeschichte am häufigsten eine Hauptschulempfehlung aus.Quelle
Eine qualitative Studie 2017 zu beruflich erfolgreichen Frauen aus Roma- und Sinti-Familien zeigt: Alle Befragten haben in der Schule Diskriminierung erlebt.Quelle
Antiziganismus in der Europäischen Union
Rom*nja sind in der EU häufig Opfer von Zwangsräumungen, behördlichen Schikanen und gewalttätigen Angriffen. Zu diesem Ergebnis kommt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem Bericht von 2014. Am Beispiel von Griechenland, Tschechien und Frankreich beschreibt sie, dass die Polizei bei gewalttätigen Angriffen auf Rom*nja oftmals nicht einschreite. Gegen die Täter werde häufig nicht ernsthaft ermittelt und mutmaßliche rassistische Motive würden ignoriert.
In einigen Ländern, etwa in Griechenland, gingen auch Polizist*innen selbst mit exzessiver und rassistischer Gewalt gegen Rom*nja vor. Anstatt die Gewalt gegen Rom*nja zu verurteilen, würden europäische Politiker*innen häufig den Betroffenen selbst die Schuld geben und einen mangelnden Integrationswillen unterstellen. Die Autor*innen der Studie fordern daher eine klare Positionierung der Regierungen, dass rassistische Tatmotive nicht toleriert werden. Um die systematische Diskriminierung von Rom*nja in Europa zu bekämpfen, müsse die EU-Kommission die Umsetzung der Antirassimus-Richtlinie stärker überwachen und Vertragsverletzungen stärker ahnden.Quelle
Ein besonders deutliches Beispiel dafür, wie tief antiziganistische Stereotype verankert sind, war 2013 der Fall eines angeblich entführten Kindes in Griechenland. Polizist*innen trennten das Mädchen, das unter dem Namen Maria Schlagzeilen machte, nach einer Hausdurchsuchung von seiner Familie. Die Begründung: Mit den blonden Haaren könne es nicht zu den Rom*nja-Eltern gehören und müsse also entführt worden sein. Bis sich der Verdacht als falsch erwies, folgten auch viele Medien dieser Annahme.Quelle
Kontakte für die Berichterstattung zu Sinti*zze & Rom*nja
In Deutschland und Europa gibt es eine Vielzahl von Rom*nja-Vertretungen und Forschungsinstituten. Wir stellen hier eine kleine Auswahl vor:
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Der Zentralrat ist die wohl bekannteste Selbstorganisation und oftmals erste Anlaufstelle für Medien. Seine Mitglieder verstehen sich als politische Interessenvertretung der seit Jahrhunderten in Deutschland lebenden Sinti*zze und der seit dem 19. Jahrhundert hier lebenden Rom*nja, die so gut wie alle deutsche Staatsbürger*innen sind. Für den Kontext von Rom*nja aus Osteuropa ist er deshalb nicht immer der richtige Ansprechpartner. Der Dachverband wurde 1982 mit Sitz in Heidelberg gegründet und vereint elf Landesverbände und regionale Zusammenschlüsse. Der Zentralrat ist Träger des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti*zze und Rom*nja.
Amaro Drom / Amaro Foro e.V. (Berlin)
Amaro Drom ist eine bundesweite Jugend-Selbstorganisation von Rom*nja und Nicht-Rom*nja. Amaro Foro ist ihr Berliner Landesverband. Der Verein bietet unter anderem Beratung an und setzt sich besonders für die Belange rumänischer und bulgarischer Rom*nja ein.
RomnoKher
RomnoKher Mannheim trägt den Namenszusatz „Haus für Kultur, Bildung und Antiziganismusforschung“ und wird vom Landesverband Deutscher Sinti Baden-Württemberg, der Freudenberg Stiftung und der Gesellschaft für Antiziganismusforschung getragen. Das Kulturhaus beherbergt die Hildegard Lagrenne Stiftung. Mittlerweile ist RomnoKher Mannheim Teil einer "Bundesarbeitsgemeinschaft RomnoKher" mit Mitgliedsvereinen in acht Bundesländern.
Hildegard Lagrenne Stiftung
Die Hildegard Lagrenne Stiftung mit Sitz in Mannheim setzt sich für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti*zze und Rom*nja in Deutschland ein. Die Stiftung berät Vereine der Rom*nja und Sinti*zze, Einzelpersonen sowie Politik und Medien. Zudem fördert sie mit einem Stipendienprogramm Bildungswege von Menschen mit Romno-Hintergrund.
Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V.
Die Gesellschaft ist eine der wenigen Forschungseinrichtungen speziell zum Thema. Die Wissenschaftler*innen arbeiten zu Antiziganismus in allen gesellschaftlichen Bereichen und stellen ihre Ergebnisse in der Öffentlichkeit zur Diskussion.
Forschungsstelle Antiziganismus
Die Forschungsstelle Antiziganismus der Universität Heidelberg beschäftigt sich mit grundlegenden Studien zu Ursachen, Formen und Folgen des Antiziganismus in Europa vom Mittelalter bis in die Gegenwart.
Romatrial e.V.
Romatrial ist eine transkulturelle Selbstorganisation von Rom*nja und Nicht-Rom*nja. Der Verein sitzt in Berlin. Schwerpunkte der Arbeit sind die Förderung von außerschulischer Bildungs- und Kulturarbeit. Romatrail hat unter anderem 2017 Deutschlands erstes Rom*nja-Filmfestival AKE DIKHEA? organisiert.
