Wie ist die Polizei auf die Einwanderungsgesellschaft eingestellt? Der MEDIENDIENST INTEGRATION hat Journalisten zu einem Pressegespräch in Hamburg eingeladen, um diese Frage mit Experten zu diskutieren. Bei der Veranstaltung stellte der MEDIENDIENST die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage vor. Sie zeigt: Bei der Polizei arbeiten nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund. Viele Bundesländer sind jedoch bemüht, mehr Mitarbeiter aus Einwandererfamilien für den Polizeidienst zu gewinnen.
In Hamburg etwa versucht die Polizei, mit Werbekampagnen und mehrsprachigen Info-Broschüren mögliche Bewerber mit Migrationshintergrund anzusprechen. Bei der letzten Erhebung im Jahr 2014 hatten gut zehn Prozent der Hamburger Polizisten einen Migrationshintergrund, erklärte Björn Wichmann, Leiter der Einstellungsstelle der Polizei Hamburg. Das seien deutlich mehr als in den Jahren zuvor, aber noch nicht genug. „Unsere Zielmarke liegt bei 20 Prozent.“ In Hamburg lebten viele Menschen aus Einwandererfamilien. Diese Vielfalt müsse sich auch in der Belegschaft der Polizei widerspiegeln.
"Von interkultureller Öffnung kann nicht die Rede sein"
Der Polizeiforscher Rafael Behr von der „Akademie der Polizei Hamburg“ zeigte sich skeptischer. Zwar gebe es heute deutlich mehr Beamte mit Migrationshintergrund als noch vor 20 Jahren. Von einer interkulturellen Öffnung könne jedoch nicht die Rede sein. „Einwanderer und ihre Nachkommen werden nur dann in die Polizei aufgenommen und als gute Kollegen anerkannt, wenn sie die traditionellen Gepflogenheiten und das Selbstverständnis der Behörden nicht in Frage stellen – wenn sie sich also den bestehenden Strukturen anpassen.“ Dass es heute mehr Polizisten mit Migrationshintergrund gebe, deute daher weniger auf die tatsächliche Öffnung der Behörden hin als vielmehr auf die Anpassungsfähigkeit der neuen Beamten.
Der Polizeiforscher warnte auch vor zu hohen Erwartungen: „Wenn ein Polizist türkische Wurzeln hat, heißt das nicht zwangsläufig, dass er sich bei Einsätzen professioneller verhält oder Konflikte innerhalb der türkischen Community besser schlichten kann." Für eine erfolgreiche Polizeiarbeit sei nicht allein die Herkunft der Mitarbeiter entscheidend. Wichtiger seien die Qualifikationen, die Polizeianwärter mitbringen. Dazu gehörten nicht nur Fremdsprachen und kulturelles Wissen, sondern auch soziale Kompetenzen wie Empathie. „Diese Qualifikationen müssen in Zukunft systematisch erfasst und stärker gefördert werden“, forderte Behr.
„Die Polizei braucht mehr Transparenz“
Auch Daniela Hunold von der „Deutschen Hochschule der Polizei“ betonte den Stellenwert sozialer Kompetenzen: „Wenn Polizisten gute Arbeit machen möchten, müssen sie Vertrauen schaffen, also den Kontakt zur Bevölkerung pflegen.“ Das gelte nicht nur, aber auch für Viertel, in denen viele Einwanderer leben. Deutschland sei hier im internationalen Vergleich gut aufgestellt: „Studien zeigen, dass Jugendliche ein vergleichsweise hohes Vertrauen in die Polizei haben – egal, welcher Herkunft sie sind“, so Hunold.
Positiv sei auch, dass einige Bundesländer interkulturelle Kompetenz als festen Bestandteil in die Polizeiausbildung aufgenommen haben. Bundesweit einheitliche Standards gebe es hierfür jedoch nicht. Laut Hunold kann das negative Auswirkungen auf die Polizeiarbeit haben: „Polizisten sind in interkulturellen Kontexten Unsicherheiten und Irritationen ausgesetzt, die zu Konflikten führen können.“ Schulungen zum Umgang mit Vielfalt seien daher wichtig – auch mit Blick auf die jüngste Zuwanderung von Flüchtlingen aus Ländern, zu denen Polizisten zuvor nur wenig Kontakt hatten.
Ein weiteres Problem sieht die Kriminologin in der fehlenden Transparenz der Polizei: "Die Debatte über Racial Profiling in der Silvesternacht hat gezeigt, dass die Polizei deutlicher machen muss, auf welcher Grundlage sie bestimmte Entscheidungen trifft." Hier lohne ein Blick nach Großbritannien: Wenn sich Bürger von der Polizei ungerecht behandelt fühlen, können sie sich an eine offizielle Beschwerdestelle wenden. Zudem werde die Zahl der Identitätskontrollen in regelmäßigen Abständen vom Innenministerium veröffentlicht, so Hunold. Das schaffe nicht nur Vertrauen, sondern fordere die Polizei auch dazu heraus, sich stärker mit eigenen Fehlern auseinanderzusetzen.
Von Jennifer Pross
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