In Frankfurt am Main gibt es rund 50 Moscheegemeinden. Die Stadt ist sehr international, Menschen aus rund 170 Nationen leben hier. Frankfurts Moscheenlandschaft spiegelt diese Vielfalt wider, sie ist allerdings stärker marokkanisch geprägt als in anderen Städten. Zwei Frankfurter Moscheen haben Journalistinnen und Journalisten bei einer Pressetour des MEDIENDIENSTES besucht, um vor Ort mit Fachleuten und Gemeindevertretern zu diskutieren. Diese Veranstaltung wurde von der Robert Bosch Stiftung gefördert.
Die erste Station war die Moschee des "Islamischen Informations- und Servicezentrums e.V." (IIS). Sie befindet sich in einem Hinterhof im Frankfurter Bahnhofsviertel und ist nach eigenen Angaben eine der ältesten und größten Moscheegemeinden im deutschsprachigen Raum, in denen sämtliche Veranstaltungen und Freitagspredigten auf Deutsch stattfinden. Die Gemeinde wird eher von jungen Gläubigen besucht und engagiert sich unter anderem im interreligiösen Dialog, in der Flüchtlings- und Obdachlosenhilfe.
Medientour "Moscheegemeinden in Frankfurt"
Die zweite Station war ein Besuch in der Abu Bakr-Moschee. Sie liegt in einem Außenbezirk, direkt an der Stadtautobahn. Mit ihrem repräsentativen und verzierten Bau gilt sie als schönste in Frankfurt. Beide Imame der marokkanisch geprägten Moschee stammen aus dem Ausland. Auch der Bau der Moschee wurde durch größere Spenden aus dem Ausland ermöglicht. Dennoch betont die Gemeinde ihre Unabhängigkeit. Auch die Abu Bakr-Moschee ist im interreligiösen Dialog aktiv. Sie bietet Arabisch- und Nachhilfekurse für Kinder an und beteiligt sich am Projekt "Jugendarbeit in Moscheen" der Anne Frank Bildungsstätte.
Beide Moscheen sind sunnitisch geprägt und gehören dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) an, der wiederum Mitglied der Deutschen Islam Konferenz (DIK) ist. In der Vergangenheit standen die Gemeinden in der Kritik, weil sie sich angeblich nicht ausreichend von mutmaßlichen Islamisten abgegrenzt haben sollen. Wie geht es den Gemeinden heute? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? Und wie beeinflussen jüngere Musliminnen und Muslime das Gemeindeleben? Dazu die Referentinnen und Referenten bei der Medien-Tour:
Statements von Expertinnen und Experten
Prof. Dr. NAIME ÇAKIR ist Professorin für muslimische Lebensgestaltung an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
"Was die strukturelle Integration des Islam betrifft ist in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht worden: Wir haben repräsentative Moscheen, theologische Fakultäten an den Universitäten, wir bilden islamische Religionslehrerinnen und -lehrer aus und sind im Dialog mit islamischen Verbänden. Auch die soziale Integration ist besser als ihr Ruf, was Sprache, Schulbildung und gesellschaftliche Teilhabe angeht. Von den muslimischen Gemeinden darf allerdings erwartet werden, dass sie sich mehr um das gesellschaftliche Zusammenleben bemühen, mehr Transparenz nach außen und nach innen herstellen und sich klar gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit stellen, sofern sie damit in Berührung kommen."
DIETHER HEESEMANN ist Soziologe und Ehrenmitglied des Frankfurter "Rats der Religionen", den er selbst 2009 mit gegründet hat. Im Rat sind Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften der Stadt organisiert.
"Die christlichen Kirchen halten sich einiges darauf zu Gute, dass sie auch Kirchen im Ausland finanziell unterstützen. Wir sollten daher mit einer gewissen Zurückhaltung und Verständnis für unterschiedliche gesellschaftliche und materielle Voraussetzungen auf andere Religionsgemeinschaften blicken. Wir können nicht vorschnell den Stab über sie brechen, wenn sie aus dem Ausland finanziert werden. Wenn mit der finanziellen aber eine politische Abhängigkeit verbunden ist, wie bei DITIB, dann ist das ein Problem."
MOHAMED SEDDADI ist Bürokaufmann und seit 2007 Geschäftsführer der "Islamischen Gemeinde Frankfurt", die die Abu Bakr-Moschee betreibt.
"Wir machen fast alles ehrenamtlich. Wir haben zwei feste Angestellte, das sind die Imame. Mehr nicht. Zwischen den Imamen und den jungen Leuten, die in unsere Gemeinde kommen, gibt es allerdings Kommunikationsprobleme. Ich finde, die Imame sollten von hier sein und sehr gut Deutsch können. Aber unsere Gemeinde kann sich hier ausgebildete Imame nicht leisten. Sie sind zu teuer. Die Gehaltsvorstellungen von Absolventen hiesiger Hochschulen übersteigen unsere Möglichkeiten. Auch in anderen Bereichen gibt es in unserer Gemeinde Differenzen zwischen den Generationen. Zum Beispiel haben wir im Obergeschoss der Moschee getrennte Gebetsräume für Frauen. Aus religiösen Gründen spräche nichts dagegen, dass sie im großen Gebetsraum mitbeten. Aber die älteren Gemeindemitglieder tun sich schwer damit und wir können sie nur langsam an solche Neuerungen heranführen."
SABA-NUR CHEEMA ist Politikwissenschaftlerin und pädagogische Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt.
"Die meisten muslimischen Jugendlichen befassen sich nicht mit theologischen Fragen. Das hat wenig mit ihrer Realität zu tun. Die Themen, die für sie relevant sind, haben vielmehr mit Zugehörigkeit und Identität zu tun. 'Wer bin ich eigentlich, als Muslim und Deutscher? Das geht doch zusammen, warum wird mir das abgesprochen?' Oder sie fragen: 'Warum machen wir in der Schule immer nur Schweigeminuten, wenn sich in Europa ein islamistischer Anschlag ereignet? Aber wenn irgendwo viele Muslime sterben und – wie in China oder in Burma – die Opfer sind, da machen wir das nie.' Hier ist es wichtig, als Pädagogin oder Pädagoge zu reagieren und das gestörte Gerechtigkeitsempfinden zum Thema zu machen."
Wichtige Quellen
Islamisches Gemeindeleben in Deutschland – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2012) / Link
Islamische Gemeinden in Frankfurt – Stadt Frankfurt (2019) / Link
Wie viele Muslime leben in Deutschland? – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016) / Link
"Muslime in Europa: Integriert, aber nicht akzeptiert?" – Bertelsmann Stiftung (2017) / Link
Muslimisches Leben in Deutschland – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2009) / Link
Von Daniel Bax
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