Alle drei Jahre werden mit PISA die Leistungen von 15-jährigen Schülern im internationalen Vergleich getestet. Der Schwerpunkt lag bei der nunmehr fünften Studie 2012 auf Mathematik. Darüber hinaus wurden in 34 OECD-Staaten und 31 weiteren Ländern auch die Kompetenzen in Naturwissenschaften und Lesen abgefragt.
In Deutschland nahmen rund 5.000 Schüler aus 230 Schulen an dem Test teil, der vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) durchgeführt wurde. Parallel zu den von der OECD veröffentlichten Ergebnissen hat das ZIB für Deutschland einen eigenen Bericht zu PISA 2012 herausgebracht.
Die Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten PISA-Studie im Jahre 2001 hatte in Deutschland den sogenannten "PISA-Schock" ausgelöst. Neben dem insgesamt schlechten Abschneiden der deutschen Schüler zeigten die Tests von 2000 und 2003, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Erfolg in der Schule in Deutschland besonders stark ausgeprägt ist. Zudem schnitten Jugendliche aus Einwandererfamilien in allen Bereichen wesentlich schlechter ab als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Auf dieser Gruppe liegt seither ein besonderes Augenmerk.
Der ZIB-Definition zufolge hatten 25,8 Prozent der in PISA 2012 getesteten Schüler einen Migrationshintergrund:
- 4,5 Prozent aus einem Land der ehemaligen UDSSR,
- 5,1 Prozent aus der Türkei,
- 2,7 Prozent aus Polen,
- 13,5 Prozent aus anderen Herkunftsländern.
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Die wichtigsten Ergebnisse für Deutschland
- Die Leistungen aller Schüler in Deutschland lagen sowohl im Bereich Mathe (514 Punkte) als auch in Naturwissenschaften (542 Punkte) und Lesen (496 Punkte) deutlich über dem jeweiligen OECD-Durchschnitt.
- Der Anteil der leistungsschwachen Schüler ist kontinuierlich gesunken und liegt mittlerweile unter dem mittleren OECD-Wert.
- Der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schülerleistung hat abgenommen und liegt mittlerweile im internationalen Mittel.
- Die Kompetenzen der Jugendlichen mit Migrationshintergrund haben sich seit Beginn der Studie deutlich und stetig verbessert. Ihre Leistungen haben sich denjenigen der Schüler ohne Einwanderungskontext angenähert: So konnten sich die 15-Jährigen aus Einwandererfamilien etwa in Mathematik seit 2003 um 24 Punkte verbessern, was in etwa dem Lernfortschritt eines Schuljahres entspricht.
- Der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die ein Gymnasium besuchen, hat sich fast verdoppelt: von 16,4 Prozent in 2003 auf 29,4 Prozent in 2012.
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So waren die an der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie beteiligten Politiker, Vertreter der Forschungsinstitute und der OECD denn auch voll des Lobes. Bildungsministerin Johanna Wanka und der Präsident der Kultusministerkonferenz, Stephen Dorgerloh, sahen sich darin bestätigt, dass die seit 2003 ergriffenen Reformmaßnahmen richtig seien und ausgebaut werden müssten. Dies betreffe insbesondere die frühkindliche Bildung und den Ausbau der Ganztagsschulen.
Kritiker stellen Sinn und Zweck der Tests in Frage
Schon lange wird Kritik an den PISA-Studien und der seit dem Schock von 2001 ausgebrochenen "Testeritis" geübt, die sich in einer Vielzahl von Leistungstests und Schulvergleichen äußert. Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, des konservativen Deutschen Philologenverbandes und zahlreiche Forscher stellten vor der jüngsten PISA-Veröffentlichung die Tests und die daraus abgeleiteten bildungspolitischen Maßnahmen in Frage. Einer der Kritikpunkte: PISA stelle lediglich Unterschiede zwischen einzelnen Ländern und Schülergruppen fest, biete aber weder Erklärungen noch Handlungsempfehlungen, um die Unterschiede abzumildern.
In einem Interview mit dem Mediendienst betont der Erziehungswissenschaftler Frank-Olaf Radtke, dass die PISA-Studien regelmäßig fehlinterpretiert würden: "In der deutschen Diskussion wird im Grunde nur über das Versagen der Schüler geredet, das Versagen der Schule aber bleibt unbeachtet. Obwohl die PISA-Studien der OECD gar nicht in erster Linie darauf abzielten, die Leistungen der Schüler miteinander zu vergleichen, sondern die Leistungsfähigkeit von verschiedenen Schulsystemen." Dieser Aspekt sei hierzulande jedoch völlig untergegangen und zugunsten einer Fokussierung auf frühkindliche Förderung und Ganztagsbetrieb erstickt worden.
Während die Politiker und Forscher bei der Vorstellung der PISA-Ergebnisse in Berlin die Bedeutung der empirischen Bildungsforschung für die "Politiksteuerung" betonten, kritisieren Erziehungswissenschaftler wie Radtke das Monopol dieses Forschungszweigs. Dieser hat sich auf vergleichende Testverfahren von Schülern spezialisiert und wurde in der vergangenen Dekade stark gefördert und ausgebaut. Er suche die Ursachen für das schlechtere Abschneiden bestimmter Schülergruppen aber vor allem bei den Defiziten der Jugendlichen und ihrer Eltern, so Radtke. Erklärungsmustern, die das Schulsystem selbst dahingehend überprüfen, ob es eine Chancengleichheit für alle Schüler unabhängig von ihrer Herkunft gewährleisten kann, werde hingegen so gut wie nicht nachgegangen.
Weiterer Forschungsbedarf
Was die PISA-Studien und der 2001 durch sie ausgelöste Schock auf jeden Fall bewirkt haben: Sie haben einen Reformprozess im Bildungsbereich in Gang gesetzt und die Aufmerksamkeit auf den in Deutschland so stark ausgeprägten Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg gelegt. Von dem waren und sind Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders häufig betroffen. Die Schlüsse und Reformen, die Deutschland daraus gezogen hat, scheinen nun langsam zu greifen. Welche der vielen Maßnahmen genau jedoch dafür verantwortlich sind, bleibt bis auf weiteres offen.
Von Rana Göroğlu, MDI
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