Mediendienst Integration: Was bedeutet Diversity für Sie?
Deanne Matzanke: Dabei geht es nicht nur um Merkmale wie Geschlecht, Herkunft, Fähigkeiten oder Behinderung. Diversity bezieht sich auf all das, was einen Menschen mit einer bestimmten Persönlichkeit besonders macht. Was zählt, ist also der einzigartige Beitrag, den jede Person an den Arbeitsplatz mitbringt. Je mehr vielfältige Perspektiven man zusammenbringen kann, desto mehr Potenzial gibt es für Kreativität und Innovation.
Die Scotiabank hat eine globale Diversity- und Inklusions-Strategie eingeführt, mit der sie sich international hervorgetan hat. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Wir sind Kanadas internationalste Bank. Unsere globale Präsenz und die vielfältigen, multikulturellen Communities in Kanada sind treibende Faktoren. Allein auf meiner Etage werden mehr als 20 verschiedene Länder repräsentiert. Das zu ignorieren, würde einfach keinen Sinn für das Unternehmen machen. Viele Manager sind aber von ihrer täglichen Arbeit so eingenommen, dass sie keine Zeit haben, über das große Ganze nachzudenken.
Wie setzen Sie die Strategie in Ihrer Bank um?
Die Beschäftigung mit Diversity muss eine Geschäftsstrategie sein. Die komplette Ausbildung neuer Manager ist durchdrungen von Vielfältigkeits-Botschaften. Dazu gehört, offen zu sein, zu verstehen, dass man selbst ein kulturelles Denkmuster hat, durch das man die Dinge sieht. Der Diversity-Ansatz lehrt Menschen, wie man zuhören und richtig Feedback geben kann. Und wie man Mitarbeiter zur Beteiligung ermutigen kann, die sich sonst vielleicht als Außenseiter fühlen würden. Außerdem zeigt er, wie man als Chef Inklusion fördern kann, also einen Arbeitsplatz schafft, an dem alle Arbeitnehmer sich zugehörig fühlen.
In Deutschland sprechen viele Firmen lieber über „Diversity Management“ als über Anti-Diskriminierung. Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen damit um?
Diskriminierung ist ein wichtiges Thema. Wir alle sind Menschen und haben Vorurteile, viele Studien bestätigen das. Wenn man die eigenen Denkmuster nicht reflektiert, könnte es dazu führen, andere unwillentlich zu diskriminieren. Ein Arbeitsplatz ist dann nicht-diskriminierend, wenn die Angestellten ihre Vorurteile kennen und sich aktiv den Außenseitern des Unternehmens zuwenden und sie ermuntern, ihre Ideen einzubringen. Nur wenn man offen ist und unterschiedliche, vielfältige Meinungen hört, kann man zum besten Geschäftserfolg beitragen.
Kann Vielfalt nicht auch zu Konflikten führen?
Ja, durchaus. Konfliktlösung zählt deshalb zu den Schlüsselkompetenzen unserer Chefs und Personalmanager. Dabei geht es nicht darum, welche Rechte eine Person hat, weil sie zum Beispiel eine Frau ist oder einen Migrationshintergrund hat, sondern wie man eine Lösung finden kann, die im allgemeinen Interesse liegt.
Was ist der konkrete Nutzen für ein Unternehmen wie Ihres?
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen unserer Diversity-Strategie und den Einstellungen, die unsere Angestellten mit zur Arbeit bringen. Wir befragen unsere Mitarbeiter jedes Jahr zu ihrer Haltung zur Arbeit und zur Firma. Die Ergebnisse zeigen, dass beides in der Regel sehr gut ist. Es ist klar, dass diese Faktoren, wenn sie gut gemanagt werden, wirtschaftlich sinnvoll sind, Kunden binden und so zu höheren Gewinnen führen.
Gibt es auch Zahlen, die den Einfluss von Diversity auf den Geschäftserfolg belegen?
Es gibt zum Beispiel eine Studie über Banken in Asien, in der die Repräsentation von Frauen in Vorständen und im Management in Beziehung zum Netto-Gewinn gesetzt wird. Vorstände, die eine bestimmte Anzahl von Frauen enthalten, machen jährlich exponentiell mehr Gewinn als die Vorstände ohne diese kritische Anzahl an Frauen. Und diese Ergebnisse beschreiben gerade mal Geschlechtervielfalt.
Warum haben sich Diversity-Strategien dann nicht längst flächendeckend durchgesetzt?
Die Herausforderung ist natürlich, Unternehmen dazu zu bekommen, das Potenzial in aktiven Diversity-Strategien zu erkennen. Inklusion passiert nicht einfach so, sie muss aufgebaut werden. Das ist ein Prozess, der eine Funktion hat. Ich glaube dennoch, dass es heute einen fruchtbareren Boden dafür gibt, als vielleicht vor zwanzig Jahren und dass es möglich ist, bei diesem Thema schneller voranzuschreiten.
Ein wichtiger Bestandteil der Diversity- und Inklusions-Strategie Ihrer Bank ist ein Mentoring-Programm. Was steckt dahinter?
Wir bringen Mentoren, die unsere Angestellten sind, mit sogenannten „Mentees“ zusammen. Das sind qualifizierte Fachkräfte, die seit weniger als drei Jahren im Land sind und von den Mentoren betreut werden. Nach einer Einführung zu den Inhalten und Erwartungen verabreden sie Treffen und besprechen die konkreten Bedürfnisse des Mentees. Das kann Hilfe beim Verfassen des Lebenslaufs sein oder auch Übungs-Bewerbungsgespräche. Nach vier Monaten endet die offizielle Beziehung. Doch die meisten bleiben weiter in Kontakt.
Und was kommt dabei für beide Seiten heraus?
75 Prozent der Mentees finden nach diesem viermonatigen Mentoren-Programm einen Job in ihrem Beruf oder ähnlichen Bereichen. Und die Mentoren kommen mit interkulturellen Kompetenzen zurück an den Arbeitsplatz. Die hätten sie sonst nur über eine Zeitspanne von vier bis sechs Monaten in einem anderen Land erwerben können. Von den mehr als 500 Mentees, die bei Scotiabank betreut wurden, haben wir über 50 als Vollzeit- oder Teilzeit-Arbeitnehmer eingestellt. Und viele ehemalige Mentees werden später selbst Mentoren, weil sie etwas zurückgeben wollen.
Deanna Matzanke ist seit 2007 Direktorin für internationale Personalgewinnungs-Strategien in der "Globalen Personalmanagment- und Kommunikations-Abteilung" der Scotiabank in Toronto mit über 83.000 Angestellten. Zuvor arbeitete sie dort als Justitiarin in der Arbeitsrechts-Abteilung. Die Scotiabank ist die drittgrößte Bank Kanadas, in weltweit mehr als 55 Ländern aktiv und hat mehrere Preise für ihre Diversity-Strategie erhalten.
Interview: Das Gespräch führten Mitarbeiterinnen vom Mediendienst Integration und dem German Marshall Fund.
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