REFERENT*INNEN
Prof. Dr. Thomas Hestermann, ist Medienwissenschaftler an der Hochschule Macromedia. Er präsentierte exklusiv die Ergebnisse seiner Analyse zum Bild von Migrant*innen in den deutschen Medien.
Sascha Borowski, ist Sprecher des Deutschen Presserats und stellvertretender Redaktionsleiter der Allgäuer Zeitung.
Ferda Ataman, ist Journalistin, Autorin und Vorsitzende der "Neuen deutschen Medienmacher*innen".
STATEMENTS DER REFERENT*INNEN (AUSZÜGE)
Prof. Dr. Thomas Hestermann, Hochschule Macromedia Campus Hamburg
Die Berichterstattung über Migrant*innen habe sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt, sagt Thomas Hestermann. In seiner Studie für den MEDIENDIENST hat er untersucht, wie Migrant*innen Anfang 2021 in überregionalen Zeitungen und Fernsehsendern dargestellt wurden. 37 Prozent der Fernseh- und Zeitungsberichte gingen auf "gesellschaftliche Chancen" ein, so ein zentraler Befund seiner Untersuchung. Zum Vergleich: In einer ähnlichen Untersuchung 2019 war dies bei 15 Prozent der Berichte der Fall.
Ein Viertel aller Beiträge Anfang 2021 behandelte Kriminalfälle. Dabei kamen Eingewanderte und Geflüchtete fünfmal so häufig als Tatverdächtige wie als Opfer vor. In den Berichten, die die Herkunft von Tatverdächtigen nannten, hatten diese in 87,5 Prozent der Fälle einen Migrationshintergrund.
Hestermann kritisiert den Deutschen Presserat dafür, dass er 2017 den Pressekodex geändert hat. Der Pressekodex hatte bis dahin nur dann die Erwähnung der Herkunft gestattet, wenn es einen Sachzusammenhang zwischen Herkunft und Tat gab. Seit der Neuformulierung 2017 kann die Herkunft auch dann genannt werden, wenn daran ein "begründetes öffentliches Interesse" bestehe.
Sascha Borowski, Deutscher Presserat
Die Redaktionen hätten in den vergangenen Jahren viel gelernt, sagt Sascha Borowski vom Deutschen Presserat. Sie berichteten heute verantwortungsvoller über Migrationsthemen. Und sie machten transparent, warum sie sich dafür oder dagegen entscheiden, die Herkunft von Tatverdächtigen zu nennen, so Borowski.
Borowski sagt, er könne die Kritik an der neuen Richtlinie des Presserats nicht nachvollziehen. Die Neuformulierung und die dazugehörigen Leitsätze hätten den Redaktionen mehr Klarheit und Orientierung verschafft.
Ferda Ataman, Neue Deutsche Medienmacher
Medien behandelten Einwanderung noch immer nicht als Normalfall, kritisiert die Autorin Ferda Ataman. Sie wünscht sich, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufiger in Berichten zu Wort kommen – und das nicht nur, wenn es um Migrationsthemen geht. Außerdem müssen Redaktionen vielfältiger werden, fordert sie. Einwanderer*innen und ihre Nachkommen seien hier nach wie vor stark unterrepräsentiert. Teile der Berichterstattung über die Covid-19-Pandemie bezeichnet Ataman als diskriminierend. Zu Beginn der Pandemie hätten etliche Medien asiatisch aussehende Menschen als Infektionsgefahren dargestellt. Migrant*innen sei außerdem vorgeworfen worden, das sie die Pandemie antreiben – etwa indem sie sich bei Hochzeiten und anderen Großveranstaltungen infizieren, neue Virusvarianten aus dem Ausland importieren und Impfungen ablehnen.
Von Nikolas Schäfer
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