In den Ankunfts- und Rückführungszentren (ARE) in Bamberg und Manching sind Asylbewerber aus den „sicheren Herkunftsstaaten“ des Westbalkan untergebracht. Mehrere Behörden arbeiten dort zusammen, unter anderem Sozialämter, Ausländerbehörden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Polizei. Das Ziel: die Verfahren schnell abschließen und die Menschen nach der Ablehnung der Asylanträge schnell in ihre Herkunftsstaaten zurückführen. Unter den Flüchtlingen aus den "sicheren Herkunftsstaaten" Serbien, Kosovo, Albanien, Montenegro, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina befanden sich in den letzten Jahren viele Romafamilien.
Die "Hildegard-Lagrenne-Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland" wollte wissen, wie es um die Situation von Kindern steht. Sie gab eine Pilotstudie in Auftrag. Für die qualitative Untersuchung sprachen die Forscher unter anderem mit dem Leiter der Einrichtung, mit Bewohnern (Erwachsenen und Kindern) sowie mit ehrenamtlichen Helfern. Ihr Fazit: Der Vorrang des Kindeswohls, der in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verankert ist, wird missachtet. Die Hauptkritikpunkte beziehen sich auf vier Bereiche:
Bildung
Kinder, die in der ARE untergebracht sind, dürfen keine Regelschule besuchen. Ihnen steht lediglich eine Bildungseinrichtung in der ARE offen, die vom Schulamt Bamberg betrieben wird. Drei Lehrer unterrichten dort drei Jahrgangsstufen (sechs bis neun, zehn bis zwölf und 13 bis 16 Jahre). Gerade einmal zwölf Unterrichtsstunden pro Woche werden laut Studie angeboten. Die Inhalte stellten die Lehrer selbst zusammen. Der Unterricht erfolge auf Deutsch, aber es gebe keinen Deutschunterricht. Kinder, die bereits Deutsch gelernt haben, übersetzten für ihre Mitschüler. Nur rund die Hälfte der schulpflichtigen Kinder in der ARE nimmt laut Schulamt am Unterricht teil, schreiben die Forscher.
Wohnen und Essen
Familien und Alleinstehende seien gemeinsam in Wohnungen untergebracht. Duschen und Toiletten sind nicht nach Geschlechtern getrennt. Kinder hätten in diesen engen Wohnverhältnissen keine Privatsphäre und seien täglich den Gesprächen und Ängsten der Erwachsenen vor Abschiebung ausgesetzt. Die Türen in der Einrichtung könnten nicht abgeschlossen werden. Kinder berichten in der Studie, dass sie Angst davor hätten, Fremde könnten nachts die Wohnungen betreten. Ein Gewaltschutzkonzept für Frauen und Kinder gibt es laut den Autoren der Studie nicht. Asylbewerber dürften keine eigenen Herdplatten oder Kühlschränke aufstellen. Bewohner beklagten im Gespräch mit den Forschern, es gebe nicht genug Essen für die Kinder, die auch zwischen den drei Mahlzeiten Hunger bekämen.
Diskriminierung
Einen besonderen Fokus legte die Studie auf die Situation der Roma in der Einrichtung. Sowohl minderjährige als auch erwachsene Roma sagten bei den Befragungen, dass andere Bewohner sie antiziganistisch beleidigt hätten. Besonders Roma aus dem Kosovo hätten Angst vor den albanischen Mitbewohnern und blieben deswegen oft mit den Kindern in den Wohnungen, anstatt sie draußen spielen zu lassen. "Es fühlt sich an, als ob die Kinder und Erwachsenen in einem großen Gefängnis wohnen", beschreibt ein Bewohner im Interview die Situation.
Dauer der Unterbringung
Der Aufenthalt in der Einrichtung sollte eigentlich maximal vier Wochen dauern. Alle befragten Bewohner leben jedoch bereits seit drei bis sechs Monaten in der ARE, so die Autoren der Studie.
Landesregierung weist Vorwürfe zurück
Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) sagte auf MEDIENDIENST-Anfrage: "Asylbewerber werden in den Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen in Bayern human untergebracht und versorgt. Sie erhalten dabei auch eine medizinische Versorgung nach den bundesgesetzlichen Vorgaben." Kinderrechte würden eingehalten, so Müller. Und weiter: "Selbstverständlich gehen wir konkreten Hinweisen zu Diskriminierungen nach." Übergriffe innerhalb der Einrichtungen würden nicht geduldet.
Von Jenny Lindner
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