Fast jeder fünfte Studierende hatte im vergangenen Jahr einen sogenannten Migrationshintergrund. Das zeigt eine Sonderauswertung des Mikrozensus für den SVR-Forschungsbereich. Die absolute Zahl der Studierenden mit Einwanderungsgeschichte ist in den vergangenen Jahren gestiegen, ähnlich wie die der Studierenden ohne Migrationshintergrund. Weil mittlerweile der Anteil der Abiturierenten mit Migrationshintergrund steigt, wird ihr Anteil an den Hochschulen voraussichtlich auch steigen.
Aber wie viele der Studierenden aus Einwandererfamilien schließen ihr Studium auch erfolgreich ab? Dazu gibt es keine Zahlen. Statistiken erfassen bislang keine Studierenden aus Einwandererfamilien mit deutschem Pass. Erfasst wurden Studierende mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit, die in Deutschland zur Schule gegangen sind. Für sie gilt: Die Abbruchquote im Bachelorstudium lag 2014 bei 43 Prozent, bei deutschen Studierenden hingegen bei 29 Prozent.
Die Situation von Studierenden mit Migrationshintergrund wird derzeit in mehreren Forschungsprojekten untersucht. Mit Ergebnissen ist aber erst in den kommenden Jahren zu rechnen. Schon jetzt finden sich aber Hinweise darauf, dass bestimmte Gruppen größere Probleme im Studium haben als andere. So sind etwa Studierende mit türkischer Staatsangehörigkeit unter den Studienabbrechern vergleichsweise häufig vertreten.
Viele haben schwierige Startbedingungen
Woran liegt es, dass viele ihr Studium abbrechen? Ein Grund: Studierende mit Migrationshintergrund gehen mit schlechteren sozialen und finanziellen Startchancen in ihr Studium. Das zeigen auch die aktuellen Daten aus der Sozialerhebung. Eine wachsende Zahl bewertet die eigene "Bildungsherkunft" demnach als "niedrig", 2016 waren es 27 Prozent (2013: 21 Prozent). Sie unterbrechen häufiger aus finanziellen Gründen ihr Studium. Oder positiv ausgedrückt: Trotz vergleichsweise schwierigen Bedingungen zeigen junge Menschen mit Migrationshintergrund eine hohe Neigung zu studieren.
Die Bildungsforscherin Katharina Wehking untersucht an der Universität Osnabrück die Bildungsverläufe von Migranten und Flüchtlingen. Sie sagt, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund an den Hochschulen häufig "Studienpioniere" seien. Das heißt, sie sind oft die ersten in ihrer Familie, die studieren. "Wer nicht aus einer Akademikerfamilie kommt, hat im Studium zum Beispiel häufiger Probleme mit der Wissenschaftssprache", so Wehking. Andere Probleme seien die Selbstorganisation im Studium oder die geringere finanzielle Absicherung durch die Familie. Das gelte unabhängig davon, ob sie Migrationshintergrund haben oder nicht, betont die Expertin. Ausschlaggebend sei eher die soziale Herkunft.
Was können Hochschulen tun?
Der Forschungsbereich des SVR empfiehlt, dass Hochschulen ihr Regelangebot stärker auf Studierende mit Einwanderungsgeschichte ausrichten sollten. Die Studieneingangsphase sollte stärker strukturiert werden, um fachliche und sprachliche Defizite auszugleichen.
Außerdem sollten Studierende mit Migrationshintergrund die Möglichkeit bekommen, sich stärker mit anderen Studierenden zu vernetzen. Darauf weist auch Bildungsforscherin Wehking hin. Sie betont aber: Studierende aus Einwandererfamilien dürften nicht als Problemgruppe gelabelt werden. "Es gibt gemeinsame Probleme bei Studienpionieren mit und ohne Migrationshintergrund", so Wehking, "deshalb müssen sich die Hilfsangebote an alle Studierenden in dieser Gruppe gemeinsam richten."
Von Carsten Janke
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