Bereits 2015 und 2016 hat die Bundesregierung die Regelungen zu Abschiebungen verschärft. Demnach können Ausreisepflichtige, die sich der Abschiebung entziehen wollen, in Haft genommen werden. Zudem werden Abschiebungen nicht mehr angekündigt. Nun ist eine weitere Reform geplant: Der "Gesetzentwurf zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" sieht strengere Maßnahmen für sogenannte "Gefährder" und unter bestimmten Voraussetzungen auch für Geduldete vor. Das Gesetz soll am 30. März vom Bundestag und am 7. April vom Bundesrat verabschiedet werden.
Die wichtigsten Regelungen in Kürze
- Ausreisepflichtige "Gefährder" – also Menschen, von denen eine „Gefahr für Leib und Leben Dritter“ ausgeht – sollen in Abschiebehaft genommen werden können. Zudem können sie strenger überwacht werden (etwa mittels elektronischer Fußfesseln), wenn sie auf freiem Fuß sind.
- Geduldete, die über ihre Identität oder Herkunft täuschen beziehungsweise nicht ausreichend bei der Beschaffung von Reisedokumenten mitwirken, sollen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen dürfen. Außerdem sollen sie ohne Vorankündigung abgeschoben werden können – selbst wenn sie bereits seit mehr als einem Jahr in Deutschland leben.
- Die Bundesländer sollen Asylsuchende "ohne Bleibeperspektive" bis zu zwei Jahren in Erstaufnahmeeinrichtungen unterbringen können. Derzeit geht das für maximal sechs Monate.
- Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll die Befugnis erhalten, Handys und andere Datenträger von Geflüchteten zu überprüfen, um Informationen über ihre Identität und Herkunft zu gewinnen.
"Die Reform schafft Verunsicherung"
Heiko Habbe, Rechtsanwalt und Rechtsberater bei der kirchlichen Hilfsstelle "Fluchtpunkt" sieht die geplanten Neuerungen kritisch. Mit der Abschiebehaft für sogenannte "Gefährder" vermische die Bundesregierung zwei unterschiedliche Dinge: Zum einen eine Präventionshaft für Menschen, von denen vermutlich eine Gefahr für die Gesellschaft ausgeht. Zum anderen die Inhaftnahme zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung. Habbe zufolge wäre das mit Blick auf europäisches Recht höchst problematisch, denn: Laut Rückführungsrichtlinie der Europäischen Union kann die Abschiebehaft nur verhängt werden, um sicherzugehen, dass eine ausreisepflichtige Person bei der Abschiebung anwesend ist. Sie kann jedoch nicht angewendet werden, um Menschen in Haft zu nehmen, gegen die kein konkreter Tatverdacht vorliegt.
Zudem sieht Habbe die Gefahr, dass sich die Situation von Geduldeten verschlechtern würde: Bislang müssen diejenigen, die seit über einem Jahr in Deutschland leben, mindestens einen Monat im Voraus über die bevorstehende Abschiebung informiert werden. Die geplante Reform sieht vor, diese Vorankündigung für Personen abzuschaffen, denen vorgeworfen wird, sie würden sich nicht genug um die Beschaffung von Reisedokumenten kümmern.
Dieser Vorwurf träfe jedoch häufig nicht zu, so Habbe. „In meiner Erfahrung als Rechtsberater habe ich oftmals feststellen müssen, dass die Beschaffung von Personaldokumenten für viele Geflüchtete schwierig bis unmöglich ist – entweder, weil die zuständige Botschaft nicht kooperiert oder, weil in den Herkunftsländern Personaldaten gar nicht systematisch erfasst werden." Die Ausländerbehörden würden dann jedoch oft annehmen, dass Ausreisepflichtige ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen.
"Bislang konnten sich Geduldete, die schon länger hier leben, womöglich arbeiten und ihre Kinder zur Schule schicken, auf die Ausreise vorbereiten", so Habbe. Durch die Reform könnten viele von ihnen jederzeit ohne Vorankündigung zum Flughafen gebracht werden. "Das schafft große Verunsicherung, gerade für Familien. Unser Eindruck ist: Das ist leider gewollt."
„Eine humane Abschiebungspolitik ist kaum denkbar“
Auch Helen Schwenken, Professorin für Migration und Gesellschaft an der Universität Osnabrück, macht im Gesetzentwurf ein starkes Misstrauen gegenüber Asylsuchenden aus. Darüber hinaus würde die Reform vielen Menschen die Integration erschweren: „Menschen, die mit einer Duldung in Deutschland leben, wären stets im Ungewissen darüber, ob sie am nächsten Tag abgeschoben werden", sagt Schwenken. Dieser Zustand mache die Integration fast unmöglich. "Die Erfahrung zeigt, dass Menschen mit einem prekären Aufenthaltsstatus nur sehr bedingt am Gesellschaftsleben teilhaben", so Schwenken.
Vor etwa drei Jahren beschäftigten sich noch mehrere Institutionen mit der Frage, welche Alternativen es zur erzwungenen Aufenthaltsbeendigung gibt. Von diesen Absichten sei heute nur wenig übrig geblieben. "Unter diesen Bedingungen kann es aus meiner Sicht keine 'humane' Aufenthaltsbeendigungs-Politik geben", so Schwenken.
Von Fabio Ghelli
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.