In Thüringen sitzt die AfD seit vier Jahren im Landtag. Dort zeigt sich, welche Auswirkungen das für Muslime haben kann. In der Landeshauptstadt Erfurt versucht die islamische Ahmadiyya-Gemeinde, eine Moschee zu bauen. Früh habe man dafür das Gespräch mit Kirchen, Politikern, Vereinen und Verbänden gesucht, erklärt Suleman Malik, Landessprecher der Ahmadiyya-Muslim Jamaat in Thüringen bei einem Expertengespräch des MEDIENDIENSTES in Berlin. Doch schon nach Bekanntwerden der Baupläne kam es zu Protesten, die von der AfD unterstützt wurden. So habe die Partei den Bau unter anderem durch ein "Bürgerbegehren" versucht zu verzögern, erklärt Malik.
Zudem mache sich die Partei mit Gruppierungen wie der "Identitären Bewegung" oder "Pegida" gemein. Vermehrt kam es zu Übergriffen: Einmal wurden auf dem Nachbargrundstück riesige Holzkreuze errichtet, ein anderes Mal wurde Schweinefleisch auf dem Moscheegelände deponiert. Die AfD distanzierte sich nicht davon, so Malik. Anfang 2018 genehmigten die Erfurter Behörden den Bau der Moschee. Daraufhin organisierte die AfD erneut eine Demonstration auf dem Erfurter Domplatz. "Diesem Ruf sind viele gefolgt, darunter auch militante Nazis. Es kam zu Beleidigungen, Beschimpfungen und körperlichen Angriffen", berichtet Malik.
Antimuslimische Einstellungen sind weit verbreitet
Die Ablehnung von Muslimen sei nicht neu, sagt die Rassismusforscherin Yasemin Shooman. Schon 2009 stimmten nach einer Studie der Universität Bielefeld 46 Prozent der Aussage zu, dass "zu viele" Muslime in Deutschland lebten. Neueren Untersuchungen zufolge nimmt die Islamfeindschaft zu, so Shooman. In der „Mitte-Studie“ der Universität Leipzig von 2016 etwa wollten über 40 Prozent Muslimen die Einwanderung nach Deutschland untersagen.
An diese weit verbreiteten Vorbehalte gegen Muslime schließe die AfD an, sagt Shooman, die die Akademieprogramme des Jüdischen Museums in Berlin leitet. Diese Islamfeindschaft sei eine moderne Form des Rassismus, der sich gegen Menschen richte, die früher als "Gastarbeiter", "Türken" oder "Araber" beschimpft wurden. Sie seien jetzt im Diskurs zu „Muslimen“ geworden. Mit "Pegida" und der AfD habe sich dieser antimuslimische Rassismus in den letzten Jahren organisiert. Durch sie würden auf einmal Dinge öffentlich sagbar, die zuvor einen Tabubruch bedeutet hätten.
Was ist Ursache für die Abwertung von Muslimen?
Einen Grund für die zunehmende Abwehr von Muslimen sieht Shooman in deren fortschreitender Integration. „Das klingt paradox, da Muslimen ja gerade eine mangelnde Integration vorgeworfen wird", sagt die Rassismusforscherin. "Aber verstärkte gesellschaftliche Teilhabe zieht Dominanzkonflikte nach sich“. Nicht Hinterhofmoscheen riefen Abwehr hervor, sondern der Bau repräsentativer Gotteshäuser. Auch das Kopftuch sei nicht als Problem empfunden worden, solange es nur muslimische Putzfrauen trugen, sondern erst, als kopftuchtragende Frauen in andere, akademische Berufe vordrangen. „Erst dieses Sichtbarwerden provoziert massive Abwehrreaktionen“, so Shooman.
Schon Sprache könne gewaltvoll wirken, warnt Shooman. Dies sehe man an Hassrede im Internet. Und: "Übergriffe auf Moscheen und auf als muslimisch markierte Menschen zeigen, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich durch antimuslimische Hetze legitimiert fühlen, den Hass auch in die Tat umzusetzen“. Welche Auswirkungen diese Anfeindungen auf muslimische Menschen in Deutschland hätten, sei bisher wenig untersucht.
Forderungen der AfD widersprechen Religionsfreiheit
„Viele Forderungen der AfD widersprechen den Menschenrechten und dem Grundgesetz, das die Religionsfreiheit garantiert", stellt Daniel Legutke mit Blick auf das Parteiprogramm der Rechtspopulisten fest. Die Partei markiere den Islam als „fremde Religion“, so Legutke. "Würden die Forderungen umgesetzt, würde das die Diskriminierung von Muslimen gesetzlich festschreiben", mahnte der Referent für Menschrechte bei der "Deutschen Kommission Justita et Pax", einem Beratungsgremium der katholischen Kirche in Deutschland.
Das Christentum würde von der AfD identitätspolitisch vereinnahmt. Es würde reduziert auf die als "christlich-jüdisch-abendländisch" deklarierte Prägung der Kultur unseres Landes. „Das ist sowohl für die vereinnahmte Religionsgemeinschaft als auch für die ausgeschlossene Religion problematisch“, so Legutke. Die Vereinnahmung weist er zurück: Kirchen seien keine Kulturvereine.
In die Auseinandersetzung gehen
Die Ahmadiyya-Gemeinde setze trotz der Anfeindungen der AfD auf Dialog, sagt Suleman Malik. Er stelle sich regelmäßig auf dem Marktplatz in Erfurt der Diskussion. „Es führt kein Weg am Dialog vorbei, der aber in einem zivilisierten Rahmen stattfinden muss“.
Yasemin Shooman ist skeptisch, ob Gespräche ausreichen, um rassistischen Einstellungen zu begegnen. Zum einen könne man nicht von Jedem erwarten, sich direkten Anfeindungen auszusetzen. Zum anderen missbrauchten AfD-Politiker die Angebote zum Dialog gerne, um sich selbst in Szene zu setzen. Was tun? Die Rassismusforscherin fordert einen entschiedeneren Widerspruch gegen die Versuche der AfD, rassistische Äußerungen über Muslime als „normal“ darzustellen. Denn damit würden im Prinzip alle angegriffen, die für eine offene, liberale Gesellschaft einstehen.
Von Eva Hochreuther und Lea Hoffmann
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