Die Revolution im Iran 1979, die Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie und nicht zuletzt die Terrorangriffe auf die Zwillingstürme in New York 2001 – all diese Ereignisse führten gewissermaßen zur "Entdeckung" der Muslime in Westeuropa. Bevölkerungsgruppen, die bisher als "Einwanderer", "Türken" oder "Jugoslawen" betrachtet wurden, wurden mehr und mehr als "Muslime" wahrgenommen. Die bereits bestehende Kritik an Einwanderung und Einwanderern wurde zur Kritik an der angeblichen Bedrohung der internationalen Sicherheit und westeuropäischen Kultur und Lebensweise durch den Islam und die Muslime.
Die von Vorurteilen geprägten Einstellungen werden gemeinhin als "Islamophobie" bezeichnet und Europa steht heute vor der dringenden Frage: Welcher Zusammenhang besteht zwischen solchen Vorurteilen und Hasskriminalität gegen Muslime und ihre Einrichtungen? Die Forschung hierzu steht erst am Anfang. Bisher gibt es nur wenige hochwertige und repräsentative Studien zum Thema.
Umstrittene Begrifflichkeiten
Auch die Begrifflichkeiten werden diskutiert und zum Teil unscharf gebraucht. "Islamophobie" wurde durch einen Bericht zur Diskriminierung von Muslimen eingeführt, den die britische Denkfabrik "The Runnymede Trust" 1997 veröffentlichte. Der Begriff wurde hier mit stark negativen Einstellungen gegenüber Muslimen und dem Islam gleichgesetzt. Zudem schloss er die Diskriminierung von Muslimen in verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen mit ein.
Der US-amerikanische Politologe Erik Bleich koppelte die Handlungsebene davon ab und beschrieb Islamophobie als "undifferenzierte negative Einstellungen und Gefühle gegenüber Muslimen". Islamophobie beinhaltet also Antipathien auf der Basis von Stereotypen, das heißt negativen Verallgemeinerungen. Zu sagen, alle Muslime seien Terroristen, obwohl sich fast alle von Terrorismus distanzieren, oder zu behaupten, alle Muslime lehnten die Demokratie ab, obwohl die Mehrheit diese gutheißt, ist eine undifferenzierte Einstellung und ein Beispiel für die Homogenisierung und damit Stigmatisierung von Menschen.
Wie hängen Islamophobie und Hasskriminalität zusammen?
Islamophobie und andere Vorurteile können zu Hasskriminalität und Diskriminierung führen, tun dies jedoch nicht in jedem Fall. Die meisten Menschen mit Vorurteilen begehen keine Verbrechen aus Hass, aber die wenigen, die es tun, werden durch ihre Vorurteile motiviert. Zunächst muss man allerdings verstehen, was Hasskriminalität ist: In den USA und Kanada wird sie als Bias Crimes bezeichnet, als Verbrechen aufgrund von Vorurteilen. Sie steht also für alle Arten von Verbrechen, vom Mord bis hin zur Gewalt gegen Menschen oder Sachen, die stark mit Vorurteilen zusammenhängen.
Hasskriminalität ist also Vorurteilskriminalität. Negative Vorurteile können daher mittelbar und unmittelbar zu Hasskriminalität beitragen. Die einzelnen Angriffe richten sich dabei nicht gegen das Opfer als Individuum, sondern als echtes oder vermeintliches Mitglied einer Gruppe, also beispielsweise einer Minderheit mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung, ethnischen Zugehörigkeit oder religiösen Überzeugung. Allgemein akzeptierte Vorurteile gegen Minderheiten können dazu führen, dass Verbrechen aus Hass oder mit Aussagen wie „sie haben nur bekommen, was sie verdienen“ entschuldigt werden.
Extremistische Einzeltäter oder Gruppen können den Anspruch erheben, nur das in die Tat umzusetzen, was „andere auch tun wollen, sich aber nicht trauen.“ Sie stellen sich also als Vertreter der „schweigenden Mehrheit“ dar.
International vergleichbare Studien fehlen
Die Forschung zu Verbreitung und Ursachen von Islamophobie hat seit Längerem mit mehreren Problemen zu kämpfen: Zum einen fehlen zuverlässige historische Daten über islamfeindliche Einstellungen in Europa. Zum anderen gibt es keine einheitliche Definition von Islamophobie als analytischem Begriff und die Anzahl international vergleichbarer Studien auf diesem Gebiet ist begrenzt. Eine vorsichtige Abwägung der verfügbaren Untersuchungen deutet jedoch darauf hin, dass Islamophobie seit dem 11. September 2001 in Westeuropa eine neue Dimension erreicht hat.
Die Forschung über Hasskriminalität gegen Muslime in Europa ist durch andere Schwierigkeiten charakterisiert. Von den 28 EU-Ländern sammeln nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nur dreizehn Staaten Daten über anti-muslimische Hasskriminalität. Die Erhebung derartiger Verbrechensstatistiken zeigt, dass immer mehr europäische Länder dieses Problem ernst nehmen. In Deutschland werden diese Daten nicht gesondert erfasst.
Tatmotive sind nicht immer eindeutig
Allerdings zeichnen die offiziellen Erfassungen von Hasskriminalität nur bedingt ein korrektes Bild der tatsächlichen Lage. Wie bei jeder anderen Kriminalstatistik werden nur Verbrechen erfasst, die angezeigt wurden, was bereits an sich auf eine hohe Dunkelziffer hinweist.
Außerdem setzt die Erfassung voraus, dass die Tat auch als islamfeindliche Handlung erkannt wird, das heißt, dass die Polizei alle relevanten Informationen aufnimmt. Bei Verbrechen aus Hass ist die Motivlage möglicherweise diffus und islamfeindliche Vorurteilskriminalität kann sich mit anderen Verbrechen überschneiden, insbesondere bei xenophoben und rassistischen Motiven. Die unzureichende Erfassung lässt sich also auch durch konkurrierende Motivbilder erklären.
Europaweite Umfragen, in denen Muslime nach ihren Erfahrungen mit Hasskriminalität befragt wurden, lieferten bisher keine Daten, mit denen die Häufigkeit dieser Taten zuverlässig eingeschätzt werden konnte.
Eine ausführliche Version dieses Artikels finden Sie im Jahrbuch für Islamophobieforschung 2014. Das Jahrbuch, das zum fünften Mal erscheint, wird vom Wiener Vorurteilsforscher Farid Hafez herausgegeben. Klas Borell ist Professor für Soziologie an der Universität Jönköping, Schweden. Er ist der Herausgeber der sozialwissenschaftlichen Zeitschrift Sociologisk Forsking.
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