Für Flüchtlinge und Migranten weht in Österreich künftig ein härterer Wind: Der neue Kanzler Sebastian Kurz hat seinem Koalitionspartner, der rechtspopulistischen FPÖ, die dafür zuständigen Ressorts überlassen. Ein eigenes Ministerium oder Staatssekretariat für Integration, in dem Kurz einst seine politische Karriere begann, gibt es nicht mehr. Das Thema ist jetzt im Außenministerium angesiedelt, deren Leiterin Karin Kneissl von der rechtspopulistischen FPÖ nominiert wurde.
Das Innenministerium, zuständig für Grenzkontrolle sowie für die Aufnahme von Geflüchteten, wird jetzt vom FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl geleitet. Kickl hat mehrmals klar gemacht, für eine „sehr strenge Asylpolitik“ eintreten zu wollen. Für einen Eklat sorgte kürzlich seine Ankündigung, Asylbewerber „konzentriert“ in Sammelzentren unterbringen zu wollen – eine Wortwahl, die viele Menschen an den Begriff „Konzentrationslager“ erinnert.
Asyl ist für die neue Regierung nur noch „Schutz auf Zeit“. Sie meint, eine Integration von Asylbewerbern sei nicht notwendig, weil diese ohnehin eines absehbaren Tages in ihr Heimatland zurückkehren sollen. Zu erwarten ist, dass Rückführungen zunehmend forciert werden. Doch selbst wenn sich die Lage in Bürgerkriegsländern wie Syrien oder dem Irak verbessern sollte, ist es unwahrscheinlich, dass alle wieder in die Heimat zurückkehren. Die meisten Flüchtlinge werden vermutlich bleiben, ähnlich wie in den 1990er Jahren während des Bosnien-Krieges: Damals kamen rund 120.000 Menschen aus dem Kriegsland nach Österreich. Etwa 90.000 blieben.
ŽARKO RADULOVIC ist Chefredakteur der Medien-Servicestelle Neue Österreicher / innen, ein Medien-Service, der Informationen über Migration und Integration vermittelt. Früher hat er in der außenpolitischen Redaktion der "Austria Presse Agentur" gearbeitet. Er ist Publizist und Politikwissenschaftler.
In vielen Bereichen sind neue Restriktionen geplant. So soll Asylsuchenden demnächst bei Antragstellung ihr Bargeld abgenommen werden – um damit ihre Grundversorgung zu finanzieren, wie es heißt. Ähnlich wie in Deutschland sollen die Behörden zudem befugt werden, Asylbewerbern das Handy abzunehmen, um deren Angaben über Herkunft und Identität zu überprüfen. Während der Asylverfahren sollen Antragsteller außerdem nur noch Sachleistungen erhalten, kein Bargeld.
Für Geflüchtete sollen zudem nach Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus besondere Regeln gelten: Sie werden künftig lediglich 365 Euro „Mindestsicherung“ erhalten, die durch einen „Integrationsbonus“ von 155 Euro aufgestockt werden können (zum Vergleich: ein Wiener bekommt derzeit 838, ein Oberösterreicher 921 Euro Mindestsicherung). Für eine Familie sollen Geldleistungen auf 1.500 Euro gedeckelt werden. Die Staatsbürgerschaft kann künftig im Regelfall frühestens in zehn Jahren (statt bisher nach sechs) erlangt werden.
Der österreichische Rechtsanwalt Georg Bürstmayr, spezialisiert auf Fremden- und Asylrecht, befürchtet einen „Paradigmenwechsel“: „Es soll künftig alles unternommen werden, um die Integration von Flüchtlingen zu verhindern“, sagt er in einem Interview mit der Zeitung „Kurier“. Vor zwei Jahren habe man noch darauf gedrängt, dass Ankommende so schnell wie möglich Deutsch und „unsere Werte“ lernen, um sich möglichst rasch zu integrieren. „Jetzt macht man hier eine komplette Kehrtwende und will die Menschen in jeder Hinsicht von der restlichen Gesellschaft abschotten.“
Auch die Europäische Union darf sich in der Asyl- und Migrationspolitik von der „türkis-blauen“ Koalition nicht viel Solidarität erwarten. Der neue Kanzler Sebastian Kurz wehrt sich aktiv gegen ein Quotensystem für Flüchtlinge innerhalb der EU. Stattdessen will er verstärkt auf „nationale Lösungen“ setzen. Eine europäische Asylpolitik will er nur unterstützen, sofern sie Österreich entlastet.
Ende Januar 2018 traf er sich in Wien mit Ungarns Premier Victor Orban, der die Front der Visegradstaaten (Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei) anführt, die sich gegen jede Aufnahme von Flüchtlingen sperren. „Illegale Migration“ und „Schutz der Außengrenzen“ standen dabei im Vordergrund der Gespräche. Kurz sieht sich als „Brückenbauer“ zwischen diesen Staaten und Westeuropa. Wie das aussehen soll, wird man spätestens im zweiten Halbjahr 2018 sehen, wenn Österreich die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.
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