Seit 2014 erforschen Wissenschaftler der Universität Bielefeld in der "Zugleich-Studie", wie Menschen in Deutschland gegenüber Migration eingestellt sind. Als sie vor zwei Jahren die letzte Erhebung vorstellten, klang ihr Fazit pessimistisch. „Das starke Willkommenheißen von Migrant*innen hat abgenommen“, schrieben sie. Lediglich 28 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund sagten, sie würden eine stärkere Willkommenskultur begrüßen. Acht Prozentpunkte weniger als 2014.
Und heute? Die politischen Debatten um Migration und Flüchtlinge werden zwar immer noch emotional geführt, die Bevölkerung ist aber wieder offener geworden. Die Forscher sprechen von einer "gewissen Entkrampfung". Der Anteil der Befragten, die eine starke Willkommenskultur begrüßen, liegt mit rund 37 Prozent sogar höher als vor dem „Flüchtlingssommer“ 2015. Auch die anderen Indikatoren zeigen, dass die Befragten positiver gegenüber Migration eingestellt sind: Rund 53 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund sagen, sie freuen sich, wenn mehr Migranten nach Deutschland kommen – vor zwei Jahren waren es etwa 43 Prozent.
Mehr Offenheit gibt es auch bei der Frage, wer zur deutschen Gesellschaft dazugehört: So waren 2016 rund 48 Prozent der Meinung, man müsse die deutsche Staatsangehörigkeit haben, 2018 waren es nur noch gut 35 Prozent. Und 22 Prozent fanden es vor zwei Jahren wichtig, dass man in Deutschland geboren wurde, um dazuzugehören. 2018 waren es gut 15 Prozent.
Gleichzeitig geht der Anteil der Menschen zurück, die sagen, Neuzugewanderte sollten weniger Rechte haben als Alteingesessene: 2016 dachten noch 42 Prozent der Befragten, Zuwanderer „sollen sich mit weniger zufrieden geben“. Jetzt sind es nur noch etwa 37 Prozent.
Einstellungen nähern sich an
Ältere Menschen und solche mit einem niedrigeren Bildungsstand neigen eher dazu, Migranten kritisch zu betrachten. Diese zwei Gruppen sind misstrauischer, wenn es um Willkommenskultur geht, heißt es in der Studie, die von der Stiftung Mercator finanziert wurde.
Doch die Einstellungen unterschiedlicher Gruppen haben sich angenähert. Das fällt besonders beim Vergleich der Antworten von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auf. Zwar befürworten Befragte mit Migrationshintergrund tendenziell eher eine offene Willkommenskultur. Doch die Unterschiede zu Menschen ohne Migrationshintergrund sind nicht mehr sehr groß.
Vom Einwanderungsland zur Integrationsgesellschaft
"In den vergangenen Jahren hat sich die Debatte sehr stark um die grundsätzliche Frage gedreht: Sind wir für oder gegen Migration?“, sagt Andreas Zick von der Universität Bielefeld, der die Studie mitverfasst hat. "Doch die starke Polarisierung, die wir 2016 festgestellt haben, geht zurück."
Politik könne auf eine Mehrheit vertrauen, die Migration und Vielfalt als Bereicherung betrachtet und akzeptiert, erklärten Zick und die Co-Autorin Madlen Preuß. Es gehe jetzt darum zu verstehen, welche Weichen es braucht, um nicht mehr von einer "Einwanderungsgesellschaft", sondern von einer „Integrationsgesellschaft“ sprechen zu können. Denn von dieser Frage könnte es abhängen, wie Deutschland auf künftige Migrationsbewegungen vorbereitet sein wird.
Von Fabio Ghelli
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