Vor zehn Jahren nahm der MEDIENDIENST die Arbeit auf. Wie hat sich die Berichterstattung über Migration und Teilhabe seitdem geändert? Das war die zentrale Frage unserer Jubiläumsveranstaltung. Mit Gästen aus Wissenschaft, Journalismus, Politik, Stiftungen, Verbänden und Organisationen feierte der Mediendienst Integration am Berliner Standort der Robert Bosch Stiftung sein zehnjähriges Bestehen.
Vor zehn Jahren habe es „krasse Rückschritte“ in den Debatten über Integration und Migration gegeben, sagte Ferda Ataman, Mitgründerin des MEDIENDIENST und heute Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes. Damals wurde über die umstrittenen Thesen Thilo Sarrazins zur Einwanderung und sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ diskutiert. Zwar lieferte die Wissenschaft gegenteilige Befunde zur Integration, die spiegelte sich in den öffentlichen Debatten aber kaum wider. So sei die Idee entstanden, an der Schnittstelle zwischen Medien und Wissenschaft einen Informationsdienst einzurichten.
Die Gründung sei der Versuch gewesen, „ein anderes Kapitel“ aufzumachen, sagte Werner Schiffauer, Geschäftsführer des Rats für Migration, der seit der Gründung Träger des Mediendienst Integration ist. In den Auseinandersetzungen mit Politik und Verwaltung habe er zu der Zeit eine Angst vor den Themen Migration, Zuwanderung uns besonders dem Islam gespürt. Angesichts von „sich selbst verstärkenden“ und zum Teil „hysterischen“ Debatten in den Medien habe es die Angst gegeben, „dass man in einen Shitstorm gerät“.
Der „nüchterne Zugang“ zu Themen anhand von Daten und Studien präge noch heute die Arbeit, sagte MEDIENDIENST-Leiter Mehmet Ata. „Wir versuchen, Emotionen außen vor zu lassen und schauen, was die Wissenschaft sagt.“ Themen würden heute „tiefer“ diskutiert, im Vergleich zu 2012 sei in den Redaktionen viel Expertise vorhanden. Die gesellschaftlichen Herausforderungen seien zugleich größer geworden, betont Ataman mit Blick auf die Debatten um Rassismus und Fachkräftezuwanderung.
In den vergangenen zehn Jahren habe sich aber auch „richtig viel getan, auch zum Besseren“, sagte die Integrations- und Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan. Sie erinnerte an frühere Debatten über angebliche "Massen-Armutszuwanderung“, „Migration als die Mutter aller Probleme“ oder über „deutsche Leitkultur“. Eine stärkere Orientierung an Fakten schaffe „mehr Verständnis und Verständigung“ und mache „resistent gegen Vorurteile und Verschwörungstheorien“.
Doch aus Sicht von Dunja Ramadan, Journalistin bei der Süddeutschen Zeitung, gibt es noch eine Menge zu tun. „Wie lange wollen wir uns noch im Kreis drehen?“ – so lautete ein Zitat aus einem Briefwechsel mit Ferdos Forudastan, Geschäftsführerin der CIVIS Medienstiftung, der im Magazin der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde. Titel: "Mir fehlt ein warmes Wir". Ramadan glaubt nicht, dass Menschen, die „anders aussehen und glauben“, in Deutschland frei von Diskriminierung leben könnten. Die Journalistin wurde in Deutschland als Tochter einer Deutschen und eines Ägypters geboren. Wenn man hier aber Dunja Ramadan heiße, werde nicht gesehen, dass es auch christliche Vorfahren gebe und „Datschi“ zum Kaffee auf den Tisch komme. Sie selbst habe das nach einigen Jahren auch beinahe vergessen. „Das hat etwas mit Außenwahrnehmung zu tun.“
Von Cordula Eubel
Fotos: Thomas Lobenwein
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.