Am 6. Januar sind in Paris maskierte Männer mit Kalaschnikows in die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" eingedrungen und haben zehn Menschen ermordert. Wie haben Sie den Terroranschlag auf Ihre Kollegen wahrgenommen?
Für mich war das ein Schock, ebenso wie für alle um mich herum. Es hat mich aber weniger als Karikaturistin oder als Muslimin getroffen, sondern als Mensch. Es ist grauenhaft, dass die Drohungen wahr gemacht wurden und so etwas Schreckliches passiert.
Was war Ihr erster Gedanke?
Ich habe geflucht. Ich hatte das Gefühl, dass wir in Deutschland gerade wieder auf einem guten Weg sind und die Menschen ihre solidarische Seite zeigen und ein Zeichen gegen die Pegida-Demonstranten setzen. Der Anschlag in Frankreich könnte nun die Emotionen auch wieder in unserer Gesellschaft hochschaukeln. Ich hoffe sehr, dass Deutschland auf der Linie bleibt und keine neue Welle von Hass und Gewalt losbricht.
Wie werden Sie als Künstlerin auf das Ereignis reagieren?
Ich habe gestern schon darauf reagiert und einen Cartoon weitergeführt, den ich kürzlich aus einem anderen Anlass begonnen hatte. Als in Berlin und Köln die Lichter ausgemacht wurden, um den islamfeindlichen Pegida-Demonstranten keine Kulisse zu bieten, hatte ich mich gefreut. Nun sind mit den neuesten schrecklichen Ereignissen die Lichter in mir ausgegangen (vgl. Cartoon: „Lights off“). Vielleicht mache ich noch mehr zum Thema, das weiß ich gerade noch nicht.
Zeichnungen von Soufeina Hamed
Inwiefern ist Meinungsfreiheit für Ihre Arbeit ein Thema?
Das ist ein sehr großes Thema. Jeder Mensch, der sich in eine gesellschaftliche Debatte einbringt, muss sich damit befassen. Meine Bilder sind meine Art, mich auszudrücken und mich mit anderen auszutauschen – das wäre ohne Meinungsfreiheit gar nicht möglich. Es ist erst dann fruchtbar, wenn man mit Menschen diskutieren kann, die eine andere Meinung vertreten. Das bringt unsere Gesellschaft voran. Ich nutze meine Kunst dafür, den Dialog zu fördern. Aber Comic ist auch hier ein Medium wie jedes andere: Man kann das mehr oder weniger gut machen.
Wie weit darf Meinungsfreiheit in der Kunst gehen, wo sehen Sie Grenzen?
Ich tue mich mit der Frage sehr schwer. Im Wort Freiheit steckt ja schon, dass es keine Grenzen gibt. Für mich persönlich und meine eigenen Bilder ist die Grenze da, wo ich glaube, andere verletzen zu können. Aber auch das ist Teil der Meinungsfreiheit, solange sie grundlegenden Persönlichkeitsrechten nicht widerspricht. Als Künstlerin würde ich sagen, man sollte nach seinem Gewissen arbeiten.
Sie wollen mit Ihren Comics aufklären. Was ist Ihre Message?
Meine Botschaft hat sich im Laufe der Jahre ein bisschen gewandelt. Am Anfang wollte ich meine Religion erklären. Inzwischen geht es mir eher darum, Muslime in Deutschland zu zeigen, es geht um die Themen Identität und Diskriminierung. Die meisten meiner Comics sind sehr persönlich und haben mich als Figur. Ich will damit auch Normalität zeigen: Ich fahre Fahrrad oder tue Alltagsdinge. Manche suchen darin das „Islamische“ oder „Migrantische“, aber genau darum soll es nicht immer explizit gehen. Ich will auf Gemeinsamkeiten hinweisen, auf Probleme in der Gesellschaft, auf das normale Leben meiner Figur in dieser Gesellschaft.
In einem Interview sagen Sie, „Humor bringt Menschen auf die gleiche Ebene“. Was meinen Sie damit?
SOUFEINA HAMED lebt in Berlin und ist Psychologin. Ihre Illustrationen und Comic-Zeichnungen, die sie unter dem Künstlernamen Tuffix veröffentlicht, wurden u. a. bei einer Wanderausstellung der Bundeszentrale für politische Bildung sowie in einer Online-Ausstellung des „International Museum of Women“ gezeigt. Sie engagiert sich zudem in verschiedenen Organisationen wie dem JUMA-Projekt, der Jungen Islam Konferenz und dem Zahnräder Netzwerk.
Mein Ziel ist, dass Menschen einen Aha-Effekt haben oder lächeln. Bei meinem Humor geht es nicht darum, über jemanden zu lachen, sondern dass man gemeinsam über etwas lacht und damit eine Grundlage schafft, die einen zusammenbringt. Das Lachen ist in dem Moment stärker als Argumente oder ausdiskutierte Standpunkte.
Sie haben vor wenigen Tagen Ihren Master in interkultureller Psychologie in Osnabrück abgeschlossen. Was nehmen Sie aus Ihrem Studium für diese Fragen mit?
Ich verstehe inzwischen ganz gut, wie Gruppendynamiken funktionieren. Ich habe aus dem Studium mitgenommen, dass Menschen oft berechenbar sind. Menschen reagieren in Gruppen unabhängig vom Label „Muslime“, „Türken“, „Deutsche“ eigentlich alle gleich, je nachdem ob sie beispielsweise die Minderheit oder Mehrheit abbilden. Das hilft mir zu verstehen, warum Menschen sich so verhalten, wie sie es tun.
Welche Reaktionen von Muslimen sind jetzt aus Ihrer Sicht angebracht?
Das ist nicht leicht zu beantworten. Wir sind gerade in einer Zwickmühle. Muslime werden einerseits dazu aufgefordert, sich zu distanzieren. Aber man kann sich nur von etwas distanzieren, dass Nähe zu einem hat. Und diese Nähe sehe ich nicht. Ich kann daher verstehen, dass Einzelpersonen jetzt nicht das Gefühl haben, Stellung beziehen zu müssen. Andererseits aber denke ich, es ist gut, dass sich die großen Verbände dazu äußern und diese Anschläge verurteilen. Es geht um einen Balanceakt.
Interview: Ferda Ataman
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