Knapp zwei Jahre nach dem Stichtag am 9. Mai hat das Statistische Bundesamt die erste Auswertung des Zensus 2011 vorgestellt. Zentrales Ergebnis: Die Bevöllkerungsstatistik muss um 1,5 Millionen nach unten korrigiert werden. Die bislang jährlich fortgeschriebene Erhebung basierte auf der letzten Volkszählung von 1987 in Westdeutschland und dem Einwohnermelderegister der DRR von 1990. Diesmal hat sich Methode stark verändert: Beim Zensus 2011 wurden nicht nur Einwohner befragt, sondern zudem bereits vorhandene Daten ausgewertet, wie Einwohnermelde- und Personenegister.
Laut Zensus 2011 lebten in Deutschland zum Stichtag also 80.219.695 Millionen Einwohner. Diese Zahl wird wohl auch für den noch nicht veröffentlichten Mikrozensus 2012 zugrunde gelegt werden, um die Entwicklung neu zu bestimmen. Überhaupt werden nach der Präsentation der Daten sämtliche Berechnungen zur Bevölkerung auf eine neue Grundlage gestellt.
Von der statistischen Schrumpfung sind vor allem Berlin (-5,2 Prozent), Hamburg (-4.6 Prozent), Baden-Württemberg (-2,5 Prozent) und Sachsen (-2,0 Prozent) betroffen. Insgesamt ist die Bevölkerung Deutschlands um 1,8 Prozent kleiner, als bislang angenommen.
Deutlich mehr Einwohner mit polnischem Hintergrund
Maßgeblich entscheidend für das Schrumpfen ist die Gruppe der Ausländer, die um 1,1 Millionen auf nunmehr 6.169.360 Einwohner gesunken ist. Zu ihr zählen alle Menschen, die keinen deutschen Pass haben oder als Staatenlose registriert sind. Deutsche mit einer zusätzlichen ausländischen Staatsangehörigkeit gelten statistisch nicht als Ausländer. Warum diese Gruppe so stark von der bisherigen Zählung abweicht, müssen die Statistiker noch genauer eruieren. Ein Teil könnte durch Auswanderer erklärt werden, die sich nicht abgemeldet haben.
Laut den neuen Daten ist auch der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund kleiner (18,9 Prozent) als bislang angenommen (19,5 Prozent). Von den rund 15 Millionen so zugeordneten Menschen sind knapp 40 Prozent Ausländer, 60 Prozent sind Deutsche mit Migrationshintergrund.
Betrachtet man die gesamte Gruppe nach Herkunftsländern, fällt auf, dass die Anzahl der Menschen mit einem Migrationsbezug zur Türkei von 18,5 auf 17,9 Prozent leicht gesunken ist. Die zweitgrößte Gruppe der Polen dagegen ist von 9,2 Prozent im Mikrozensus 2011 auf 13,1 im Zensus ungewöhnlich stark angewachsen.
Keine verlässlichen Angaben zu reiligiösen Minderheiten
Mit großer Spannung wurden auch die Zahlen zur Religionszugehörigkeit erwartet, da es hierzu keine Erfassung gibt, abgesehen von der Erhebung für steuerliche Meldungen. Zum ersten Mal wurde (in Frage 7) nach der Religionszugehörigkeit gefragt. Diese Frage mussten alle Interviewten beantworten. Freiwillig wurde die Angabe erst, wenn man erklärte, keiner "öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft" anzugehören. Dann war es den Personen freigestellt, sich in Frage 8 zu einer Religion oder Weltanschauung zu bekennen oder nicht.
Ergebnis:
- 30,8 Prozent der Bevölkerung gehören demach der römisch-katholischen Kirche an,
- 30,3 Prozent bekennen sich zum evangelischen Glauben,
- 10,5 Prozent erklären, keiner Religion oder Weltanschauung anzugehören,
- 17,4 Prozent machen keine Angaben
- und lediglich 5,3 Prozent bekennen sich zu sonstigen Glaubensgruppen.
Roderich Egeler, der Präsident des Statistischen Bundesamts, wurde in seinem Statement etwas konkreter: "Beim Zensus 2011 haben sich relativ wenige Menschen zu einer der Weltreligionen Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus bekannt. Die Werte gehen von 0,1 Prozent (Hinduismus) bis 1,9 Prozent (Islam). Es ist jedoch davon auszugehen, dass gerade die Anhänger dieser Religionen überproportional häufig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, auf die Beantwortung der Frage zur Religionszugehörigkeit zu verzichten."
Egeler unterstreicht, dass hier "der Zensus 2011 keine verlässlichen Ergebnisse zu diesen Religionen in Deutschland bereitstellen kann". Tatsächlich wäre das auch überraschend: Wenn die Ergebniswerte der Realität entsprächen, wäre die Zahl der Muslime in Deutschland von heute auf morgen kleiner als halbiert. Bislang geht man von rund vier Millionen Muslimen aus, was etwa fünf Prozent der Bevölkerung entspricht.
Betrachtet man die bisher vorliegenden allgemeinen Annahmen zur Religionszugehörigkeit in Deutschland, müssten sich vor allem Konfessionslose in der Gruppe befinden, die keine Angaben zur Religion gemacht haben. Denn bislang ging man hier von rund 30 Prozent aus, im Zensus bezeichneten sich jedoch nur 10,5 Prozent als solche.
Bei den statistischen Erhebungen zu den Anhängern der sonstigen Weltreligionen wie Islam müssten "die Lücken durch wissenschaftliche Verfahren geschlossen" werden, erklärt Sabine Bechthold vom Statistischen Bundesamt bei der Vorstellung der Zensus-Zahlen in Berlin. Man werde dabei "methodisch sehr sauber" arbeiten, versicherte sie. Allerdings werde das Zeit in Anspruch nehmen.
Von Ferda Ataman, MDI
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