In der Bundesrepublik sind die Kompetenzen für die Integrationspolitik breit verteilt. Damit befasst sind – mit unterschiedlich gewichtigen Zuständigkeiten – das Bundeskanzleramt, das Innenministerium, das Arbeitsministerium, das Justizministerium, das Wirtschaftsministerium, das Bildungsministerium, das Familienministerium sowie das Auswärtige Amt. Hinzu kommen unterschiedliche Ressortzuschnitte für das Thema Integration in den 16 Bundesländern, die etwa für die Bildungsaspekte der Integration zuständig sind. Inzwischen führen acht der Bundesländer „Integration“ in der Bezeichnung eines Ministeriums.
Auf der Bundesebene ist die Stellung des Innenministeriums herausragend – ihm ist seit 2005 das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugeordnet. Auch die Integrationsbeauftragte, die seit 2005 im Rang einer Staatsministerin im Bundeskanzleramt angesiedelt ist, hat eine hervorgehobene Rolle, allerdings ohne zusätzliche Befugnisse. Nach der Bundestagwahl fordern verschiedene Organisationen nun gleichzeitig Änderungen an dieser „dualen Struktur":
In einer Petition kritisiert etwa der Rat für Migration (RfM) "das lähmende Kompetenz-Wirrwarr" in Sachen Integration und Migration. Das Bundesministerium des Innern sei "mit seiner Konzentration auf Sicherheitspolitik und Gefahrenabwehr das falsche Zentralressort". „Wir brauchen einen Wandel von der herkömmlichen Integrationspolitik für Migranten zu einer teilhabeorientierten Gesellschaftspolitik für alle“, betont Migrationshistoriker Klaus J. Bade.
Mehr Arbeitsmarktpolitik, weniger Grenzkontrolle
Laut Politikwissenschaftler und RfM-Mitglied Dietrich Thränhardt sollte Integration „von einem Ministerium verantwortet werden, dessen Kernzuständigkeiten für die künftige Gestaltung von Migration und Integration wesentlich sind“. Vor dem Hintergrund der Globalisierung und der demografischen Entwicklung werde es künftig weniger um „traditionelle Abwehrmechanismen und Grenzkontrollen“ als um „interne Zugangsmechanismen“ und die „optimale Ausschöpfung der Potenziale und Fähigkeiten der Migranten“ gehen.
Deshalb empfehlen die Autoren der Petition, die Zuständigkeiten in ein neues starkes Querschnitts-Ministerium zu verlagern, zum Beispiel in Form eines federführenden "Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Migration und Integration". Hier sollte künftig auch das BAMF als nachgeordnete Behörde angebunden sein.
Seit ihrer Veröffentlichung vor drei Wochen wurde die Petition von über 6.000 Menschen unterzeichnet. Erstunterzeichner sind neben mehr als 60 Wissenschaftlern auch ehemalige und aktive Politiker wie Cornelia Schmalz-Jacobsen, die für die FDP von 1991 bis 1998 Ausländerbeauftragte der Bundesregierung war, der frühere CDU-Sozialminister Heiner Geißler oder der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz. Unter den Wissenschaftlern ist auch Migrationsrechtler Jürgen Bast. Er fordert als inhaltliche Grundlage für die Arbeit des neuen Querschnitts-Ministeriums "ein Bundesmigrations- und Integrationsgesetz, das die Neuausrichtung auf einen umfassenden Ansatz festschreibt".
Auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) sprach sich Anfang Oktober in einem Pressestatement für eine Neustrukturierung aus: Die Wissenschaftler des SVR fordern von der Bundesregierung eine "koordinierte Integrations- und Migrationspolitik". Auch sie empfehlen die "Verlagerung der Zuständigkeiten in ein kompetenzstarkes und weniger von sicherheitspolitischen Interessen überlagertes Ressort" wie dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Um eine entsprechende "migrationspolitische Gesamtstrategie" zu entwickeln, schlagen sie statt eines Gesetzes einen "Nationalen Aktionsplan Migration“ vor, ähnlich dem bereits durchgeführten "Nationalen Aktionsplan Integration".
Kein isoliertes eigenes Ministerium
Auf Bundesebene haben verschiedene Politiker immer wieder ein eigenständiges Zuwanderungs- oder Integrationsministerium gefordert. Dazu zählen unter anderem die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), die SPD-Politikerin Aydan Özoguz, der frühere NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) sowie der Volkswirt Klaus Zimmermann, Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA Bonn).
Die Wissenschaftler halten davon eher wenig: Ein eigenes Integrationsministerium lehnen sowohl RfM als auch SVR ab. Laut SVR hätte ein Bundesministerium für Integration nur wenig Kompetenzen, da die Länder für wesentliche Aspekte der Integrationspolitik wie etwa Bildung zuständig sind. Laut Dietrich Thränhardt sprechen die Erfahrungen aus den Bundesländern dagegen: So sei die „baden-württembergische Lösung eines isolierten Ministeriums ohne Gewicht und ohne wesentliche Zuständigkeiten nicht nachahmenswert“. Zudem seien die Erfahrungen anderer europäischer Einwanderungsländer mit separaten Integrationsministerien eher ernüchternd: Sie seien meist wieder abgeschafft worden. "Deutschland sollte sich stattdessen ein Beispiel an Lösungen wie in Schweden nehmen, wo Integration mit Arbeit und mit Justiz verbunden ist", so Thränhardt.
Von Hans-Hermann Kotte
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