MEDIENDIENST: Seit Tausende von Krawallmachern am Sonntag in Köln demonstriert haben, ist die Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“ (kurz HoGeSa) bundesweit bekannt. Was wissen Sie über sie?
JOHANNES BALDAUF: Bei HoGeSa handelt es sich nicht um eine Organisation mit klaren Strukturen. Die Kommunikation und Mobilisierung verläuft über das Internet, vor allem über Facebook und andere Seiten. Deswegen ist die Gruppierung schwer zu greifen, wir wissen nicht, wer da alles dabei ist. Gemeinsamer Nenner ist das Motto „gegen Salafisten“ und darüber treffen sich Leute, die sich vorher nicht kannten.
Was hat es mit dem Motto auf sich?
„Gegen Salafismus“ ist ein Code oder Schlagwort für „gegen den Islam“, also antimuslimischen Rassismus. Hier wird nicht zwischen radikalisierten Islamisten und Muslimen differenziert. Aber mit dem Feindbild „Salafisten“ knüpft die Gruppe an der aktuellen Berichterstattung an. Hooligans nehmen meistens für sich in Anspruch, unpolitisch zu sein, doch darüber wurden offenbar viele abgeholt. Das anschlussfähige und aktuelle Motto könnte eine Erklärung dafür sein, warum HoGeSa nicht nur im Internet, sondern auch auf der Straße so gut mobilisieren konnte. Die Dimension hat übrigens auch uns überrascht.
Was ist Ihre Einschätzung: Waren neben den krawallbereiten Hooligans und Rechtsextremen auch viele Bürger aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft dabei, die das Motto überzeugt hat?
Grundsätzlich kann man Fans aus der bürgerlichen Mitte nicht ausschließen: Die Like-Zahlen der HoGeSa-Seite übersteigen die Einschätzung des Verfassungsschutzes zur rechten Szene in Deutschland deutlich. Dennoch war die Mehrheit am Sonntag vermutlich gewaltbereite Hooligans oder Rechtsextreme. Was die Hooligans angeht: Die Demonstration hat kein neues Gesicht des Rechtsextremismus gezeigt. Rechte Hooligans gibt es schon lange, aber sie sind aus dem Fokus geraten. Was neu ist: Bisher waren sie eher im Sport und in Stadien aktiv, als Aktivisten im Internet beobachten wir sie erst seit kurzem.
Wie lange beobachten Sie HoGeSa schon?
Der genaue Anfang ist schwer zurückzuverfolgen, da Facebook am Montag die Seite gelöscht hat. Wir sind Ende diesen Sommers auf die Gruppierung aufmerksam geworden. Im September gab es die erste Aktivität außerhalb des Internets, in Dortmund trafen sich rund 300 Leute aus Hooligan-Gruppen verschiedener Vereine, aber auch verschiedene organisierte Rechte. Dabei ging es unter anderem darum, wie weit man sich nach rechts öffnen will.
Wenn die Facebook-Seite gesperrt ist, wie mobilisieren die Internet-Aktivisten jetzt?
Das dürfte ihnen weiterhin gelingen: Die aktuelle HoGeSa-Seite „Deutsch sein ist kein Verbrechen“ wurde am 27. Oktober gegründet und hatte innerhalb weniger Stunden 20.000 Likes. Sie werden zum Beispiel beworben über die Seite „Wir sind Deutschland“, die 48.000 Likes hat und bereits die nächsten HoGeSa-Treffen in Hamburg und Berlin ankündigt. [Anm. d. Red: beide inzwischen gesperrt] Vermutlich werden sie bald wieder anders heißen, aber sie sind gut organisiert. Bei #HoGeSa findet man unglaublich viele Ergebnisse, wie Fanseiten, Gruppen usw. Ziel ist es, möglichst viele Leute zu erreichen.
Als Beobachter der Szene im Internet: Wussten Sie im Vorfeld, was am Sonntag in Köln passiert?
Nicht wirklich. Wir beobachten manchmal Netzphänomene, die sehr groß werden und trotzdem "nur" im Internet sichtbar bleiben. Die „Identitäre Bewegung“ zum Beispiel ist so eine neue rechte Bewegung, die relativ professionell gegen die „Islamisierung Europas“ wettert und im Netz gut funktioniert hat. Die haben den Sprung auf die Straße aber nicht geschafft. Der Versuch ist immer, außerhalb des Internets auch auf der Straße sichtbar zu werden. Aber es ist schwer absehbar, wann das klappt und wann nicht.
Wie kann man sich Mobilisierung im Internet vorstellen?
Meistens beginnt es mit einer Facebook-Seite, wie bei HoGeSa, die über andere Nazi-, „Patrioten“- oder Hooligan-Seiten beworben wird. Dort findet man viel Bildmaterial und Propaganda, die von der Hooligan-Subkultur inspiriert sind: Zum Beispiel T-Shirts und Aufnäher mit Sprüchen wie „Gemeinsam sind wir stark“, „Die Familie hält zusammen“, oder das altbekannte A.C.A.B (All Cops are Bastards) wurde abgewandelt in A.S.A.B. (All Salafists are Bastards). Auch aufhetzende Sprüche wie „Wenn sie dich hassen, dann hast du was erreicht“ sind sehr anschlussfähig in der Szene. Und hin und wieder finden sich eben auch Vorschläge für Termine, bei denen man auf der Straße demonstrieren kann.
Wie geht die HoGeSa mit der medialen Aufmerksamkeit um?
Ihren Erfolg feiern sie – soweit wir das sehen können – nicht öffentlich, aber sie beobachten sehr genau, wie beunruhigt und ratlos die Gesellschaft reagiert. Auf den öffentlich zugänglichen Seiten geht es natürlich auch um das Feindbild der „Systempresse“, das zur Mobilisierung der nächsten Veranstaltungen genutzt wird.
Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit sich das nicht wiederholt?
Wichtig ist es, ihnen die Plattformen zu nehmen – also zum Beispiel Facebook zu melden, wenn man ähnliche Aktivitäten beobachtet. Wir müssen jetzt außerdem hinschauen, wie die rechte Szene damit umgeht. Es bleibt abzuwarten, ob das die eher unpolitische Szene radikalisiert. Wenn wir die Themen betrachten, mit denen HoGeSa und andere Punkten, zeigt sich, dass hier viel Unwissen und Hass im Spiel ist. Wir brauchen also auch Aufklärung.
Interview: Ferda Ataman
Johannes Baldauf ist Projekt-Koordinator bei no-nazi.net. Dabei handelt es sich um eine Informationsplattform, die Monitoring in sozialen Netzwerken betreibt und auf Probleme aufmerksam machen will. Das Team beobachtet die Hatespeech-Kultur im Internet.
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