Nach dem rassistischen Anschlag in Hanau forderten islamische Verbände, Moscheen besser zu schützen. Einige Bundesländer haben daraufhin den Austausch zwischen islamischen Gemeinden und den Sicherheitsbehörden gestärkt. Geld für Sicherheitsmaßnahmen in den Moscheegebäuden wie Überwachungskameras gab es jedoch nicht. Das berichten Verbände auf eine Anfrage des MEDIENDIENSTES.
103 Moscheeangriffe vergangenes Jahr
2020 erfasste das Bundesinnenministerium (BMI) bundesweit 1.026 islamfeindliche Straftaten. 103 Angriffe richteten sich gegen Moscheen, darunter vor allem Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen. Für eine bundesweit einheitliche Erfassung der Angriffe nutzen die Behörden seit 2019 einen Angriffszielkatalog. Vorher haben Bund und Länder die Fallzahlen nicht untereinander abgeglichen, die Zahlen vor 2019 können deshalb unvollständig sein.Quelle
Von den befragten Verbänden haben fast alle in diesem und letzten Jahr Angriffe auf ihre Gemeinden erlebt. Besonders verunsichernd seien die Bombendrohungen im Februar 2020 in mehreren Moscheen in NRW gewesen, hieß es von der Türkisch-Islamischen Union für Religion (Ditib). Der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) berichtet von eingeschlagenen Fenstern einer Moschee. Auch habe jemand telefonisch damit gedroht, eine Bombe zu zünden. In Hamburg und Rheinland-Pfalz habe es keine Angriffe auf ihre Moscheen gegeben, so die jeweiligen Landesverbände des Zentralrats für Muslime in Deutschland (ZMD).
Nach Hanau: Austausch mit der Polizei, keine finanziellen Zusagen
"Nach den Anschlägen auf die zwei Moscheen in Neuseeland, dann Halle und Hanau fühlten sich die Muslime in ihren Moscheen gar nicht sicher", sagt Mohamed Abu El-Qomsan, Vorsitzender des ZMD-Landesverband Bayern. Von den bayerischen Sicherheitsbehörden habe es leider keine besondere Reaktion nach Hanau gegeben, weder finanziell noch ideell, berichtet er. Auch der ZMD-Landesverband Hessen spricht von mangelndem Interesse und fehlender Unterstützung seitens der Landesregierung. Es habe nur sehr vereinzelt Gespräche gegeben, etwa mit dem Frankfurter Polizeipräsidenten, so der Vorsitzende Said Barkan.
Andere Verbände, etwa aus Rheinland-Pfalz, Hamburg oder Baden-Württemberg, berichten von einem guten Austausch mit den Sicherheitsbehörden. Die rheinland-pfälzische Landesregierung habe nach dem Anschlag in Hanau zum Beispiel Polizeischutz für Moscheen während der Freitagsgebete und anderer Veranstaltungen zugesagt, hieß es vom dortigen ZMD-Landesverband. Die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) bietet, teilweise zusammen mit Sicherheitsbehörden, Seminare dazu an, wie sich Gemeindemitglieder bei Angriffen verhalten sollten. Zudem gebe es jetzt in den örtlichen Polzeipräsidien feste Ansprechpartner*innen für Moscheegemeinden, so die IGBW.
Gemeinden fordern Schutzmaßnahmen
Um ihre Gemeinde besser zu schützen, treffen Moscheen eigene Vorkehrungen. Viele installieren Videokameras, um die Gebäude besser zu schützen, teilte die IGBW mit. Es gebe auch Gemeinden, bei denen ehrenamtliche Mitarbeiter vor der Tür stehen und Wache halten, berichten der VIKZ und ZMD-Landesverband Hamburg. Generell müssen Politik und Sicherheitsbehörden die Gefahr der Angriffe auf Moscheen ernster nehmen, so Verbandsvertreter*innen. Als Maßnahmen fordern sie im Gespräch mit dem MEDIENDIENST unter anderem:
- regelmäßige Polizeistreifen während der Freitagsgebete,
- Polizeischutz an Feiertagen und bei größeren Veranstaltungen,
- eine Hotline für Notfälle,
- Krisenkonzepte bei Verdacht eines Anschlags und
- eine finanzielle Förderung für Sicherheitsmaßnahmen.
Von Tomma Neveling
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