Diese Woche berät der Bundestag abschließend über die "erweiterte DNA-Analyse". Wie funktioniert die neue Technik? Und welche Risiken bringt ihr Einsatz? Der MEDIENDIENST beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Welche Gesetzesänderungen sind geplant?
Künftig sollen DNA-Proben auf die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter eines möglichen Täters hin untersucht werden können. Bislang wurde nur das Geschlecht ermittelt. Die Polizei könnte auf dieser Grundlage nach Tatverdächtigen mit einer bestimmten Haut- oder Augenfarbe fahnden. Sie könnte außerdem einen Massengentest an Männern mit einem bestimmten Aussehen anordnen. Nicht untersuchen darf sie weiterhin die "bio-geographische" Herkunft, also ob ein Täter zum Beispiel genetisch aus Asien oder Mitteleuropa stammt. Quelle
Die neue Regelung erlaubt die erweiterte DNA-Analyse für ganz Deutschland. In Bayern ist sie bereits seit 2018 erlaubt, nachdem das dortige Polizeigesetz geändert wurde. Auch die vermeintliche bio-geografische Herkunft eines Täters kann in Bayern aus DNA-Spuren ermittelt werden.
Was ändert sich für die Polizeiarbeit?
Bislang wurden DNA-Spuren von Tatorten nur mit der DNA-Datenbank des Bundeskriminalamts abgeglichen. So wurde geklärt, ob die Spur von einer Person stammt, die bereits in der Datenbank erfasst ist. Dieser "genetische Fingerabdruck" gilt als sehr treffsicher. Die erweiterte DNA-Analyse ist weniger zuverlässig. Laut Angaben von Forensikern lassen sich etwa blaue oder dunkelbraune Augen mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 bis 98 Prozent vorhersagen. Bei blonden Haaren zum Beispiel jedoch nur mit 70 Prozent.Quelle
Kritische Fachleute sagen, dass die Werte unter Umständen noch geringer sein könnten. Je niedriger die Trefferquote, desto eher kann es passieren, dass die Polizei fälschlicherweise nach einem Täter mit einem bestimmten Merkmal sucht.Quelle
Wieso könnte das zu Diskriminierung führen?
Zum einen wird befürchtet, dass die Polizei bei Fahndungen nur dann die Ergebnisse einer DNA-Analyse öffentlich macht, wenn das Ergebnis auf Menschen mit Merkmalen einer Minderheit hinweist. Das könne die Stigmatisierung gesellschaftlicher Gruppen verstärken. Bei Merkmalen von Personen der Mehrheitsbevölkerung würden diese erfahrungsgemäß nicht in Fahndungen verwendet.
Außerdem könnte die Ausweitung der Technik polizeiliche Ermittlungen beeinträchtigen. Rassistische Zuschreibungen könnten in Ermittlungen dazu führen, dass die eigentlichen Täter unerkannt bleiben. Der Zentralrat der Sinti und Roma sieht in der Ausweitung der DNA-Analyse "ein neues Tool für Racial Profiling".
Wie sehen das Fachleute?
Isabelle Bartram, Molekularbiologin und Mitarbeiterin im "Gen-ethischen Netzwerk"
Gefahr eines Pauschalverdachts
"Von nun an darf die Polizei auf Grundlage von DNA-Analysen nach Tätern mit einer bestimmten Haut- oder Haarfarbe suchen. Wir sehen darin die Gefahr eines Pauschalverdachts gegen bestimmte Gruppen. Positiv ist nur, dass die vermeintliche bio-geografische Herkunft von Tätern weiterhin nicht in DNA-Analysen untersucht werden darf."
Anja Reuss, politische Referentin beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Ein neues Tool für Racial Profiling
"Wir sehen darin ein neues Tool für Racial Profiling. Die Ermittlungsbehörden stützen sich nur dann auf die Ergebnisse einer erweiterten DNA-Analyse wenn sie auf Menschen mit Minderheitenmerkmale hindeuten. Wenn das nicht der Fall ist, wird dieser Ermittlungsansatz meist nicht weiter verfolgt. Die Ergebnisse solcher Analysen sind nicht nur hochgradig fehleranfällig, sondern sie haben auch im Ausland noch nie zur Ergreifung eines Täters beigetragen."
Prof. Veronika Lipphardt von der Universität Freiburg
Unsichere Ergebnisse können Ermittlungen in die Irre führen
"Die Gefahr ist groß, dass Minderheiten erst durch die DNA-Analyse in den Fokus polizeilicher Ermittlungen geraten. Ein Beispiel: Wenn einem Täter mit 70 Prozent Wahrscheinlichkeit eine dunkle Hautfarbe zugeschrieben wird, ist das ein sehr unsicheres Ergebnis. Aber wenn so ein Ergebnis öffentlich wird, kann das polizeiliche Ermittlungen und öffentliche Debatten schnell in die Irre führen."
Befürworter argumentieren hingegen, dass die erweiterte DNA-Analyse auch Minderheiten entlasten könne:
Prof. Jens Schneider, Molekulargenetiker an der Universität Köln
Technik könnte auch entlasten
"Dass die bio-geografische Herkunft nicht untersucht werden darf, ist aus wissenschaftlicher Sicht unbefriedigend. Das hätte geholfen, belastbarere informativere und besser abgesicherte Aussagen zu einem unbekannten Täter treffen zu können. Und es kann auch Minderheiten entlasten, wenn feststeht, dass der Täter aus Mitteleuropa kommt."
Einig sind sich die meisten Fachleute darin, dass Kontrollinstanzen eingerichtet werden sollten. Laut Gesetzentwurf entscheiden Polizei und Landeskriminalämter in Zukunft selbst, wann sie die Technik einsetzen. Fachleute fordern, dass ein Richter entscheiden sollte.Quelle
Von Carsten Janke
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