Nach dem Anschlag in Halle (Saale) am 9. Oktober 2019 gab es viel Kritik an der Polizei: Die Synagoge war nicht bewacht, obwohl die Gemeinde den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur beging. Die Polizei habe die Gefahr der Synagoge vor einem Anschlag nicht richtig eingeschätzt, so Kritiker*innen. Um die schusssichere Tür, die sie vor einem Massaker schützte, hatte die Gemeinde sich selbst gekümmert – vom Land Sachsen-Anhalt gab es für solche Schutzvorkehrungen keine Unterstützung.
Bund und Länder kündigten nach dem Anschlag an, mehr für den Schutz jüdischer Gemeinden zu tun. Haben sie ihre Versprechen gehalten? Der MEDIENDIENST hat bei den Innenministerien der Länder nachgefragt. Das Ergebnis:
- In fast allen Bundesländern hat die Polizei jüdische Einrichtungen nach dem Anschlag stärker bewacht.
- Fast alle Bundesländer haben zusätzliche Gelder bereitgestellt, damit jüdische Einrichtungen ihre Gebäude besser sichern können – etwa mit schusssicheren Türen, Zäunen oder Schleusen am Einlass. Sachsen-Anhalt etwa hat für 2020 und 2021 rund 2,4 Millionen Euro zugesagt, Bayern acht Millionen Euro. Darüber hinaus stellt der Bund 22 Millionen Euro für Umbaumaßnahmen und Sicherungen an Gebäuden für 2020 bereit.Quelle
- In den meisten Bundesländern hat die Polizei jüdische Gemeinden beraten, wie sie sich besser schützen können.
Alle Ergebnisse der Recherche finden Sie hier.
Alle Bundesländer geben an, bereits vor dem Anschlag in Halle regelmäßig überprüft zu haben, wie sehr jüdische Einrichtungen gefährdet sind. In Halle war die Gefährdung dennoch falsch eingeschätzt worden.
Die jeweiligen Polizeibehörden tauschen sich nach Aussagen der Innenministerien regelmäßig mit Vertreter*innen jüdischer Einrichtungen aus, viele Bundesländer haben eigene Ansprechpartner*innen für jüdische Gemeinden. Die Polizei stellt etwa Beamt*innen ab, die die Gebäude regel- oder unregelmäßig bewachen.
Um andere Vorkehrungen müssen sich die Gemeinden selbst kümmern, etwa um Zäune, Poller oder Sicherheitsschleusen. Einige Gemeinden engagieren zusätzlich einen Sicherheitsdienst oder haben eigenes Sicherheitspersonal, oft sind das ehemalige Angehörige der israelischen Armee. Diese Maßnahmen wurden bisher nur von manchen Bundesländern und dann oft auch nicht vollständig finanziert. Viele Gemeinden mussten die Ausgaben über Spenden finanzieren – manche konnten sich die Maßnahmen nicht leisten und mussten darauf verzichten.
Hat sich die Sicherheit für jüdische Einrichtungen verbessert?
Jetzt stehen den jüdischen Einrichtungen mehr Gelder zur Verfügung, zumindest das hat sich verbessert. Ob die Mittel ausreichen und ob die Polizei die Gefährdung nun richtig einschätzt, ist schwer zu sagen. Auf Nachfrage des MEDIENDIENSTES sagen mache Landesverbände des Zentralrats der Juden, dass sie die Maßnahmen für ausreichend halten, andere, dass sie das nicht einschätzen könnten. Auf jeden Fall sei nach dem Anschlag in Halle einiges nachgebessert worden und der Kontakt zur Polizei sei sehr gut.
Wie gut Gemeinden bewacht und gesichert sind, ist sehr unterschiedlich: Große Gemeinden, wie in Berlin oder Frankfurt, werden gut von der Polizei bewacht. Sie haben zudem mehr Mittel, um Sicherheitsmaßnahmen zu finanzieren. "Ich weiß gar nicht, was man in Berlin noch hochfahren sollte", sagt etwa der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland, Andreas Nachama. Gerade kleinen Gemeinden fehlen aber Gelder: Für manche seien die Maßnahmen weiterhin zu kostspielig, so ein Landesverband. Man wolle aus den Einrichtungen aber auch keinen Hochsicherheitstrakt machen, die Mitglieder sollten sich zwar sicher, aber auch frei fühlen.
Von Andrea Pürckhauer
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.