Sinti-Allianz Deutschland (SAD)
Im Gegensatz zu anderen Organisationen vertritt die Allianz den Standpunkt, dass Rom*nja und Sinti*zze keine gemeinsame Minderheit sind. Der Verein ist gegen eine spezielle staatliche Förderung ihrer Sprache und Kultur und lehnt, entgegen der meisten anderen Rom*nja- und Sinti*zze-Organisationen, das "Z-Wort" als Selbstbezeichnung nicht ab.
European Academic Network on Romani Studies
Das englischsprachige Netzwerk vereinigt Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen wie der Politologie, Soziologie, Ethnologie und Geschichtswissenschaft. Das Netzwerk ging 2009 aus einer Initiative des Europarats und der Europäischen Union hervor.
Roma Education Fund (REF)
REF ist eine NGO mit Sitz in der Schweiz, die sich mit Projekten und Strategiepapieren für Rom*nja im Bereich Bildung stark macht. Die Organisation ist mit ihren Angeboten international aktiv, unter anderem in Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Montenegro.
Roma Center Göttingen e.V.
Das Roma Center Göttingen wurde 2006 von Rom*nja aus dem ehemaligen Jugoslawien gegründet. Sein Fokus liegt auf der Arbeit mit Flüchtlingen aus dieser Region. Bekannt wurde der Verein in einigen Kreisen, weil er die Kampagne "Alle bleiben!" ins Leben gerufen hat, für ein "Bleiberecht für Roma und alle langjährig geduldeten Flüchtlinge in Deutschland".
Verein für Geschichte und Leben der Sinti und Roma in Niedersachsen e.V. (Hannover)
Der Verein macht Öffentlichkeitsarbeit zu Geschichte und Alltag von Sinti*zze und Rom*nja in Niedersachsen. Er arbeitet eng mit dem Niedersächsischen Verband Deutscher Sinti e.V. zusammen.
Rom und Cinti Union e.V. (RCU)
Der Verein fungiert sowohl als erste Anlaufstelle für viele Rom*nja-Einwanderer*innen als auch als Beratungsstelle für deren Nachkommen. Die Mitglieder helfen vorwiegend in sozialen und rechtlichen Belangen, treten aber auch zu Bleiberechtsfragen an die Öffentlichkeit. Die Union wurde 1983 gegründet und hat ihren Sitz in Hamburg. "Cinti" ist übrigens eine der verschiedenen Schreibweisen für Sinti.
European Roma Institute for Arts and Culture (ERIAC)
ERIAC ist eine gemeinsame Initiative des Europarates, der Open Society Foundations und der "Allianz für das European Roma Institute for Arts and Culture". Seit Mitte 2017 setzt sich der Verein in den Bereichen Kunst, Kultur, Geschichte und Medien gegen Antiziganismus und für ein positives Selbstbild von Sinti*zze und Rom*nja ein.
RomArchive
RomArchive ist ein internationales, digitales Archiv für Kunst und Kulturen der Sinti*zze und Rom*nja. Die Organisation archiviert Kulturgüter der Minderheit und kontextualisiert diese mit zeitgeschichtlichen Dokumenten und wissenschaftlichen Positionen.
ternYpe - International Roma Youth Network
Das International Roma Youth Network vereint Roma-Jugendorganisationen aus Albanien, Bulgarien, Deutschland, Ungarn, Italien, Mazedonien, der Slowakei, Spanien und Polen. Das Netzwerk setzt sich für das Gedenken an den Porajmos an den Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus ein und organisiert Zusammenkünfte für Rom*nja in Europa.
European Roma Grassroots Organisations Network (ERGO Network)
Das ERGO Network ist ein Zusammenschluss von 31 NGOs in Europa, das sich für die politische Berücksichtigung alltäglicher Lebensrealitäten der Sinti*zze und Rom*nja, von struktureller Benachteiligung und Antiziganismus auf nationaler und europäischer Ebene einsetzt.
Romea.cz
Romea.cz ist eine englische und tschechische Nachrichtenseite, die Nachrichten mit Rom*nja-Bezug aus Zentraleuropa, vorwiegend in Tschechien und der Slowakei, sammelt.
News Zum Thema: Sinti & Roma
Neue Studie Bildungssituation von Sinti*zze und Rom*nja
Wie steht es um die Bildungschancen von Sinti*zze und Rom*nja in Deutschland? Welche Diskriminierungserfahrungen machen sie? Die Arbeitsgemeinschaft "RomnoKher" hat eine Studie dazu durchgeführt. Die wichtigsten Ergebnisse finden Sie in unserer Rubrik "Sinti und Roma".
Studie zu Bildungswegen "Sinti und Roma sind keine homogene Gruppe"
Im Alltag treffen Sinti und Roma häufig auf Vorurteile und Klischees. Auch im Bildungssystem sind sie vielfach Diskriminierungen ausgesetzt und haben schwierigere Startbedingungen. Wie schaffen einige es trotzdem, erfolgreich ihren Weg zu gehen? Der Soziologe Albert Scherr hat Sinti und Roma zu ihren Erfahrungen befragt. Im Interview erläutert er die wichtigsten Ergebnisse.
Frauen aus Roma- und Sinti-Familien "Starke Vorbilder sind sehr wichtig"
Was ist entscheidend für den Bildungserfolg von Frauen aus Roma- und Sinti-Familien? Dieser Frage geht eine noch unveröffentlichte Studie im Auftrag der Hildegard Lagrenne- und der Freudenberg Stiftung nach. Demnach spielen die Familie und Bezugspersonen, die an sie glauben, eine Schlüsselrolle. Die Mitautorin der Studie, Jane Schuch, erklärt im Interview mit dem MEDIENDIENST, wie Diskriminierungen abgebaut werden können.