Am 28. Mai hat die Bundeskanzlerin zum sechsten Integrationsgipfel geladen, mit Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen, Medien, Wirtschaft, Kultur, Religionsgemeinschaften und Migrantenorganisationen. Ein Jahr zuvor wurde in diesem Kreis der Nationale Aktionsplan Integration vorgestellt, der zum ersten Mal auch quantitative Zielvorgaben beinhaltet. Doch der angekündigte und erwartete Zwischenbericht fiel aus, weil noch nicht genügend Material vorläge, wie die Gastgeberin Angela Merkel zu Beginn erklärt. Die ersten Ergebnisse sollen 2014 veröffentlicht werden, beim nächsten Gipfel.
Stattdessen wurden andere Zahlen präsentiert.
Im Mittelpunkt des Gipfels stand das Thema Integration in den Arbeitsmarkt. Zu Bildungserfolgen wurden positive Bilanzen vermeldet: Der Anteil von Jugendlichen aus Einwandererfamilien, die einen mittleren Schulabschluss erreichten, sei um fünf Prozent gestiegen. Ihr Anteil unter den Abiturienten stieg demnach zwischen 2005 und 2011 um 53 Prozent, während die Quote der Schüler ohne Schulabschluss gesunken ist.
Auch beim Arbeitsmarkt seien positive Tendenzen zu verzeichnen: Die Erwerbslosenquote unter Nichtdeutschen ist offenbar von 18,1 Prozent im Jahr 2005 auf 9,6 Prozent in 2011 gesunken. Gleichzeitig ist die Zahl der Unternehmen gestiegen, die von Einwanderern geleitet werden und Arbeitsplätze schaffen: Schätzungen zufolge arbeitet jeder 20. Erwerbstätige in Deutschland in einem dieser Unternehmen.
In der Berichterstattung zum Integrationsgipfel wurden diese Zahlen jedoch nur selten aufgegriffen. Vorrangig ging es um Versäumnisse in der Integrationspolitik und vernachlässigte Themen, wie etwa Diskriminierung und Rassismus.
Zahlenwirrwarr zum öffentlichen Dienst
Zahlreiche Kommentare zum Thema Arbeitsmarkt machen deutlich, wie unübersichtlich die Datenlage zum Thema Integration inzwischen geworden ist. Zur Erinnerung: Es gibt unter anderem
- den Lagebericht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung,
- die Integrations-Indikatorenberichte der Bundesregierung sowie der Länder,
- den Indikatoren-Bericht und weitere Studien der OECD,
- das Jahresgutachten und andere Untersuchungen des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration
- und laufend aktuelle Studien von Stiftungen und verschiedenen Ministerien auf Bundes- und Länderebene.
Die Daten beruhen zwar meist auf der Auswertung des Mikrozensus. Allerdings kann es durch unterschiedliche Bezugswerte oder die Betrachtung von Teilgruppen (nach Alter, Herkunft, Wohnsitz, etc.) zu unterschiedlichen Aussagen kommen. Ein Beispiel dafür war nun der Umgang mit den Daten zu Migranten im öffentlichen Dienst.
Die Nachrichtenagentur AFP vermeldete am Tag des Integrationsgipfels, dass Deutschland bei der Öffnung des öffentlichen Dienstes für Menschen aus Einwandererfamilien "den Schlussplatz der OECD-Länder" einnehme, so der Migrationsexperte der OECD, Thomas Liebig, im Interview. Auf Nachfrage des Mediendienstes nennt er als Quelle dafür Kapitel 7.6 im kürzlich vorgestellten Indikatoren-Bericht der OECD zum Thema Integration.
Wer sich wundert, warum die Meldungen in den vergangenen Jahren eher positiv dazu ausfielen, muss genau hinblicken: Die Daten im OECD-Bericht sind von 2008 und nehmen eine bestimmte Altersgruppe der statistisch erfassten Menschen mit Migrationshintergrund in den Blick. Zudem beziehen sie sich nicht auf den "klassischen" öffentlichen Dienst, also Beamte und Angestellte in Ämtern, Behörden und Schulen, sondern auf den "öffentlichen Sektor", zu dem auch der Gesundheitsbereich und Sozialdienste zählen. In der von Liebig genannten Tabelle kommt Deutschland auf einen Wert von 14 Prozent und liegt damit im Mittelfeld (OECD-Druchschnitt 17 Prozent). Schlusslicht wird Deutschland laut den Daten dann, wenn man die Die Differenz der Quote zwischen Beschäftigten mit und ohne Migrationshintergrund berechnet.
Die Nachrichtenagentur epd hat aus der Diskussion zum öffentlichen Dienst eine Tendenz abgeleitet, die einer Daten-Grundlage entbehrt und dennoch von vereinzelten Medien aufgegriffen wurde. Hier heißt es in einer Meldung vom 28. Mai: "Unzufrieden zeigte sich die Kanzlerin mit dem Anteil von Migranten im öffentlichen Dienst. Er war in den vergangenen Jahren zurückgegangen statt gestiegen."
Tatsächlich gibt es keine bundesweite Erfassung der Anzahl der Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, da dies aus Gründen des Datenschutzes bestenfalls durch freiwillige Angaben in Umfragen erhoben werden kann. Doch dieses Instrument wurde bislang kaum genutzt.
10 Prozent im öffentlichen Dienst mit Migrationshintergrund
Auf Grundlage des Mikrozensus bilanziert die Bundesregierung in ihrem zweiten Indikatorenbericht jedoch auf Seite 133 einen Anstieg von 2005 bis 2010: Hier ist der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst (weitgehend ohne den Sozial,- Gesundheits- und Bildungsbereich) von 9,3 auf 9,9 Prozent leicht gestiegen.
Allerdings handelt es sich dabei vor allem um Angestellte mit einem Nettoeinkommen, das unter 1.000 Euro liegt. Mit 6,3 Prozent ist der Anteil der Mitarbeiter im höheren Dienst mit einem Nettoeinkommen von 2.000 Euro deutlich geringer.
Fazit:
1. Unterschiedliche Untersuchungen zum selben Thema können zu unterschiedlichen Aussagen führen. Es gilt die Datenbasis (genau) zu beachten.
2. Der Anteil der Mitarbeiter mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst ist in den letzten Jahren nicht gesunken, im Gegenteil: Er ist leicht gestiegen.
Auch die Betrachtung der unterschiedlichen Zahlen unterstreicht am Ende die Aussage des OECD-Experten: Der Staat muss als Arbeitgeber noch erhebliche Anstrengungen vornehmen, bis der Anteil seiner Mitarbeiter mit Migrationshintergrund dem Durchschnitt in der Bevölkerung von rund 20 Prozent entspricht. In ihrer Rede beim Integrationsgipfel nannte Merkel nun sogar indirekt eine Zielmarke: "Wir werden Integration und Partizipation nur dann erreichen, wenn auch im öffentlichen Dienst die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund ihrem Anteil in der Bevölkerung insgesamt entspricht."
Von Ferda Ataman
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