Der SVR hat sich in seinem diesjährigen Jahresgutachten der religiösen Vielfalt in Deutschland gewidmet – insbesondere dem Islam. Das Fazit der Forscher fällt durchaus positiv aus. „Überraschend ist, wie schnell und umfassend neuen Religionsgemeinschaften in Deutschland in den letzten Jahren Rechte gewährt wurden“, schreiben sie in dem Gutachten. Die institutionelle Gleichstellung des Islam sei in den letzten Jahren weit vorangeschritten. Als Beispiele nennt der SVR den islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen oder die islamische Theologie an Universitäten. Der wichtigste Grund für die Erfolge ist laut SVR das deutsche Modell der "positiven Neutralität" des deutschen Staates gegenüber Religionsgemeinschaften.
„Staat und Politik haben deutlich gemacht, dass sie den Muslimen bei weiteren Schritten zur institutionellen Gleichstellung etwa mit den Kirchen und der jüdischen Gemeinde entgegenkommen“, sagte die SVR-Vorsitzende Christine Langenfeld. "Nun sind die Muslime am Zug, um den begonnenen Prozess der institutionellen Gleichstellung weiter voranzubringen.“ Eine wichtige Aufgabe der Gemeinden: Fragen der Mitgliedschaft müssten geklärt werden, so der SVR. Noch sind die Mitgliederstrukturen in den Gemeinden eher informell. Wichtig sei auch, die Abhängigkeit von ausländischen Einflüssen zu verringern.
Gleichzeitig macht der SVR deutlich, dass der Einfluss der Religion auf die Integration überschätzt wird. Es gebe keine Belege, dass Religion grundsätzlich die Teilhabe an Bildung und am Arbeitsmarkt erschwert. Der Bildungserfolg hänge nach wie vor stark vom sozialen Hintergrund ab.
Integrationsklima ist gut
Der SVR hat zudem untersucht, wie Personen mit und ohne Migrationshintergrund das Integrationsklima in Deutschland wahrnehmen. Die Forscher kommen auch hier zu einem positiven Ergebnis: Die Mehrzahl der Befragten schätzt das Klima als gut ein. Der "Integrationsklimaindex" liegt bei Befragten ohne Migrationshintergrund bei 65,4 Punkten, bei denen mit Migrationshintergrund mit 67,1 Punkten etwas höher. Das entspricht der Schulnote „gut“.
Mehr als 5.000 Menschen wurden von März bis Oktober 2015 für die repräsentative Studie befragt. Die Flüchtlingssituation spielte in der Analyse keine Rolle. Einstellungen gegenüber Geflüchteten sind Teil einer Sonderauswertung, die der SVR bereits zwei Wochen zuvor veröffentlicht hat.
Die Forscher stellten fest, welche Faktoren die Wahrnehmung des Integrationsklimas beeinflussen:
- Interethnische Kontakte: Je häufiger solche Begegnungen stattfinden, desto mehr werden Vorurteile abgebaut.
- Alter: Jüngere Menschen bewerten das Integrationsklima positiver als ältere.
- Wirtschaftliche Situation: Wer seine eigene ökonomische Lage positiv einschätzt, sieht auch das Integrationsklima tendenziell optimistischer.
- Bildung: Bei den Befragten ohne Migrationshintergrund waren höher Gebildete in der Tendenz optimistischer, was das Integrationsklima anbelangt. Bei Menschen mit Migrationshintergrund wirkt sich das Bildungsniveau aber nicht auf die Wahrnehmung aus.
Der SVR wollte von den Befragten auch wissen, was aus ihrer Sicht wichtig ist, um zur Gesellschaft dazuzugehören. Die Ergebnisse überraschen: Rund 90 Prozent meinten, dass ein fester Arbeitsplatz sehr wichtig oder eher wichtig ist. Auf Platz 2 lag die deutsche Staatsangehörigkeit. Weniger wichtig waren den Befragten der christliche Glaube, die Geburt in Deutschland oder deutsche Vorfahren.
Bei den Einstellungen zum Islam gab es kein eindeutiges Bild. 53 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund stimmte der Aussage „Der Islam gehört zu Deutschland“ gar nicht oder eher nicht zu. Islamischer Religionsunterricht als wählbares Unterrichtsfach oder ein Moscheebau in der Nachbarschaft wird hingegen mehrheitlich akzeptiert.
Von Mehmet Ata
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