Der WDR und der SWR haben mehrsprachige Internet-Plattformen für Flüchtlinge erstellt. Die Deutsche Welle stellt auf einem Multimediaportal Alltagstipps, Informationen und Nachrichten zur Verfügung. Und Funkhaus Europa sendet Radio-Angebote für und von Geflüchteten. Das sind nur einige Beispiele für neue Formate von Medienhäusern, die sich an Schutzsuchende in Deutschland richten.
Dynamisch, viral und auf Facebook präsent müssen die Angebote laut Experten sein, um Erfolg zu haben. Einer Umfrage der Unternehmensberatung "Ernst & Young" zufolge stuften 53 Prozent der Geflüchteten soziale Medien – und dabei vor allem Facebook – als wichtigstes Kommunikationsmittel ein. Deswegen sind die meisten Formate bereits für Smartphones optimiert und werden über Facebook geteilt.
"Die großen Medienhäuser sind Geflüchteten völlig unbekannt"
Dennoch kennt die Zielgruppe viele der neuen Formate nicht, sagt der Journalistik-Professor Ulrich Pätzold: "Die mehrsprachigen Angebote der Rundfunkanstalten und auch anderer Medien bleiben den neuen Zielgruppen in der Regel verborgen. Selbst über die sozialen Medien finden die Mitglieder der Zielgruppe sie nicht per se." Der Grund: "Ihnen sind die Marken der entsprechenden Anbieter völlig unbekannt."
Geflüchtete vertrauen eher Gleichgesinnten, die Informationen über soziale Netzwerke verbreiten. Menschen aus den Communities werden zu medialen "Gatekeepern". Einer von ihnen ist Monis Bukhari. Der syrische Journalist ist Gründer der Facebook-Gruppe "Syrisches Haus", die mittlerweile rund 140.000 Mitglieder hat. Geflüchtete tauschen sich dort meist zu Alltagsthemen aus.
Bukhari sagt, Medien sollten bestehende Angebote in unterschiedlichen Sprachen bereitstellen, anstatt eigene Refugee-Programme zu entwickeln. An einen dauerhaften Erfolg von Flüchtlings-Formaten glaubt er nicht, weil Geflüchtete auf lange Sicht nicht als solche definiert werden wollen. Einige Medienhäuser übersetzen bereits Inhalte in mehrere Sprachen: Die ARD bietet beispielsweise die Tagesschau in 100 Sekunden auf Englisch und Arabisch an.
Was ist noch wichtig, damit die Angebote für Geflüchtete Erfolg haben? Es muss die Möglichkeit zum Austausch geben, sagt Ulrich Pätzold. Einseitige Angebote von deutschen Journalisten an Flüchtlinge reichten nicht. Ein gutes Beispiel für Medien von und für Geflüchtete ist die arabischsprachige Zeitung "Abwab". Das kostenlose Magazin wird monatlich in Flüchtlingsunterkünften verteilt und informiert über die wichtigsten Themen in Deutschland. Der Titel heißt übersetzt "Tür zur Welt". Die Inhalte liefern Journalisten aus Syrien, Irak und dem Nahen Osten. Sie schreiben über Feminismus, die Kölner Übergriffe, Merkels Außenpolitik. Einige der Artikel erscheinen auch online und auf Deutsch und sollen damit auch deutsche Leser erreichen.
Dass viele neue Medien-Angebote für Geflüchtete noch nicht weit verbreitet sind, könnte sich bald ändern: Eine Projektgruppe plant, eine Webseite zu entwickeln, auf der Angebote von mehreren Medienhäusern abrufbar sein sollen. Beteiligt sind unter anderem die Telekom und die "Neuen deutschen Medienmacher". Gleichzeitig sollen die Inhalte in sozialen Netzwerken verbreitet werden. Dort werden dann auch Geflüchtete die Fragen von anderen Geflüchteten beantworten können.
Medienangebote für Geflüchtete:
Der WDR bietet mit WDRforYou eine mehrsprachige Internet-Plattform mit Informationen, Berichten und Unterhaltungssendungen auf Arabisch, Persisch, Deutsch und Englisch.
News for Refugees des SWR sendet online Nachrichten und Informations-Videos auf Arabisch, Dari, Englisch und Deutsch.
Guide for Refugees ist ein Multimediaportal der Deutschen Welle mit Tipps, Informationen und Nachrichten auf Deutsch, Arabisch, Dari, Pashtu, Urdu und Englisch.
ZDFarabic/ZDFenglish veröffentlicht unter anderem Nachrichten mit arabischen und englischen Untertiteln. Auch die tägliche Kinder-Nachrichtensendung "logo!" wird untertitelt.
Guide for Refugees der ARD stellt online eine Übersicht zu Informationen und Medienangeboten auf Englisch, Deutsch und Arabisch bereit.
Das Refugee-Radio vom WDR-Radiosender Funkhaus Europa sendet täglich Informationen und Services auf Englisch und Arabisch.
Refugees Radio Network (RRN) ist die erste Radiostation von und für Geflüchtete. Auf festen Sendeplätzen verschiedener Radioanbieter soll Migranten Gehör verschafft werden.
"Marhaba TV" von n-tv erklärt auf Arabisch Aspekte des Lebens in Deutschland.
Die 13-teilige Sitcom "Sams Ankunft" von SWR/WDR/SF und Planet-Schule soll Geflüchteten beim Deutsch-Lernen helfen.
Im Video-Podcast "Wegweiser für Flüchtlinge" des Bayerischen Rundfunks gibt der Journalist Henry Lei Alltagstipps auf Deutsch und Englisch.
Yallah Deutschland bietet eine arabisch-deutsche Video-Plattform. Das Projekt von "Krautreporter" wurde von Journalisten verschiedener Herkunft gestaltet.
Die Telekom-Seite "Willkommen in Deutschland" stellt Informationen für Geflüchtete in acht Sprachen zur Verfügung.
StudioBassel ist ein Video-Podcast des journalistischen Projekts "The Mig Post" und dem Recherchezentrum CORRECTIV. Der syrische Journalist Bassel Alhamdo gibt in 20 Videos Tipps zum Leben in Deutschland.
Von Milena Jovanovic
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