Seit der letzten Bundestagswahl ist die Bevölkerung in Deutschland um rund zwei Millionen Menschen gewachsen. Aber die Zahl der Wahlberechtigten ist in derselben Zeit um etwa 400.000 gesunken. Das liegt unter anderem daran, dass viele Menschen eingewandert sind, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben und daher nicht wählen dürfen. Ein weiterer Grund: In Deutschland werden vergleichsweise wenig Menschen eingebürgert. Fast acht Millionen Erwachsene sind von der Bundestagswahl ausgeschlossen, weil sie eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen.
„Wenig Einbürgerungen sind ein Problem für die Demokratie“, so Dietrich Thränhardt, Migrationsforscher an der Universität Münster. Ziel der Politik müsse sein, „dass Bevölkerung und Staatsvolk weitgehend zur Deckung kommen“.
Wie viele Menschen eingebürgert werden, unterscheide sich stark von Bundesland zu Bundesland. Hamburg bürgere anteilig am meisten Menschen ein, Berlin und Bayern am wenigsten, stellte Thränhardt in einer Untersuchung fest. Er sieht zwei ausschlaggebende Faktoren: Es brauche den politischen Willen und eine gut funktionierende Verwaltung, die Anträge auf Einbürgerungen schnell bearbeitet. Andere Länder seien da weiter als Deutschland. So bürgere Schweden – gemessen an der Zahl der Ausländer im Land – vier Mal so viele Menschen ein.
Hohe Anforderungen für Einbürgerungen
Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten möchte, muss in der Regel bereits seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland leben, seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten, Deutschkenntnisse auf mittlerem Niveau nachweisen und seine alte Staatsbürgerschaft ablegen. Außerdem ist die Einbürgerungsgebühr zu entrichten. Das seien für bestimmte Gruppen teilweise unrealistisch hohe Anforderungen, sagte Falk Lämmermann, Einbürgerungsexperte von der Landesvertretung Rheinland-Pfalz. "Das Einbürgerungsrecht ist völlig veraltet und dringend überarbeitungsbedürftig“, so Lämmermann.
Etwa 3,3 Millionen Menschen lebten nun schon 20 Jahre und mehr in Deutschland, ohne die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben. Besonders für Migranten der ersten Generation seien die Anforderungen für die Einbürgerung oft kaum zu erfüllen. „Für sie ist eine Altfallregelung dringend notwendig“, so Lämmermann. Außerdem müssten die Behörden personell besser ausgestattet werden. „Es ist fast zynisch, wenn man zur Einbürgerung auffordert und die Möglichkeiten in den Behörden dann aber nicht zur Verfügung stellt“, sagte Lämmermann. Er kritisierte außerdem, dass das Bundesministerium des Innern die Ermessensspielräume der Behörden, mehr Menschen einzubürgern, ohne Not einschränke. „Wir sehen Zugewanderte immer noch zu wenig als Staatsbürger in spe“, betonte der Experte.
Einbürgerungen können sich positiv auf die Teilhabe der Menschen auswirken, sagte die Volkswirtin Swantje Falcke von der Universität Maastricht. Sie gehört zu einem Forscherteam, das die Situation in acht Ländern untersucht. Ihr Fazit: „Je schneller Migranten eingebürgert werden, desto stärker wirkt sich das auf die Integration aus“, so Falcke.
Von Felix Böhmer
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