Mobbing, Benachteiligung in der Benotung oder Schulbücher, die Vorurteile vermitteln: Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern hat unterschiedliche Formen. Wie groß das Problem ist, zeigt eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2017: Rund ein Viertel der Befragten gab an, in den zurückliegenden zwei Jahren Diskriminierung im Bildungsbereich erlebt zu haben. Beratungsstellen berichten, dass die Benachteiligung oft von Lehrkräften und anderem Schulpersonal ausgeht.Quelle
Diskriminierung kann die Gesundheit und den Schulerfolg von Schülerinnen und Schülern gefährden. Oft wissen Betroffene nicht, an wen sie sich wenden sollen, oder werden nicht ernstgenommen. Häufig unternehmen sie nichts, weil sie weitere Benachteiligungen befürchten.Quelle
Welchen Schutz haben Schülerinnen und Schüler?
Es fehlen gesetzliche Regelungen, die Schülerinnen und Schüler vor Diskriminierung schützen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) greift nur im Arbeitsleben und gilt nicht für Kinder und Jugendliche an öffentlichen Schulen. Zwar enthalten die meisten Schulgesetze der Bundesländer ein Recht auf diskriminierungsfreie Bildung oder gar ein explizites Diskriminierungsverbot. Jedoch sind oft Zuständigkeiten und Befugnisse nicht geklärt, sodass die Rechte nur schwer durchsetzbar sind.Quelle
Das Land Berlin will deshalb noch in diesem Jahr ein "Landesantidiskriminierungsgesetz" verabschieden. Es sieht vor, dass Personen nicht durch "öffentlich-rechtliches" Handeln diskriminiert werden dürfen. Das gilt dann auch für Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen. Unter anderem wird es möglich sein, Schadensersatz oder Entschädigung einzuklagen.Quelle
Verbände sehen im Gesetz einen Fortschritt. "Damit wird anerkannt, dass Diskriminierung in öffentlichen Institutionen, also auch an Schulen, ein strukturelles Problem ist", so Céline Barry, Leiterin der Antidiskriminierungsberatung vom Verein Each One Teach One (EOTO). "Betroffene werden dadurch entlastet, da in bestimmten Fällen Verbände für sie klagen können."
Das Land Berlin gilt als Vorreiter
Berlin wäre das erste Bundesland, das ein solches Gesetz verabschiedet. Kein anderes Bundesland plant derzeit Vergleichbares, wie eine Umfrage des MEDIENDIENSTES unter den zuständigen Ministerien zeigt.Quelle
Auch in anderer Hinsicht gilt Berlin als Vorreiter: Dort gibt es eine Antidiskriminierungsbeauftragte für Schulen. Sie ist innerhalb der Senatsverwaltung für das Thema zuständig und hat unter anderem eine Fortbildung für Lehrkräfte zum Thema entwickelt. Doch auch in Berlin gibt es Kritik, seitdem die Antidiskriminierungsbeauftragte Saraya Gomis ihren Rückzug angekündigt hat. Verbände bemängeln, dass die Antidiskriminierungsbeauftragte zu wenige Befugnisse habe. Andere Bundesländer haben keine Pläne, eine ähnliche Stelle einzuführen.Quelle
In Berlin existiert auch eine Anlaufstelle für Diskriminierungsfälle an Schulen, die unabhängig vom Senat arbeitet – jedoch nur als zeitlich befristetes Pilotprojekt. Viele Verbände fordern, eine solche Stelle dauerhaft einzurichten. Zu den Aufgaben der Anlaufstelle würde gehören, zwischen Schulen und Schülern zu schlichten, so dass es nicht zu Gerichtsverfahren kommen muss. "Für viele Betroffene ist es nicht der richtige Weg, zu klagen", sagt Aliyeh Yegane von der Anlaufstelle. Denn viele befürchten Nachteile in der Schule, wenn sie den Klageweg beschreiten. Es sei auch manchmal schwer, Diskriminierung im konkreten Fall nachzuweisen, so Yegane.Quelle
Expertin: Rassismuskritik muss Bestandteil im Unterricht werden
Was können die Schulen selbst tun, um besser gegen Benachteiligungen vorzugehen? Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt Schulen, eine Strategie zu entwickeln, in der sie Leitlinien für diskriminierungsfreie Notengebung und Unterrichtsmaterialien erarbeiten.
Die Bildungswissenschaftlerin Aylin Karabulut fordert zudem eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus im Unterricht und auch in Schulungen für Lehrkräfte. "Es gibt an Schulen kaum ein Bewusstsein dafür, dass Rassismus – wie andere Formen von Diskriminierung – in den Strukturen des Bildungssystems verankert ist", so Karabulut. Zudem müsse sich das Lehramtsstudium ändern: "Inhalte zu institutioneller Diskriminierung – und eben auch zu Rassismus – sind dort bislang kaum systematisch verankert."
Von Andrea Pürckhauer
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