Arbeit wird für Migranten wie Flüchtlinge immer wieder als "Schlüssel zur Integration" genannt. Um zu wissen, welche Chancen Flüchtlinge auf Integration haben, muss man allerdings die Ausgangslage betrachten: Welches Bildungsniveau bringen die Asylsuchenden mit? Bisher lässt sich das nur schwer einschätzen. "Wir verfügen über sehr wenige Daten zur Qualifikationsstruktur von Flüchtlingen. Es gibt Hinweise, aber noch keine repräsentative Datengrundlage", erklärt Herbert Brücker, Migrationsexperte am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Die vorhandenen Daten lassen allerdings eine Tendenz deutlich werden, so Brücker: „Man kann sagen, dass die berufliche Qualifikation deutlich geringer ist als im Durchschnitt der Migranten oder der einheimischen Bevölkerung. Die schulische Qualifikation liegt zwar auch unter dem Durchschnitt, ist aber deutlich besser als die berufliche. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass es keine Vergleichbarkeit mit dem deutschen dualen System gibt.“
Hinweise auf das Qualifikationsniveau von Asylbewerbern lassen sich unter anderem aus den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) entnehmen, die jedoch über keine repräsentative Daten dazu verfügen. Laut einem IAB-Bericht zu "Flüchtlingen und anderen Migranten auf dem Arbeitsmarkt" von September 2015 sind Asylsuchende in der amtlichen Statistik nicht als gesonderte Gruppe ausgewiesen. Außerdem finden sie sich kaum in den Analysen der BA, weil viele schlichtweg noch nicht in den Arbeitmarkt integriert sind.
Hinweise auf das Bildungsniveau: Welche Zahlen liegen vor?
Einen Hinweis geben laut IAB-Bericht zum Beispiel die Daten für Erwerbstätige aus Krisenländern wie Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia – aus denen fast ausschließlich Flüchtlinge kommen. Daraus ergibt sich Folgendes:
- 22 Prozent haben keinen Hauptschulabschluss,
- 25 Prozent haben einen Haupt- oder Realschulabschluss,
- 20 Prozent haben eine Hochschul- oder Fachhochschulreife und
- acht Prozent haben akademische Abschlüsse.
Mit Blick auf die berufliche Ausbildung geht hervor, dass
- acht Prozent mittlere Berufsabschlüsse und
- 71 Prozent keinen Berufsabschluss haben.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat kürzlich eine Umfrage unter 100.000 Flüchtlingen durchgeführt, die im letzten Jahr nach Deutschland eingereist sind. Auch diese Ergebnisse, über die in Medien wie Tagesschau.de berichtet wurde, sind nicht repräsentativ. Daraus geht hervor:
- 13 Prozent haben angegeben, eine Hochschule besucht zu haben,
- knapp 50 Prozent haben demnach eine Mittelschule besucht,
- ein Viertel (24 Prozent) hat lediglich die Grundschule besucht und weitere
- acht Prozent sind ohne Schulbildung nach Deutschland gekommen.
Diese Daten decken sich zum Teil mit den Ergebnissen der Evaluation des "EFS-Bundesprogramms zur arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge mit Zugang zum Arbeitsmarkt" des „Bleiberechtsnetzwerkes“, in dessen Rahmen Asylbewerber und Flüchtlinge Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Integration wahrnehmen konnten. Sie beziehen sich auf eine Umfrage unter rund 20.000 Teilnehmern von 2012. Demnach haben 90 Prozent der Teilnehmer eine Schule besucht, über die Hälfte von ihnen für neun bis zwölf Jahre (S. 29).
Außerdem hat rund ein Viertel (23 Prozent) aller Teilnehmer eine Berufsausbildung absolviert. Rund 11 Prozent der Teilnehmer haben eine Hochschule besucht. Von ihnen haben 40 Prozent das Studium abgeschlossen (S. 28).
Die Erfolgschancen von Flüchtlingen auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu messen, sei laut Brücker aus weiteren Gründen schwierig: "Die meisten sind zu kurz da. Zudem können sie sich erst wirklich in den Arbeitsmarkt integrieren, wenn die Asylverfahren erfolgreich abgeschlossen werden. Das kann nach der Ankunft leicht acht oder neun Monate dauern."
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung vom Mai 2015 zur "Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen kommt zu dem Schluss, dass darüber hinaus weitere Hürden die Integration erschweren: Obwohl durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz Integrationskurse für Asylbewerber mit "guter Bleibeperspektive" geöffnet wurden, gibt es kein bundesweites Sprachkurs-Programm für alle Asylsuchenden. Außerdem dauere die Anerkennung von Abschlüssen lange, die Vorrangprüfung schränke die Arbeitsmöglichkeiten ein und durch die Unterbringung in Sammelunterkünften hätten Flüchtlinge nur eingeschränkten Kontakt zur lokalen Bevölkerung.
Von Fabio Ghelli und Jenny Lindner
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