Im Sudan kämpfen seit April 2023 das sudanesische Militär und die paramilitärische Miliz RSF offen um die Macht. Die ohnehin angespannte humanitäre Lage ist für die Einwohner Sudans lebensbedrohlich geworden: 26 Millionen der 48 Millionen Menschen in Sudan leiden an Hunger. Cholera und das Dengue-Fieber breiten sich aus, während das Gesundheitssystem zum Erliegen kommt. Rund 25.000 Personen sind nach UN-Angaben seit Beginn des Bürgerkriegs gestorben, eine neue Studie der Londoner Hygiene- und Tropenmedizinhochschule geht von weit über 61.000 Toten aus.Quelle
Sudanesische Geflüchtete innerhalb und rund um Sudan
Die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge befinden sich aktuell weiterhin innerhalb der sudanesischen Landesgrenzen: 8,3 Millionen Menschen gelten als Binnenflüchtlinge. Weitere 3 Millionen Menschen sind in die benachbarten Länder geflohen: Die meisten von ihnen über die nördliche Grenze nach Ägypten (1,3 Millionen), viele weitere in den Südsudan (843.000) und in den Tschad (712.300). Doch auch in den Nachbarländern herrschen teilweise schwierige Verhältnisse.Quelle
Sudanesische Geflüchtete in der EU und Deutschland
Ein sehr kleiner Anteil aller Kriegsflüchtlinge aus dem Sudan kommt in die EU. Seit Ausbruch des Bürgerkriegs im April 2023 waren es insgesamt 13.435 Personen. Die meisten von ihnen flohen nach Frankreich (8.155 Personen), gefolgt von Griechenland (1.530 Personen) und Deutschland (1.255 Personen). In Deutschland kommen in den meisten Monaten zwischen 50 und 100 sudanesische Kriegsflüchtlinge an. Gründe für die geringe Fluchtbewegung nach Europa finden Sie unten in den Experteneinschätzungen.Quelle
Sudanesen in Deutschland
In Deutschland leben rund 20.000 Personen mit sudanesischem Migrationshintergrund, davon 12.300 Personen mit sudanesischer Staatsangehörigkeit (Stand 31.12.2023). Die meisten Personen mit sudanesischem Migrationshintergrund leben in Niedersachsen (ca. 9.000). Informationen dazu, wie sich der Bürgerkrieg auf die sudanesische Diaspora in Deutschland auswirkt, finden Sie in den Experteneinschätzungen.Quelle
Experteneinschätzungen
Zu Fluchtbewegungen aus dem Sudan
Dr. Gerrit Kurtz
Politikwissenschaftler in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten in der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) mit Schwerpunkt auf Sudan
„Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Aktuell gibt es noch nicht einmal einen diplomatischen Prozess, der Friedensverhandlungen einleiten könnte. Die massenhafte Vertreibung wird daher weitergehen. Nach Europa werden allerdings nur die allerwenigstens der Millionen Vertriebenen kommen. Das liegt zum einen daran, dass Sudan ein sehr armes Land ist - die Menschen haben schlicht nicht das Geld, um eine derart lange teure Flucht und ggf. Schleuser zu bezahlen. Dies ist ein großer Unterschied zu Syrien, das zumindest zu Beginn des Bürgerkriegs ein deutlich höheres Pro-Kopf Einkommen als Sudan hatte. Außerdem ist die Fluchtroute weitestgehend blockiert: So unterstützt die EU die autoritäre Regierung Ägyptens finanziell, damit diese ihre Grenzen - mit teils brutalen Methoden - schließt und somit eine Flucht gen Europa verunmöglicht. Viele Sudanesen und Sudanesinnen wollen aber auch nahe am Herkunftsland bleiben, so gibt es etwa in Nairobi und Kampala große sudanesische Communities.“
Zur Situation von Sudanesen und Sudanesinnen in Deutschland
Julia Kramer
Friedens- und Konfliktforscherin, 2008 bis 2010 für den Zivilen Friedendienst (ZFD) im Sudan, danach langjährige ZFD-Projektberaterin sowie freiberuflich u.a. mit Schwerpunkt auf Sudan und sudanesische Diaspora tätig
„Die Situation für Sudanesinnen und Sudanesen in Deutschland ist extrem belastend. Sie sorgen sich um das Überleben ihrer Verwandten im Sudan, und einige trauern um bereits Verstorbene. Wegen des Mangels an Einkommen und humanitärer Hilfe im Sudan versuchen Menschen in der Diaspora, soweit sie können, Familienangehörige finanziell zu unterstützen. Auch die Straßenküchen im Sudan, die derzeit das Überleben zahlreicher Menschen ermöglichen, funktionieren unter anderem mit finanzieller Unterstützung aus der Diaspora. Für sudanesische Kinder in Deutschland ist es schwer verständlich, dass in den Schulen ausführlich über die Kriege in der Ukraine und Gaza gesprochen wird, während sie selber seit Ausbruch des Kriegs im Sudan nicht einmal gefragt werden, wie es ihnen geht.“
Zur Rolle der EU
Hager Ali
Politologin und Forscherin am German Institute for Global and Area Studies (GIGA) mit Schwerpunkt Sudan.
„Im Sudan gibt es schon seit Jahren militarisierte Konflikte und gewaltsame Übergriffe des Staates auf die Zivilgesellschaft. Die EU hat sich in all der Zeit primär darum gekümmert, dass keine sudanesischen Flüchtlinge in die EU kommen. Dafür wurde unter anderem mit dem mittlerweile gestürzten Diktator Omar al Bashir kooperiert, der als Kriegsverbrecher vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt ist. Die heutige Kriegspartei Rapid Support Forces (RSF) hatte unter al Bashir den Auftrag, die Landesgrenzen abzusichern. Dadurch flossen EU-Gelder, wie zum Beispiel aus dem European Trust Funds for Africa, auch in die RSF, Polizei und den Sudanesischen Geheimdienst. Auch jetzt investiert die EU in Abkommen zur Kontrolle von Flüchtlingsströmen mit Tunesien, Ägypten, Marokko und anderen Transitländern. Nachhaltiger wäre es, den massiven Waffenschmuggel in den Krieg im Sudan zu bekämpfen und Kriegsverbrechen zu ahnden. Entgrenzte Gewalt und die völlige Straffreiheit für Gräueltaten von den RSF werden sonst weiterhin Fluchtursachen befeuern.“
Von Donata Hasselmann, Grafiken: Fabio Ghelli
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.