Die erste empirische Untersuchung über Pegida von der TU Dresden hatte versucht, das Bild eines "typischen" Pegida-Demonstranten zu entwerfen. Die Autoren erklärten, er sei 48 Jahre alt, stamme aus der Mittelschicht, sei gut ausgebildet, habe für sächsische Verhältnisse ein "leicht überdurchschnittliches Nettoeinkommen", gehöre keiner Konfession an und stamme aus Dresden oder Sachsen.
Überraschend fielen die Ergebnisse zur Motivation der Demonstranten aus, die unter dem Banner "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) mitliefen: Nur fünf Prozent gaben an, "aus Protest gegen religiös oder ideologisch motivierte Gewalt" dabei zu sein. Viel öfter äußerten Teilnehmer der Pegida-Demonstrationen eine generelle "Unzufriedenheit" mit der Politik (54 Prozent) und Kritik an den Medien (20 Prozent). Lediglich 15 Prozent äußerten demnach Ressentiments gegenüber Zuwanderern und Asylbewerbern.
Die Ergebnisse vermittelten den Eindruck, dass es sich hier nicht um rassistische oder rechtsextreme Bürger handelt, sondern um Menschen aus der Mitte, die Kritik am System üben. Experten äußerten sich kritisch zur Darstellung von scheinbar eindeutigen Ergebnissen. Vor allem stellen sie die Methodik und Repräsentativität der Studie in Frage. Die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um eine repräsentative Studie handle, sei von den Forschern nicht deutlich genug gemacht worden. Im Gegenteil hätten sie mit ihrer Pressearbeit aktiv daran mitgewirkt, dass ein Prototyp entstanden ist, den es so nicht gebe.
Weitere Untersuchungen kommen zu anderen Ergebnissen
"Mit einer Befragung erreicht man wohl kaum den harten Kern von Pegida", erklärte Protestforscher Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Der Vorstandsvorsitzende des "Vereins für Protest- und Bewegungsforschung" wollte dennoch wissen, wer die Pegida-Anhänger sind, was sie auf die Straße treibt und wie sie gegenüber Islam und Politik eingestellt sind.
Gemeinsam mit einem Team von Wissenschaftlern aus Berlin und Chemnitz hatte Rucht dafür während der Pegida-Kundgebung am 12. Januar per Zufallsprinzip ca. 1.800 Demonstranten angesprochen und Handzettel mit Informationen und Zugangsdaten zu einer Online-Befragung verteilt. Lediglich 670 Personen haben diesen Handzettel angenommen, von denen 123 Menschen teilgenommen haben. Die Forscher betonten daher bei der Präsentation ihrer Studie wiederholt, dass ihre Ergebnisse aufgrund der sehr geringen Beteiligung und möglicher Verzerrungseffekte nicht verallgemeinert werden können.
Im Vergleich mit der Erhebung der TU Dresden fällt auf: Die soziodemografische Zusammensetzung der Befragten ist ähnlich. Die Mehrheit (76 Prozent) ist männlich, ein Großteil stammt aus Dresden und Umgebung, über die Hälfte sind Angestellte, Arbeiter oder Beamte. Allerdings sind hier nur etwa fünf Prozent der Teilnehmer älter als 64 Jahre, was angesichts einer Online-Befragung naheliegt.
Stark "ausländerfeindlich" und gegen Asylsuchende
Rund 49 Prozent der Befragten verorteten sich selbst politisch in der „Mitte“, rund 33 Prozent dagegen rechts, weitere zwei Prozent als extrem rechts. Knapp zehn Prozent bezeichneten sich in der Befragung als „links“ oder „extrem links“. Dieser mehrheitlichen Selbsteinschätzung als politische Mitte bzw. links widersprechen die Angaben zur Sonntagsfrage: 89 Prozent würden demnach AfD wählen und fünf Prozent NPD.
Ähnlich wie in der Befragung der TU Dresden sind die Ablehnungswerte für etablierte Parteien und Medien sehr hoch. Ein deutlicher Unterschied lässt sich hingegen bei rechtsextremen Einstellungen ausmachen:
- Am stärksten war laut Wissenschaftlern eine Abwertung von Asylbewerbern zu erkennen: 81 Prozent sind dagegen, großzügig mit Asylanträgen umzugehen. Rund 49 Prozent glauben, dass Asylbewerber aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen herkommen und nicht wegen Verfolgung.
- 88 Prozent der Befragten stimmten teilweise oder ganz zu, dass „Ausländer nur hierher kommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen“. 79 Prozent widersprachen nicht der Aussage, die Bundesrepublik sei "durch die vielen Ausländer in gefährlichem Maß überfremdet“.
- Deutlich niedriger fiel die teilweise oder komplette Zustimmung zu antisemitischen (32 Prozent) und antimuslimischen Äußerungen (37 Prozent) aus, die ebenfalls abgefragt wurde.
Auch das Göttinger Institut für Demokratieforschung um Politikwissenschaftler Franz Walter führte nach dem 12. Januar eine Online-Umfrage durch, an der sich insgesamt rund 500 Teilnehmer der Demonstration beteiligten. Auch hier stellte man zunächst klar: Es handle sich "ausdrücklich nicht um eine repräsentative Studie". Dezidiert rechtsextreme Aktivisten und "notorisch Misstrauische" dürften im Untersuchungssample eher nicht auftauchen. Die Ergebnisse sagten daher nur etwas über 500 Teilnehmer einer Pegida-Demonstration aus.
Auch hier sind die soziodemografischen Ergebnisse ähnlich wie bei den anderen Umfragen: "Einem sozial ausgegrenzten »Prekariat« gehören die 500 »Pegidisten«, die uns Auskunft gaben, gewiss nicht an", erklären die Autoren. Und: "Die Pegida-Aktivisten streben zu einer neuen politischen Repräsentanz – und das ist die »Alternative für Deutschland«." In dieser Studie wird die Ablehnung des Islam deutlicher als bei den anderen. Auf den stärksten Widerspruch stoße der Satz: "Auch der Islam gehört zu Deutschland." Knapp drei Viertel stimmten laut Walter dieser Aussage „eher nicht“ und „überhaupt nicht“ zu. In dieser Untersuchung machte sich zudem eine homophobe Tendenz bemerkbar: Die Aussage, dass Kinder „Mütter und Väter brauchen“, fände hier "größte Zustimmung".
Von Ferda Ataman und Marie Buchta
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