Die Chronik für die ersten acht Wochen im neuen Jahr ist alarmierend: Veranstaltet durch die NPD, rechte Parteien, freie Kameradschaften und "Bürgerinitiativen" gab es mindestens 24 Demonstrationen und Kundgebungen gegen Flüchtlinge, 21 Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte – darunter 13 Brandanschläge. Die Ergebnisse einer gemeinsamen Recherche der Amadeu Antonio Stiftung und der Organisation Pro Asyl wurden bei einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt. Sie passen zu dem, was die Sicherheitsbehörden beobachten:
Das Bundeskriminalamt bestätigt auf Nachfrage, dass die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im letzten Jahr dramatisch gestiegen ist. Zählten die Sicherheitsbehörden 2012 noch 24 Delikte, waren es 2013 bereits 58. Das BKA führt dabei nur eindeutig rechtsextrem motivierte Straftaten auf (Fälle bis November 2013 finden Sie in der Drucksache 18/203 Seite 7f). Flüchtlingsinitiativen gehen von einer höheren Dunkelziffer aus.
Bei der Präsentation der Recherche-Ergebnisse betont Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl: "Flüchtlinge sind im Moment die Zielscheibe der Rechtsextremen und Rechtspopulisten und verdrängen sogar islamfeindliche Parolen von Platz eins." Auch die Alternative für Deutschland (AfD) sei in vielen Kommunen auf diesen Zug aufgesprungen und verwende "eine Sprache jenseits des demokratischen Spektrums". Sie würde den Eindruck vermitteln, dass Menschenrechte verhandelbar seien.
Zusammenhang zwischen Hetze und Gewalt deutlich
"Parteien wie NPD, Pro Deutschland und AfD instrumentalisieren die gestiegenen Asylantragszahlen für ihre Zwecke und verbreiten rassistische Polemik", erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung (AAS). Sie versuchten, die allgemeine Stimmung gegen Flüchtlinge zu wenden, etwa durch Warnungen vor kriminellen Ausländern oder dem Wertverlust von Immobilien, in deren Nachbarschaft Asylbewerber untergebracht werden. "In mehreren Fällen ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen solcher Hetze und gewalttätigen Übergriffen erkennbar", so Reinfrank.
Die Rechtsextremen würden sich dabei betont volksnah geben und mit Vorliebe in so genannten „Bürgerinitiativen“ mobilisieren – online wie offline. 2013 fanden demnach über hundert Demonstrationen statt, von denen die Mehrzahl von der NPD und der freien Kameradschaftsszene organisiert wurde. Trotz immer wiederkehrender Verbote und Schließungen fänden sich derzeit über 50 Hetzseiten in sozialen Netzwerken wie Facebook.
Zwar betonen alle Anwesenden bei der Pressekonferenz, darunter auch der langjährige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, dass gleichzeitig eine wachsende Solidarität in der Gesellschaft mit Flüchtlingen sichtbar sei. Sie erwähnen zahlreiche Initiativen, die Hilfe anbieten und gegen die Hetze von rechter Seite protestieren. Dennoch brauche es laut AAS eine stärkere Polizeipräsenz vor Unterkünften und deutliche Stellungnahmen von Kommunalverwaltungen, wenn Anzeichen für eine Stimungmache gegen Schutzsuchende zu finden sind.
Als Reaktion starten die Amadeu Antonio Stiftung und PRO ASYL die gemeinsame Kampagne „Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile und Rassismus“. Dazu wurden drei Handreichungen vorgestellt, darunter auch eine Argumentationshilfe gegen flüchtlingsfeindliche Parolen.
Von Ferda Ataman
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