Journalisten sind immer wieder mit Angriffen und Anfeindungen konfrontiert. Über das genaue Ausmaß des Problems fehlten bislang jedoch fundierte Erkenntnisse. Das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld hat deshalb auf Initiative des Mediendienstes Integration eine Umfrage unter Journalisten durchgeführt. Die Ergebnisse: Insgesamt 42 Prozent der befragten Journalisten waren 2016 selbst von Angriffen betroffen, 26 Prozent berichten sogar von mehrmaligen bis regelmäßigen Angriffen. Zwei Drittel sind der Meinung, dass hasserfüllte Reaktionen in den vergangenen 12 Monaten deutlich zugenommen haben.
Unter den Betroffenen machen drei Viertel ausschließlich ihre Rolle als Journalist für die Angriffe verantwortlich. Die restlichen 25 Prozent führen die Angriffe vor allem auf Unzufriedenheiten mit den Inhalten (77 Prozent) und der Darstellung von Sachverhalten (64 Prozent) oder die Ablehnung von Personengruppen (47 Prozent) zurück, über die berichtet wurde. Sowohl das Geschlecht, das Alter als auch ein Migrationshintergrund der befragten Journalisten spielt keine Rolle für die Häufigkeit der erlebten Angriffe.
„Die Journalisten werden angegriffen, weil sie Journalisten sind. Der Hass richtet sich gegen den Berufsstand“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Andreas Zick. Und er fügt hinzu: „Themen wie Flüchtlinge, Islam und Migration erzeugen besonders viel Hate Speech und andere hasserfüllte Botschaften. Journalisten sollen berichten, was die Angreifer wollen, oder schweigen.“
Die Studie können Sie hier herunterladen.
Jeder Zweite fühlt sich belastet
Am häufigsten wurden die Journalisten in direkten Situationen wie Demonstrationen, Interviews oder Veranstaltungen angegriffen. „Insbesondere belasten mich die körperlichen Angriffe bei öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen! Diese Ereignisse verfolgen mich gelegentlich auch im Schlaf. Die Folgen sind Angstzustände und ein Gefühl der Ohnmacht“, gab ein Journalist in der Umfrage an. Rund jeden fünften Betroffenen erreichten die Angriffe über soziale Netzwerke oder die Kommentarfunktion unter Beiträgen. Sehr viel seltener werden Journalisten per Anruf oder Leserbrief angegriffen.
Jeder Zweite fühlt sich von den Angriffen des Publikums belastet. Dabei ist es kaum von Bedeutung, ob Journalisten selbst Angriffe erlebt (53 %) oder von Angriffen auf Kollegen erfahren haben (48 %). Mehr als die Hälfte der betroffenen Journalisten berichtet von psychischen Belastungen.
Rückhalt finden Journalisten vor allem im eigenen Kollegium
Mehr als 80 Prozent der Journalisten befürworten nicht nur die öffentliche Thematisierung von Hate Speech, sondern auch die strafrechtliche Verfolgung. Allerdings findet es auch fast jeder Fünfte nicht gut, wenn Kollegen in der Öffentlichkeit über ihre Erfahrungen sprechen.
Über die Hälfte der Befragten berichtet, es gebe in ihrer Redaktion keine Auseinandersetzung oder Hilfestellung zum Umgang mit Hate Speech und körperlichen Angriffen. Einige Redaktionen organisieren aber regelmäßigen Austausch (37 Prozent), einen juristischen Beistand (23 Prozent) oder Schulungsangebote (9 Prozent). Rückhalt finden Journalisten vor allem im eigenen Kollegium (66 Prozent).
Hintergrundinformationen zur Studie:
Die Untersuchung basiert auf einer anonymen Online-Befragung von November bis Dezember 2016. Es wurden 783 Mitglieder des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) befragt. Die Studie wurde von der Freudenberg Stiftung gefördert.
Von Mehmet Ata
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