Die Covid-19-Pandemie hat in Deutschland zu einer Übersterblichkeit geführt, wie das Statistische Bundesamt kürzlich bekannt gegeben hat. Besonders betroffen waren vor allem ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen.
Auch Eingewanderte und "rassifizierte" Menschen sind offenbar überdurchschnittlich oft an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Das hat ein Forscher*innen-Team der Universitäten Freiburg, Frankfurt und Berlin anhand der jährlichen Daten zu Todesfällen in Deutschland und in der Schweiz festgestellt.
Link zur Studie zum Download ⇒ Rassismus der Pandemie: Unterschiedliche Sterberaten im Zusammenhang mit Covid-19
Weder in der Schweiz noch in Deutschland werden Daten erhoben zum Migrationshintergrund oder zur Zugehörigkeit zu einer Minderheit von Gestorbenen. Eine Analyse der vorhandenen Daten über die Nationalität der Gestorbenen zeigt jedoch: Der Anteil von ausländischen Staatsangehörigen an allen Todesfällen ist im Laufe der Pandemie deutlich gestiegen. Im laufenden Jahr 2021 sind allein zwischen Januar und August über 4.500 ausländische Staatsangehörige mehr gestorben als im gleichen Zeitraum 2019, dem Jahr vor der Pandemie, so die Autor*innen.
Das ist umso überraschender, denn ausländische Staatsangehörige sind im Durchschnitt jünger als Einheimische. COVID-19 führt bekanntermaßen vor allem zu höheren Todesraten bei älteren Personen. Wenn viele ältere Menschen sterben, wäre also zu erwarten, dass der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an allen Todesfällen sinkt. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Die Übersterblichkeit aufgrund der Covid-19-Pandemie betrifft vor allem ältere Menschen – sowohl mit als auch ohne deutschen Pass. Bei ausländischen Menschen gibt es aber eine Besonderheit: Bei ihnen stieg die Übersterblichkeit auch stärker in jüngeren Altersgruppen als bei Einheimischen – so etwa in der Gruppe zwischen 45 und 64 Jahren.
Ergebnisse für die Schweiz: Ausländische Einwohner*innen in der Schweiz bekamen offenbar früher als Inländer*innen die Folgen der Pandemie zu spüren. Die Statistik zeigt: 2020 fing der Anteil von ausländischen Staatsbürger*innen unter den Todesfällen schon an zu steigen, bevor die erste Übersterblichkeit-"Welle" die Gesamtbevölkerung erreicht hat.
Die Rolle von Rassismus und struktureller Diskriminierung
Als Gründe für die erhöhte Übersterblichkeit nennen die Autor*innen die Lebensbedingungen bei vielen Eingewanderten: Ihre Wohn- und Arbeitsverhältnissen seien im Durchschnitt schlechter als bei Inländer*innen. Außerdem hätten sie einen eingeschränkten Zugang zu gesunder Ernährung, Bewegung und Erholung. Sie würden zudem öfter in systemrelevanten Berufen arbeiten – ohne die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten – und seien häufiger auf öffentliche Transportmittel angewiesen, in denen die Ansteckungsgefahr besonders hoch ist.
Ein weiterer Faktor könnte mit Diskriminierung zu tun haben. Schon zu Beginn der Pandemie wurde erkannt, dass Personen mit spezifischen Vorerkrankungen und hohem Lebensalter besondere Schutzbedarfe haben, schreiben die Autor*innen. Darauf haben die Regierungen in Deutschland und in der Schweiz mit entsprechenden Maßnahmen reagiert. Hingegen habe die Politik die erhöhten Infektions- und Sterbezahlen von Eingewanderten und rassifizierten Menschen völlig unzureichend beachtet.
Von Fabio Ghelli
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