Zum vierten Mal hat der MEDIENDIENST Daten zu Polizist*innen mit Migrationshintergrund erhoben. Die Bundespolizei sowie neun Landespolizeien konnten Angaben machen. Das Ergebnis: In den meisten Bundesländern ist der Anteil der neu eingestellten Polizist*innen mit Einwanderungsgeschichte in den letzten Jahren gestiegen.
Die Bundespolizei konnte zum ersten Mal Daten liefern. Die Zahl der Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund hat sich seit 2009 verdreifacht. Ihr Anteil unter allen Mitarbeiter*innen liegt aber bei nur 3,4 Prozent (Stand Januar 2021).Quelle
Dass der Anteil von neu eingestellten Polizist*innen mit Einwanderungsgeschichte steigt, liegt offenbar auch an den vielen Werbe- und Rekrutierungskampagnen: Mit Ausnahme von Sachsen und Thüringen sprechen alle Landespolizeien gezielt junge Menschen mit Migrationshintergrund an, um sie für den Polizeidienst zu gewinnen. Dazu zählen Werbekampagnen mit Polizist*innen aus Einwandererfamilien, Infoveranstaltungen an Schulen und mehrsprachiges Informationsmaterial.
Vergleicht man die Zahlen der Neueinstellungen mit dem Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Landesbevölkerung, zeigt sich: Menschen mit Migrationshintergrund sind unterrepräsentiert. Ausnahmen sind Berlin und Sachsen-Anhalt.
Zu den Daten: Die Zahlen basieren auf freiwilligen Angaben. Nur die Bundespolizei und die Landespolizei Niedersachsen befragt alle Mitarbeiter*innen, viele andere Landespolizeien neu Eingestellte und Bewerber*innen. Die Daten haben deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Daten über den Migrationshintergrund der Mitarbeiter*innen des Bundeskriminalamts und der Bundes- und Landesverfassungsschutzämtern liegen nicht vor.
Zur vollständigen Recherche mit näheren Informationen zu Werbemaßnahmen in den einzelnen Bundesländern. >>> Zum Download
Bundespolizei
Seit 2009 erhebt die Bundespolizei auf freiwilliger Basis Daten zum Migrationshintergrund ihrer Mitarbeiter*innen. Zum 1. Januar 2021 haben demnach von den rund 46.500 Mitarbeiter*innen der Bundespolizei mehr als 1.600 Personen einen Migrationshintergrund, das sind nur 3,4 Prozent. Seit 2009 hat sich die Zahl der Mitarbeitenden mit Einwanderungsgeschichte mehr als verdreifacht. Da der Migrationshintergrund auf freiwilliger Basis erhoben wird, geht das Innenministerium davon aus, dass der tatsächliche Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund höher ist.
Bundesländer
Berlin bleibt das Bundesland mit dem höchsten Anteil Neueingestellter mit einer Einwanderungsgeschichte. Ihr Anteil an allen Polizeianwärter*innen entspricht etwa dem Anteil der Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Gesamtbevölkerung der Hauptstadt (33,1 Prozent).
Baden-Württemberg
Der Anteil der neu Eingestellten mit Migrationshintergrund ist in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegen und beträgt derzeit rund 27 Prozent. Er ist etwas geringer als der Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Gesamtbevölkerung (33,8 Prozent). Derzeit arbeiten außerdem 125 Beamt*innen sowie 74 Auszubildende mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit bei der Polizei Baden-Württemberg (mittlerer -, gehobener - und höherer Polizeidienst).
Bayern
Der Freistaat erhebt keine Daten zum Migrationshintergrund von Polizeibeamt*innen. Rund 100 Beamt*inen der Bayerischen Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz haben eine ausländische Staatsangehörigkeit.
Berlin
Berlin bleibt auch 2020 das Bundesland mit dem höchsten Anteil Neueingestellter mit einer Einwanderungsgeschichte. Ihr Anteil an allen Polizeianwärter*innen entspricht etwa dem Anteil der Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Gesamtbevölkerung Berlins (33,1 Prozent). Besonders viele Beamt*innen mit Migrationshintergrund sind im „mittleren Dienst“ tätig: Im Zeitraum 2018-2020 hatten dort rund 38 Prozent aller neu Eingestellten eine Einwanderungsgeschichte.
