2012 wurden in Deutschland rund 112.300 Menschen eingebürgert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren das 5.400 Neudeutsche mehr als ein Jahr zuvor, ein plus von fünf Prozent. "Damit setzte sich die Entwicklung der letzten Jahre fort", so das Statistikamt. Seit der Einführung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 war die Zahl der Einbürgerungen zunächst zurückgegangen: Von 186.700 im Jahr 2000 auf 94.500 im Jahr 2008. Nach einem deutlichen Einbruch im Jahr 2008 steigen die Zahlen wieder kontinuierlich an.
Im selben Jahr, am 1. September 2008, hat die große Koalition einen bundesweit einheitlichen Einbürgerungstest eingeführt. Seither müssen Einbürgerungswillige 33 Fragen beantworten, davon mindestens 17 richtig.
Das Einbürgerungsverfahren ist in Deutschland eigentlich Sache der Bundesländer und wurde ausführlich in der Innenministerkonferenz debattiert. Die Innenminister der CDU-geführten Länder hatten bereits 2006 einen einheitlichen Einbürgerungstest gefordert, die Sozialdemokraten lehnten dies jedoch ab. 2007 kam es zu einer Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG), die die Grundlage für den späteren einheitlichen Test darstellt. Es geht um StAG,Paragraf 10. NebenSprachkenntnissen wurde nun auch der Nachweis staatsbürgerlicher Kenntnisse als neue Einbürgerungsvoraussetzung verlangt.
Den letzten Schritt für den einheitlichen Test unternahm schließlich 2008 der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der ihn perVerordnung durchgesetzt hat, ohne parlamentarische Zustimmung. Dies wurde von den mitregierenden Sozialdemokraten sowie Grünen und Linken kritisiert, doch am Ende billigte das schwarz-rote Bundeskabinett im Juli 2008 den Test. Nach Bekanntwerden der 310 Fragen, von denen einige irreführend oder nicht beantwortbar waren, folgte ebenfalls Kritik.
Vor der bundesweiten Einführung der Tests gab es neben der politischen auch eine lautstarke öffentliche Debatte. Baden-Württemberg hatte bereits im Januar 2006 einen eigenen Gesprächsleitfaden für das Einbürgerungsverfahren eingeführt, den sogenannten "Muslim-Test". Migrantenorganisationen protestierten dagegen, weil er sicherheitspolitisch orientiert war und Gesinnungsfragen beinhaltete. Auch Hessen stellte im März 2006 einen ähnlich umstrittenen Fragenkatalog vor. Baden-Württemberg hat seinen Gesprächsleitfaden vor Kurzem abgeschafft.
Fünf Jahre nach Einführung des Einbürgerungstests hat sich die Debatte beruhigt. Ein Grund dafür dürfte sein, dass über 98 Prozent der Teilnehmer den Test seit seiner Einführungbestehen. Manche Bundesländer bieten Vorberereitungskurse an und unterstützen die Einbürgerungswilligen beim Prozess.
Experte: Test ist "eigentlich überflüssig"
Trotzdem üben Migrationsexperten weiter Kritik am Einbürgerungstest. Der Test bleibe eine Hürde auf dem Weg zu mehr Einbürgerungen und mache das Verfahren komplizierter und langsamer, sagt etwa Politikwissenschaftler Dietrich Thränhardt. "Die Einführung hat zunächst zu einem Einbruch bei den Einbürgerungen geführt. Das ist besonders bedauerlich, weil Deutschland nach wie vor zu den Ländern mit den niedrigsten Einbürgerungsquoten innerhalb der Europäischen Union gehört." Eine noch wichtigere Hürde sei aber der Zwang zur Aufgabe der alten Staatsangehörigkeit im Staatsangehörigkeitsgesetz. "Wer mehr Einbürgerungen will, der muss die Mehrstaatigkeit zulassen", so Thränhardt.
Bislang wird dasEinbürgerungspotenzial jedenfalls nur unzureichend ausgeschöpft. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schätzte im Jahr 2012, dass das Einbürgerungspotenzial bei über fünf Millionen Menschen liegt. Diese Zahl ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass rund 5.500.000 Einwanderer ohne deutsche Staatsbürgerschaft bereits länger als sechs Jahre in Deutschland leben.
Thränhardt kritisiert zudem, dass es "keine Studien über die Sinnhaftigkeit des Einbürgerungstests und auch keine Optimierungsanalysen gibt. Es sind immerhin eine Reihe von Fehlern bei den Fragestellungen behoben worden, die es anfänglich gab." Thränhardt hält den Test für "eigentlich überflüssig". Zwar könnte man dem Test zugute halten, dass er "bei den Kandidaten zu einer Beschäftigung mit dem politischen System führt und dass er eine staatsbürgerliche Dimension in das Verfahren bringt. Doch das ließe sich auch anders erreichen, auf eine weniger abschreckende Weise."
Auf Hindernisse auf dem Weg zur Einbürgerung weist auch die Juristin Astrid Wallrabenstein von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hin: Etwa auf die mit der Einbürgerung verbundenen Verwaltungsgebühren sowie Informationsdefizite. So werden die Kosten der Einbürgerung laut einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von den Betroffenen überwiegend als hoch beurteilt. DieGesamtkosten der Einbürgerung liegen pro Person im Durchschnitt bei 500 Euro, Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien kann der deutsche Pass aber bis zu 2.000 Euro kosten. Zudem wissen rund 20 Prozent der Nicht-Eingebürgerten nicht, wo man sich über Einbürgerung informieren kann. Mit den praktischen Hindernissen im Einbürgerungsverfahren befasst sich auch eine Kurzstudie des EUDO Citizenship Network.
Torsten Jäger, Geschäftsführer des Interkulturellen Rates, schätzt das ähnlich ein: "Der Test gehört neben Sprachanforderungen und Erklärungen zur Verfassungstreue zu den diversen Stöckchen und Steinchen, die auf den Weg zur Einbürgerung gelegt werden." Und er sieht ein weiteres Problem: "Den Menschen, die sich einbürgern lassen könnten, wird nur selten ein Gefühl der Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft vermittelt."
Die Ergebnisse einer kürzlich vorgestellten Untersuchung unterstreichen das. Das baden-württembergische Ministerium für Integration hat für die Studie „Der Weg zum Pass“ 1.000 Eingebürgerte befragt, die 2012 den deutschen Pass erhalten haben. Daraus geht hervor, dass die Befragten einen feierlichen Rahmen für die Übergabe der Einbürgerungsurkunden zu schätzen wissen. Zudem erklärten 40 Prozent, dass sie sich weiterhin zwischen den Nationalitäten hin- und hergerissen fühlen und dass der deutsche Pass nichts daran ändere, dass sie als Ausländer angesehen würden. Gleichzeitig gaben die meisten Befragten als Motivation für ihre Einbürgerung an, dass ihr Lebensmittelpunkt Deutschland sei (95 Prozent) und dass sie sich hier zugehörig fühlen (83 Prozent).
Der Bundesrat forderte zuletzt in einer Entschließung vom 5. Juli 2013 eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, die zu mehr Einbürgerungen führen soll.
Von Hans-Hermann Kotte
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