Brandenburg
Brandenburg erhebt keine Daten zum Migrationshintergrund von Polizeibeamt*innen. Derzeit haben 20 Beamt*innen der Landespolizei Brandenburg eine ausländische Staatsbürgerschaft. Von ihnen kommen neun aus Polen. 27 Beamt*innen haben eine doppelte Staatsangehörigkeit.
Bremen
Die Polizei Bremen erhebt nicht mehr die Daten zum Migrationshintergrund der Beamt*innen, so der Senator für Inneres des Lands Bremen auf Anfrage des MEDIENDIENSTES. Daten bis 2018 finden Sie in unserer letzten Befragung. Damals lag der Anteil der neu Eingestellten mit Migrationshintergrund bei 14,7 Prozent.
Hamburg
Hamburg erhebt keine Daten zu Bewerber*innen mit Migrationshintergrund. Bei neu Eingestellten beläuft sich der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund auf knapp 16 Prozent. Das ist weit unter dem Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Gesamtbevölkerung (33,9 Prozent).
Hessen
Bei der jüngsten Erhebung 2019 hat der Anteil der neu Eingestellten aus Einwandererfamilien in Hessen den höchsten Wert seit Beginn der Erfassung erreicht: 22 Prozent. Der Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Bevölkerung liegt bei 34,4 Prozent. Zahlen zu den Bewerber*innen liegen nicht vor.
Mecklenburg-Vorpommern
Das Land kann keine Angaben zu Beamt*innen mit Migrationshintergund machen.
Niedersachsen
Niedersachsen ist das einzige Bundesland, das den Anteil von Beamt*innen mit Migrationshintergund im Dienst regelmäßig erhebt. Zum 1. Januar 2021 gab es 903 Polizeivollzugsbeamt*innen mit Migrationshintergrund. Das entspricht einem Anteil von etwa 4,8 Prozent der Beamt*innen. Der Anteil der neu Eingestellte Polizist*innen mit Migrationshintergrund liegt mit 15 Prozent deutlich darüber, ist aber immer noch niedriger als der Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte an der Gesamtbevölkerung (22,3 Prozent).
Nordrhein-Westfalen
Sowohl der Anteil der Bewerber*innen als auch der der neu Eingestellten mit Einwanderungsgeschichte ist in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren gestiegen. Beide Werte liegen unter dem Anteil der Einwohner*innen aus Einwandererfamilien im Land (30,8 Prozent).
Rheinland-Pfalz
Auch in Rheinland-Pfalz ist der Anteil der neuen Polizist*innen mit Migrationshintergrund in den vergangenen Jahren gestiegen und liegt derzeit bei rund 17 Prozent – etwa neun Prozentpunkte niedriger als der Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Gesamtbevölkerung.
Saarland
Seit 2015 können Bewerber*innen für den Polizeidienst im Saarland angeben, ob sie einen Migrationshintergrund haben. Der Anteil der Personen, die dies angegeben haben, ist seitdem um zwei Prozentpunkte gestiegen.
Sachsen
Das Land konnte keine Angaben zum Migrationshintergrund von Polizeibeamt*innen machen.
Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalt ist das einzige ostdeutsche Bundesland, das freiwillige Angaben von neu Eingestellten Polizeibeamt*innen zu ihrem Migrationshintergrund erhebt. 2020 haben knapp sieben Prozent von ihnen angegeben, eine Einwanderungsgeschichte zu haben – etwa ein Prozent weniger als der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Gesamtbevölkerung.
Schleswig-Holstein
Angaben zum Migrationshintergrund von Bewerber*inen bei der Landespolizei werden in Schleswig-Holstein seit 2013 erfasst. Weil aber nur wenige Bewerber Angaben zum Migrationshintergrund gemacht haben, hat das Landesinnenministerium 2017 beschlossen, keine jährliche Statistik zu veröffentlichen. Daten bis 2016 finden Sie in der unserer Befragung von 2017.
Thüringen
Das Land kann keine Angaben zum Migrationshintergrund von Beamt*innen machen.
Welche Erfahrungen machen Beamt*innen mit Migrationshintergrund in der deutschen Polizei? Welche Rolle spielt Vielfalt im alltäglichen Polizeidienst? Zu diesen Fragen haben Polizeiforscher Rafael Behr und Annelie Molapisi eine Expertise beim MEDIENDIENST veröffentlicht.
Von Donata Hasselmann, Viviann Wilmot und Fabio Ghelli
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